Deutlicher kann man das Zeichen nicht setzen, auch wenn Marcus Weiss mit seinem Änderungsantrag lieber eine Umbenennung der Shukowstraße in Schönefeld gesehen hätte, so wie es anfangs eine Petition vorsah. Aber mit deutlicher Mehrheit stimmte der Leipziger Stadtrat am 9. November für die Umbenennung der Turmgutstraße in Gohlis in Boris-Romantschenko-Straße. Ein deutliches Zeichen, genau vor der Haustür des Russischen Generalkonsulats.

Auch wenn Weiss natürlich recht hat mit seiner Kritik am sowjetischen Marschall Shukow, nach dem die Straße in Schönefeld benannt ist. Selbst auf Wikipedia kann man zu dessen Rolle im Zweiten Weltkrieg lesen: „Schukow wird von zahlreichen Historikern des sinnlosen ‚Verheizens‘ eigener Truppen beschuldigt.“

Am 9. November hielt Weiss ein kleines Plädoyer für seinen Änderungsantrag, ärgerte sich auch ein bisschen, dass es keine ausführlichere Diskussion zu insgesamt drei Petitionen gab, die sich unterschiedlich zu Straßenumbenennungen positionierten.

Aber wahrscheinlich hat er mit seinem Hinweis auf die Shukowstraße trotzdem etwas erreicht.

„Im April 2022 beseitigten ukrainische Soldaten das Shukowdenkmal in Charkiw. In Leipzig ist dagegen noch immer eine Straße nach Shukow in Schönefeld benannt. Statt die über 100 Jahre alte Bezeichnung der Turmgutstraße (in der sich zufällig das russische Konsulat befindet) zu opfern, wäre eine Umbenennung der Shukowstraße in Boris-Romantschenko-Straße ein wirkungsvolles Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk“, hatte Weiss in seinem Antrag geschrieben.

„Schukow, der wegen rücksichtslosem Vorgehen und Verheizen der eigenen Truppen umstritten ist, setzte auch bei Atombombenversuchen eigene Soldaten bedenkenlos der Atomstrahlung aus. Schukow äußerte, nach Zeugnis Eisenhowers unverhohlen, dass ihm Verluste gleichgültig waren: ‚Wenn wir auf ein Minenfeld kommen, greifen unsere Soldaten so an, als wäre es nicht dort.‘“

Ein Mann also, dem man eigentlich so nicht im täglichen Straßenbild begegnen möchte. Und dessen Art, über Krieg zu denken, doch erstaunlich an die heutige Kriegsführung Russlands in der Ukraine erinnert. Und um die ging es ja letztlich. Auch wenn die Stadtratsmehrheit den Änderungsantrag von Marcus Weiss dann ablehnte.

Ein Zeichen setzen vorm Russischen Generalkonsulat

Denn eigentlich ging es um noch ein wenig mehr, wofür die Turmgutstraße in Gohlis noch etwas deutlicher steht. Denn wenn diese umbenannt wird, muss künftig auch das dort ansässige Generalkonsulat der Russischen Föderation diesen Straßennamen in seiner Korrespondenz führen.

Es ist der Name eines Ukrainers, der dem russischen Angriff auf die Ukraine zum Opfer fiel. Die Nachricht vom Tode des 96-jährigen Boris Romantschenko nach einem russischen Raketenangriff ging um die Welt und der Deutsche Bundestag hat mit einer Schweigeminute seiner und aller Opfer des Krieges in der Ukraine gedacht.

Die Turmgutstraße vor dem Russischen Generalkonsulat. Foto: Sabine Eicker
Die Turmgutstraße vor dem Russischen Generalkonsulat. Foto: Sabine Eicker

Die Linksfraktion schrieb dazu in ihrem Antrag: „Boris Timofijowitsch Romantschenko starb am 18. März dieses Jahres bei einem russischen Angriff auf sein Wohnhaus in Charkiw in der Ukraine. 1942 wurde er als 16-Jähriger zur Zwangsarbeit unter Tage nach Deutschland verschleppt. Nach einem Fluchtversuch 1943 wurde er in vier Konzentrationslagern interniert. Er hat sie alle überlebt: Buchenwald, Peenemünde, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen. Als Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora hat sich Boris Romantschenko für das Gedenken an die NS-Verbrechen eingesetzt und sich um die Aussöhnung zwischen den Völkern verdient gemacht.

Am 12. April 2015 sprach er auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald den Schwur von Buchenwald in russischer Sprache ‚Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal …‘

Mit der Umbenennung der Turmgutstraße wollen wir diesem Überlebenden des Faschismus und Kämpfer für Frieden und Freiheit ein Denkmal setzen.

Gleichzeitig setzen wir ein symbolträchtiges Zeichen gegen den Krieg der Russischen Regierung gegen die Ukraine, der nun schon mehrere Monate andauert und Tod, Gewalt und Zerstörung hervorbringt.“

Klares Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg

Die Botschaft ist so eindeutig, dass am 9. November eine klare Mehrheit für die Umbenennung der Turmgutstraße stimmte, auch wenn 17 Stadträt/-innen dagegen waren.

„Mit dem Beschluss setzt der Rat ein wichtiges Zeichen und unterstützt symbolisch all diejenigen, die sich in der Russischen Föderation für den Abzug der eigenen Truppen und für Frieden einsetzen“, erklärte Beate Ehms, Stadträtin der Linksfraktion und Vorsitzende des Petitionsausschusses und Vertreterin in der AG Straßennamen, nach der Entscheidung.

„Wir verurteilen den Angriffskrieg Russlands auf die Souveränität der Ukraine aufs allerschärfste und dürfen nicht wegschauen, wenn Kriegsverbrechen geschehen, wenn Kinder umkommen, Frauen vergewaltigt werden, Zivilisten sterben und – wie momentan – die Infrastruktur, die für jedes Leben erforderlich ist, bewusst zerstört wird.“

Und sie sagte: „Die Turmgutstraße ist der geeignete Ort, um Boris Romantschenko zu gedenken. Straßen werden im Zuge bedeutsamer historischer Entwicklungen umbenannt. Das ist ein wichtiger Bestandteil lebendiger und sich entwickelnder Geschichte.“

Und es ist ein Zeichen, das jetzt auf den Briefpapieren des Russischen Generalkonsulats auftauchen muss, das bis jetzt in der Turmgutstraße 1 residiert.

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Es gibt 2 Kommentare

Eine hervorragende Idee. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sehr es die Diplomaten stört, wenn der “Feind” geehrt wird.

Beim Thema Schukow und dem bedenkenloses Opfern der russischen Soldaten muss ich immer wieder daran denken, dass sich in dieser Hinsicht wohl nicht viel in der russischen Armeeführung geändert hat. Im 2. Weltkrieg wurden eben so viele Soldaten ohne Deckung gegen die deutschen Linien geschickt, bis die Maschinengewehre der Wehrmachtssoldaten heißgelaufen sind und blockiert haben oder die Munition aus war. Ein Menschenleben war den Offizieren der Sowjetarmee nichts wert, … so wie es heute auch der Fall ist. Die armen Kerle können einem leidtun. Es gibt sehr viele Berichte darüber, wie die Rekruten – mangelhaft ausgebildet und oft ohne genügende Ausrüstung – nur als Kanonenfutter dienen. Ich glaube eigentlich nicht, dass der Anteil an fanatischen Nationalisten in der russischen Armee sehr hoch ist.
Wenn ich die Videos über explodierende Panzer sehe, die die Ukrainer abschießen, kann ich mich nicht freuen. Da werden pro Panzer 3 – 4 junge Männer zerfetzt, in Stücke gerissen und verbrannt. Und genauso zahlen die Verteidiger einen unnötigen Blutzoll.
Trotzallem sind die Waffenlieferungen an die Ukraine notwendig. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

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