War das nun ein Eklat, was da am 8. April im Stadtbezirksbeirat Leipzig-West geschah? Oder einfach nur das Ergebnis, das dabei herauskommt, wenn Wähler ihre Stimmen vor allem Parteien geben, die sich am Ende nicht mal ein Bildungs- und Bürgerzentrum mitten im Kiez ohne ausufernde Stellplätze vorstellen können? Als könnte man nicht mal zu Fuß die paar Meter laufen. Aber genauso war das Abstimmungsergebnis am 8. April.

Da wurden die Beschlussvorlagen zur Planung des „Bildungs- und Bürgerzentrums (BBZ) Grünau“ O und der Grundsatzbeschluss für das Vorhaben „Bildungscampus Grünau“ der Leipziger Modellschule (LeMo) mit Stimmenmehrheit abgelehnt – wegen Parkplatzfragen. Das BBZ war ja schon mehrmals – zuletzt im Dezember – Thema im Stadtrat, wo die Befürchtung umgeht, dass das BBZ nicht finanziert werden würde, weil die Landesdirektion Einspruch erheben könnte. Die ersten Pläne liegen seit 2022 auf dem Tisch.

Was aber nicht heißt, dass beide Projekte nun scheitern, wie Ariane Zimmer, Stadtbezirksbeirätin für die Grünauer SPD, befürchtet. Denn der Stadtbezirksbeirat kann zwar sein Votum abgeben. Die Entscheidungshoheit über beide Projekte aber liegt beim Stadtrat.

Wer braucht hier eigentlich ein Auto?

In der Aussprache im Stadtbezirksbeirat West machten – ganz und gar nicht überraschenderweise – die AfD- und CDU-Vertreter deutlich, dass man dem BBZ-Vorhaben keine Zustimmung erteilen könne, da keine Tiefgarage mitgeplant werde. Beide Parteien verfolgen seit Jahren eine radikale Autopolitik und suggerieren immer wieder, dass Mobilität ohne Auto nicht gedacht werden könnte.

Dass eine Tiefgarage das Projekt massiv verteuern würde, interessiert dabei genauso wenig wie die Erreichbarkeit des BBZ mitten in Grünau. Es entsteht dort, wo heute noch die „Völkerfreundschaft“ steht, gleich neben der Grünauer Welle. Im Süden dockt direkt die Straßenbahn an, im Norden befindet sich die S-Bahn-Station Stuttgarter Allee. Im Allee-Center gibt es ein riesiges Parkhaus. An so einer Stelle eine neue große Tiefgarage zu fordern, grenzt schon an einen Schildbürgerstreich.

Eine Zustimmung zum LeMo-Campus scheiterte mit ähnlicher Begründung, dem Wegfall von aktuell auf dem Areal befindlichen Parkplätzen. Und das für Zimmer besonders Verwirrende: Eine Vertreterin der Partei Die Linke schloss sich bei der Ablehnung den Stimmen von AfD und CDU an. Im zehnköpfigen Stadtbezirksbeirat West hat die AfD drei Sitze, die CDU hat einen. Die Linke verfügt über drei Sitze. Die SPD immerhin über zwei. Die Grünen haben einen.

„Die Ablehnung macht mich fassungslos“, erklärt Ariane Zimmer. „Dass Leuchtturmprojekte wie das Bildungs- und Bürgerzentrum im Herzen von Grünau sowie die Entwicklung eines innovativen Schulstandorts wegen Parkplätzen zu Fall gebracht werden, ist niemandem zu erklären.

Sollen tatsächlich Millioneninvestitionen in unseren Stadtteil daran scheitern, weil man mit dem privaten Pkw nicht bis vor die Tür des BBZ fahren kann? Ist es wirklich zu viel verlangt, seinen Pkw im fußläufig erreichbaren Parkhaus des Allee-Centers abzustellen? Will man den Anwohnern der Mannheimer Straße ernsthaft den Durchgangsverkehr zum BBZ zumuten?“

Zwei neue Treffpunkte für Grünau

Das Bildungs- und Bürgerzentrum soll an der Stuttgarter Allee entstehen und die Grünauer Bibliotheken, die Angebote der „Völkerfreundschaft“ und der Volkshochschule, das Bürgerbüro und das Quartiersmanagement an zentraler Stelle zusammenführen. Mehr als 40 Millionen Euro veranschlagt die Stadt für diese Investition in Grünau.

Der „Bildungscampus Grünau“ ist ein Projekt der Leipziger Modellschule gGmbH. Auf dem Areal neben dem Allee-Center sollen in den nächsten Jahren das Gebäude der Leipziger Modellschule mit Hort, Mensa, Cafeteria, Turnhalle und Flächen für den Schul- und Vereinssport entstehen. Darüber hinaus sollen mit dem LernKulturLab, dem MakerSpace, mit Vereinsräumen und offenen Werkstätten Angebote für den Stadtteil etabliert werden. Mit der Campus-Entwicklung sind Investitionen von mehr als 60 Millionen Euro und langfristig 125 Arbeitsplätze im Bildungsbereich verbunden.

„Dass die Vertreter von AfD und CDU allen Ernstes diese Vorhaben im SBB West durchfallen lassen, macht deutlich, dass im Zweifel der Komfort mit dem privaten Pkw Vorrang vor allem anderen hat: vor Kindern, vor Bildung, vor Vereinsleben, vor Gemeinwohl“, fasst Zimmer ihren Eindruck zusammen. „Es bleibt zu hoffen, dass der Leipziger Stadtrat mehr Weitblick und die Bedürfnisse der Grünauer Bürger im Auge hat, als Teile des SBB West in dieser Sitzung an den Tag gelegt haben.“

In der nächsten Ratsversammlung am 24. April steht der Planungsbeschluss „Bildungs- und Bürgerzentrum Grünau“ genauso auf der Tagesordnung wie der Grundsatzbeschluss: Vorbereitung des „Leipziger Modell – Bildungscampus Grünau“.

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