Am 9. November 2022 beschloss der Leipziger Stadtrat mit deutlicher Mehrheit, die Turmgutstraße in Gohlis in Boris-Romantschenko-Straße und würdigte damit den 96-jährigen Boris Romantschenko, der nach einem russischen Raketenangriff gestorben war. Und er setzte ein Zeichen. Die Turmgutstraße konnte ja nichts dafür. Aber hier war das Russische Konsulat ansässig. Nun versucht eine Petition, das Ganze wieder rückgängig zu machen.

Geschrieben hat sie wieder Kai-Uwe Arnold aus Borsdorf, derselbe, der 2020 schon die Umbenennung der Arndtstraße in der Leipziger Südvorstadt mit einer Petition kippen konnte, nachdem der Stadtrat schon die Umbenennung in Hannah-Arendt-Straße beschlossen hatte.

Seine Petition zur Turmgutstraße reichte er im Juni ein. „Die Idee der Umbenennung der Turmgutstraße entstand nur, um einem Anlieger, dem russische Konsulat, eine Adresse zu geben, mit dem das Konsulat sich mit den Folgen des Krieges auseinandersetzen sollte“, beschrieb er den zentralen Anlass, mit dem 2022 die Umbenennung erfolgte.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist bis heute nicht beendet. Und die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland haben sich seither deutlich verschlechtert. Was auch für das Russische Konsulat in Leipzig Folgen hatte.

„Niemand hätte ohne diesen Anlieger die kurze über 100 Jahre alten, mit direktem Verweis auf das Gohliser Schlößchen und damit stadtgeschichtlich bedeutende Bezeichnung geändert. Eine Umbenennung der Turmgutstraße stand in keiner geschichtlichen Epoche der Stadt jemals zur Debatte und wäre ohne das Konsulat sicher auch nie erfolgt.

Gegen die Umbenennung sprachen sich der Bürgerverein Gohlis, der Stadtbezirksbeirat Nord und die Anwohner sowie geschichtsinteressierte Bürger aus. Das zeigt, dass die Umbenennung durch Einsprüche bislang nicht umgesetzt ist.

Beim Beschluss stand eine Schließung des Konsulates leider noch nicht im Raum.

Nun ist mit der Schließung des Konsulates eine neue Situation entstanden, die es ermöglich die stadtgeschichtlich unbegründete Umbenennung aufzuheben und Boris Romantschenko eine neue Straße in einem der zahlreichen Neubaugebiete zu geben.

Die Petition möchte den historischen Namen Turmgutstraße erhalten und das Andenken Boris Romantschenko würdigen. Beides ist ohne das Konsulat kein Widerspruch und möglich. Der Stadtrat soll daher seinen Beschluss zur Umbenennung (der nur im Zusammenhang mit dem Konsulat erfolgte) aufheben und eine neue, unbenannte Straße nach Boris Romantschenko benennen.“

Das ist tatsächlich der originale Petitionstext. Wir geben ihn hier ohne Korrekturen wieder.

Ein deutliches Zeichen

Aber die Umbenennung fand 2022 auch deshalb Zustimmung, weil sie ein schnelles und deutliches Zeichen gegen den russischen Angriff war. Auch wenn der Austausch der Straßenschilder dann nicht so schnell ging.

Aber dieser Austauschprozess ist längst in die Wege geleitet. Das Dezernat Allgemeine Verwaltung empfiehlt deshalb, die Petition von Kai-Uwe Arnold diesmal abzulehnen.

„Die Petition fordert die Aufhebung des Ratsbeschlusses zum Antrag VII-A-07305 zur Umbenennung der Turmgutstraße in Boris-Romantschenko-Straße“, schreibt das Dezernat in seiner Stellungnahme. „Der entsprechende Ratsbeschluss ist zwischenzeitlich bestandskräftig. Die Umsetzung wurde bereits begonnen. Mit der Umbenennung sollte zum einen die Person Boris Romantschenko gewürdigt werden, dessen Vita mahnend gegen Gewalt und Unterdrückung steht.“

Die Stellungnahme des Dezernats Allgemeine Verwaltung zur Petition zur Turmgutstraße

Und das Dezernat betont in seiner Stellungnahme, was Kai-Uwe Arnold in seiner Petition völlig ignoriert: „In Verbindung hiermit sollte weiter ein Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg gesetzt werden. Dies geschieht mit der Benennung der Boris-Romantschenko-Straße auch weiterhin – unabhängig eines Fortbestehens des russischen Generalkonsulats.“

Die Schließung von vier der fünf russischen Konsulate in Deutschland wies die Bundesregierung im Mai an, nachdem die russische Regierung zuvor angeordnet hatte, dass nur noch „350 deutsche Staatsbedienstete in Russland tätig sein dürfen.“

Auch vor diesem Hintergrund wäre es ein eher fatales Zeichen, wenn die Straßenbenennung nach Boris Romantschenko wieder rückgängig gemacht wird und dann erst langwierig nach einer neuen Straße gesucht würde, die diesen Namen erhalten könnte. Die Botschaft so einer Rücknahme wäre ziemlich eindeutig: „Wir gehen wieder zur Tagesordnung über.“

Aber davon kann schlichtweg keine Rede sein.

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Es gibt 6 Kommentare

@Ralf Julke:
“Diese Behauptung sollten Sie jetzt mit einer seriösen Quelle belegen. Und zwar umngehend.”
Das ist so ein Krux mit den seriösen Quellen in der heutigen Zeit. Die Quelle die das Telegramm soweit es es geben hat auf jeden Fall haben sollte, ist das russische Staatsarchiv. Da ALLE Telegramme archiviert worden. Nun ist das Vertrauen in das russische Staatsarchiv in deutschen Medien unterirdisch. Die Stasi wird mögliche Aufzeichnungen dazu vernichtet haben und der BND wird das Telegramm falls es existierte wahrscheinlich leugnen. Passt nicht zur heutigen Sicht auf Russland. Was aber als gesichert gilt ist:
“Die DDR-Sicherheitskräfte halten sich erstmals zurück – auch, weil sich Gorbatschow – anders als die sowjetische Führung im Juni 1953 – nicht einschaltet. Ohne Rückendeckung aus Moskau wagt es die SED nicht, gewaltsam durchzugreifen. Der zuständige Bezirkssekretär zieht die Einsatzkräfte zurück.” Quelle: Mitteldeutsche Rundfunk

Lieber “gerd stefan”, der Kommentar bleibt so stehen. Allein deshalb, um bei Gelegenheit darauf zurückzukommen, was Sie behaupten, ohne dann die Belege zu liefern. Denn Wahrhaftigkeit gilt für alle und das mit der Belegbarkeit sollte deshalb auch für alle eine Rolle spielen – ganz gleich ob Journalist oder Kommentierender.

Mit dieser Lösung grüßt Ihr Michael Freitag

Hallo Herr Julke,

nehmen Sie einfach meinen Kommentar raus, verbucht als Fake in Ihrer Welt. Sonst müsste ich meine Identität preisgeben, das ist es mir nicht wert.

#gerd stefan: Diese Behauptung sollten Sie jetzt mit einer seriösen Quelle belegen. Und zwar umngehend.

Vielleicht sollte man sich angesichts des gegenwärtigen Gesinnungsfanatismuses gewahr sein, dass am Morgen des 9. Oktober 1989 genau aus dieser Vertretung der damals noch existierenden Sowjetunion heraus das entscheidende Telegramm nach Berlin abgesandt wurde, dass im Falle der gewaltsamen Niederschlagung der für den Abend erwarteten Demonstration auf dem Ring die sowjetische Garnision in Altenburg ausrücken und sich auf die Seite der Demonstranten stellen wird.

Ich begrüße die Petition, den alten Straßennamen beizubehalten.

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