So langsam kommt einem das Spiel nur zu vertraut vor. Da gibt es ein bebaubares Stück Gelände in der Stadt. Eine Idee liegt auf dem Tisch, was man darauf bauen könnte – zum Beispiel eine neue Leipzig International School (LIS) auf dem Jahrtausendfeld. Der Stadtrat und die Stadt finden’s gut und bringen ein Dialogverfahren in Gang, an dessen Ende ein paar gute architektonische Entwürfe stehen. Der Investor könnte sofort einen Bauvoranfrage stellen. Aber nichts passiert. Was am 15. Januar dazu führte, dass die Stadt einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan auf den Tisch legte.

Das hätte nicht sein müssen. Das stellte auch Baubürgermeister Thomas Dienberg fest. Aber es ist das einzige Mittel, mit dem eine Kommune auf Investoren überhaupt einen gewissen Druck ausüben kann, sich an vereinbarte Bauvorhaben zu halten.

Und die Ergebnisse aus dem Dialogverfahren, die im Juni mehrere Architekturbüros vorstellten, waren schon eine gute Vision dessen, wie das neue Schulgebäude für die LIS aussehen könnte. Auf deren Grundlage hätte längst eine Bauvoranfrage nach § 34 Baugesetzbuch erfolgen können. Und wenn sich Linke-Stadträtin Franziska Riekewald nicht verhörr hat, hat der Investor genau das im Dialogverfahren auch zugesagt.

„Doch es ist Januar und es liegt immer noch keine Bauvoranfrage vor“, so Riekewald am 15. Januar – ziemlich aufgebracht, nachdem gerade aus der CDU-Fraktion einige Unterstellungen, falsche Behauptungen im Internet und auch noch eine Falschdarstellung zur Rolle eines Bebauungsplanverfahrens in den Raum gestellt worden waren. Letztere tat CDU-Stadtrat Uwe Albrecht, der einfach behauptete, mit einer B-Planung würde sich der Baubeginn für die Schule von drei Jahren auf sechs Jahre verzögern.

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer
Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer

Wofür er an auch noch eine deftige Predigt von FDP-Stadtrat Sven Morlok erntete, der kurz und knapp erklärte, dass die Aufstellung eines Bebauungsplanes keineswegs die Stadt daran hindert, dem Investor nach § 34 positive Bescheide zu einer Bauvoranfrage und auch zu einem Bauantrag zu geben. Genau das macht das Baugesetz möglich.

Das Problem GESA-Gelände

Und deshalb war es auch nur Unterstellung, als die CDU auf Instagram dann einen Spot schaltete, der Grünen und Linken – die den Antrag für eine B-Plan-Aufstellung gestellt hatten – unterstellte, sie wollten die Leipzig International School verhindern. Entweder kennt in der Fraktion niemand das Baurecht. Oder es war einfach so hingepostet: Die Leute werden das wohl schon glauben.

Wogegen sich auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Kristina Weyh verwahrte, die die CDU-Stadträte im Dialogverfahren durchaus vermisst hatte. Ein Verfahren, das eben auch ermöglichte, dass sich Anwohner und Interessierte – und auch die Umweltverbände – frühzeitig einbringen konnten und auch Interessen der Öffentlichkeit einbringen konnten. Was unter anderem zum Ergebnis hat, dass das LIS-Gelände künftig geöffnet wird und ein Teil des Jahrtausendfeldes zum öffentlichen Park werden kann.

Frau Kristina Weyh (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer
Kristina Weyh (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer

Wobei es da noch ein gewaltiges Problem gibt, denn die Fläche, die die Stadt dafür bekommen soll, ist kontaminiert. Hier war einmal eine Lackiererei, die das Erdreich hier stark verseucht hat. Und am 15. Januar stand eben die Frage im Raum, wer eigentlich dafür verantwortlich ist, diese Fläche zu sanieren. Denn wenn das kontaminierte Erdreich nicht beseitigt wird, kann man hier auch keine Bäume pflanzen, bestenfalls eine Wiese anlegen. Aber eine Wiese ist kein Park.

Das thematisierten dann die Stadträtinnen und Stadträte der Linken Dr. Elisa Gerbsch, Franziska Riekewald, Dr. Volker Külow und Juliane Nagel in einem Änderungsantrag, den Elisa Gerbsch in der Ratsversammlung begründete. Aber nicht ganz so, wie es wirklich funktionieren könnte. Denn für die Altlastensanierung ist nicht die Stadt zuständig, so Bürgermeister Thomas Dienberg. Eher die GESA bzw. deren heutige Besitzerin.

Weshalb ein Änderungsantrag der Grünen-Fraktion das Thema besser traf, der formulierte: „Zur Erreichung des städtischen strategischen Ziels ‚Lebensqualität steigern‘, sollen die öffentlichen Grünflächen so eingeordnet werden, dass der Aufwuchs von Starkbäumen bestmöglich gelingen kann.

In diesem Zusammenhang wird durch die Stadtverwaltung auch die schnellstmögliche Altlastensanierung durch die GESA eingefordert, um die Fläche insgesamt mit einem starken klimatischen Beitrag für das Quartier entwickeln zu können. Die Heranziehung entsprechender Fördermöglichkeiten für Entsiegelung und Aufwertung der Flächen hinsichtlich Klima- und Artenschutz sind zu prüfen.“

Da er von der Ratsversammlung mit 33:28 Stimmen angenommen wurde, hat das Planungsdezernat nun die Aufgabe herauszufinden, wer für die Altlastensanierung zuständig ist und diese auch durchführen muss.

Die entsprechenden Punkte aus dem Antrag der Linke-Stadträt/-innen fanden keine Mehrheit. Nur der dritte Punkt aus ihrem Antrag; „Im Zuge des Bebauungsplanverfahrens wird ein Verkehrskonzept für das Einzugsgebiet eines etwaigen Schulneubaus erstellt.“

Das sagte Thomas Dienberg auch zu. Das Verkehrs- und Mobilitätskonzept soll noch in diesem Jahr vorliegen.

Es geht nicht um gemutmaßte SUV

Und es ist eben nicht so, dass sich so ein Konzept erübrigt, weil die Hälfte der Schüler aus den umliegenden Ortsteilen kommt, wie CDU-Stadträtin Sabine Heymann gemeint hatte. Denn am heutigen Standort der LIS in der Könneritzstraße in Schleußig verlaufen zwei Straßenbahnlinien direkt vor der Schule, die es Schülern aus anderen Stadteilen erlauben, problemlos zur Schule zu kommen.

Diese Leistungsfähigkeit hat die Linie 14, die durch die Karl-Heine-Straße fährt, bei weitem nicht. Es geht in der Diskussion für ein Verkehrskonzept nicht um die von Heymann zitierten SUV, sondern um niedrigschwellige Angebote, die den Schulweg für alle Schüler möglich und vor allem sicher machen.

Frau Sabine Heymann (CDU) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer
Sabine Heymann (CDU) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer

Und bei dem nun zu erstellenden B-Plan geht es auch nicht um Verhinderung, wie die CDU auf Instagram behauptet hat. Im Gegenteil. Das Planungsdezernat hat es sogar extra in die Vorlage geschrieben, worum es geht: „Die Leipzig International School beabsichtigt die Entwicklung eines Schulcampus auf den Flächen des ‚Jahrtausendfelds‘. Die Ergebnisse des Dialogverfahrens bilden die Grundlage der räumlichen Entwicklung ab. Durch die Einleitung eines Bauleitplanverfahrens sollen die städtebaulich relevanten Ergebnisse des durchgeführten Dialogverfahrens abgesichert werden. Mit dieser Vorlage wird das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes förmlich eingeleitet.“

Der B-Plan soll verhindern, dass die Ergebnisse aus dem Dialogverfahren jetzt wieder umgestoßen werden.

Das hätte jeder einzelne CDU-Stadtrat so auch lesen können. Aber augenscheinlich liest man solche Vorlagen nicht aufmerksam.

Eine Baugenehmigung ist jederzeit möglich

Und genauso steht dort auch – und Thomas Dienberg betonte es in der Diskussion am 15. Januar auch explizit -, dass eine Baugenehmigung nach § 34 jederzeit möglich ist, auch während des Aufstellungsprozesses zum Bebauungsplan. Nach dessen Verabschiedung erst recht, denn der soll ja ausdrücklich die Ergebnisse des Dialogforums festschreiben.

Aber natürlich dauert so eine Aufstellung bis zur Beschlussfassung durch den Stadtrat.

Weshalb die Vorlage aus dem Planungsdezernat extra betont: „Unabhängig davon besteht aufgrund der räumlich ausgeschöpften Kapazitäten am alten Standort die Notwendigkeit, sehr schnell verbindliche Entscheidungen über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens herbeizuführen.

Aufgrund der Lage im Innenbereich und einem aus der näheren Umgebung ableitbaren, maßstabsbildenden städtebaulichen Rahmen, der die Einordnung einer Schulnutzung mit den dazugehörigen Gebäuden und Freiflächennutzungen im Grundsatz ermöglichen würde, verfolgt die Eigentümerin des Grundstücks die Absicht, eine Baugenehmigung auf der planungsrechtlichen Beurteilungsgrundlage des § 34 BauGB zu erreichen.“

Herr Udo Bütow (AfD) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer
Udo Bütow (AfD) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer

Der Grünen-Antrag zur Prüfung der Zuständigkeit für die Altlastensanierung fand mit 33:28 Stimmen die notwendige Mehrheit.

Und auch die Vorlage des Planungsdezernats, jetzt das Bebauungsplanverfahren einzuleiten, bekam mit 35:26 Stimmen die nötige Mehrheit.

Wirklich belastbare Argumente, dagegen zu stimmen, brachten weder CDU- noch AfD-Fraktion vor, außer dass AfD-Stadtrat Udo Bütow wieder irgendwelche Beeinflussungen im Verfahren herbei orakelte, mit denen irgendwelche Leute wieder ihre Eigeninteressen in den Plan hineinmogeln würden. Was zumindest eine sehr eigenartige Haltung zur Stadtratsarbeit ist, denn der endgültige B-Plan wird auch wieder im Stadtrat beschlossen. Sodass jeder sieht, ob sich vom Ursprungsanliegen etwas geändert hat.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Als ich am 19.Oktober 2024 an der Demo für die Berücksichtigung eines künftigen Parkareals auf dem sog. Jahrtausendfeld teilnahm, wunderte ich mich, daß die Veranstalter, mit denen ich sprach, so wenig im klaren darüber waren, daß das Areal weithin Altlasten im Untergrund führt. Da hilft der vor mehr als 25 Jahren aufgetragene Mutterboden vom Flugplatz Schkeuditz wenig.

Ich kann mich zudem noch gut erinnern, wie ich vor vielen Jahrzehnten dort mit meiner Klasse unsere Patenbrigade aus dem VEB BBG besuchte, die uns glühende Pflugscharen auf eisernen Laufbändern zeigte. Zudem war mein Vater bis Januar 1954 bei BBG, vormals Sack, ca. 5 Jahre beschäftigt gewesen. Dort wurde gleich nach dem Krieg die erste Kartoffelvollerntemaschine konstruiert und gebaut, übrigens.

Als ich am 19. Oktober schon im Gehen war, hörte ich eine Mutter zu ihren zwei Vorschulkindern sagen: “Wenn hier einmal Bagger kommen sollten, legen wir uns einfach auf den Boden.” Der Satz geht mir seither nicht aus dem Kopf. Ich halte ihn für einen Ausdruck von Infantilisierung unter vermeintlichen Erwachsenen. Der Kampf für einen vernünftigen Erhalt von markanten Teilen dieses Areals muß tatsächlich ganz woanders geführt werden. Daß die Treuhand das Areal auf bösartige Weise absichtlich verschleuderte, und auch noch so, daß die Stadt eben keine Chance haben konnte mitzubieten, ist der eigentliche Skandal rund um dieses Areal, weniger, daß die LIS mithilfe des jetzigen Besitzers sich dort ausbreiten will. Dessen hochfliegende Absichten hinsichtlich einen Riesenschulhauses sind bisher allerdings klar überrissen.

Schreiben Sie einen Kommentar