Die neue Form der Grundsteuer sorgt ja nicht erst seit Jahresbeginn, als sie in Kraft trat, für Aufregung. Sie sollte eigentlich mehr Gerechtigkeit herstellen und endlich die völlig veralteten Einheitswerte aus dem letzten Jahrhundert ablösen. Stattdessen sollte der aktuelle Bodenrichtwert zum Maß der Dinge werden. Aber das bedeutete für einige Grundstückseigentümer natürlich einen Schock, auch für eine kleine Garagengemeinschaft in Connewitz, wo sich die Grundsteuer auf einmal sogar verdreizehnfachte. Grund genug für eine Stadtratsanfrage.
Hat das vielleicht mit der Milieuschutzsatzung für Connewitz zu tun, wollte Dirk Franke stellvertretend für die Garagenbesitzer wissen. Für ihn war das Ganze doppelt belastend, denn auch die Grundsteuer für sein Haus hat sich verdoppelt.
„Wir werden nicht nur vom horrend gestiegenen Grundstückswert getroffen, sondern auch noch durch die Entscheidung des Landes Sachsen vom Bundesmodell abzuweichen, das nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude doppelt so hoch besteuert (Steuermesszahl). Für mich als geborenem Connewitzer fühlt sich das natürlich alles so an, als ob ein Plan umgesetzt würde, uns aus unserem Gefüge verdrängen zu wollen, weil wir uns das Wohnen und Leben hier perspektivisch nicht mehr leisten können.“
Zur Ratsversammlung am 25. Juni nutzte dann Dirk Franke die Gelegenheit nachzufragen. Denn so recht durchschaubar war es nicht, dass eine kleine Garage am Rande von Connewitz nun auf einmal einen Wert von 270.000 Euro haben sollte.
Finanzbürgermeister Torsten Bonew versuchte es ihm zu erklären – auch dass die Stadt eigentlich nicht der Ansprechpartner wäre, sondern das Finanzamt. Aber da habe man Franke wohl an die Stadt verwiesen.
Wie die Jagd auf Immobilien die Bodenrichtwerte in die Höhe treibt
Das scheint, was zumindest die Ermittlung des Bodenrichtwerts betrifft, berechtigt. Denn den ermittelt der offizielle Grundstücksverkehrsausschuss, der jährlich seine offizielle Bodenrichtwertkarte veröffentlicht.
Aber die Bodenrichtwerte werden auch nicht ausgewürfelt, sondern ergeben sich aus den Werten der Grundstücksverkäufe in den Vorjahren, also dem, was offiziell für Grundstücke gezahlt wurde. Und da schlägt ein Effekt zu, den Finanzbürgermeister Torsten Bonew am 25. Juni einmal recht deutlich benannte, weil das ganz offensichtlich vielen Leipzigern überhaupt nicht klar ist.
Seit der großen Finanzkrise 2008/2009 flüchten die Anleger, die über Geld verfügen, immer mehr in Wertanlagen, von denen sie glauben, dass ihr Geld darin dauerhaft gut angelegt ist. Das heißt: vor allem in Immobilien. Sie kaufen alles auf, was irgendwie an Immobilien am Markt zu haben ist – Baugrundstücke genauso wie landwirtschaftliche Flächen. Und der Effekt ist: Die Preise für diese Flächen steigen immer weiter an.
Das ist auch in Connewitz passiert. Und hat dort übrigens auch zu einem starken Mietanstieg geführt, der viele normal verdienende Connewitzer dazu zwang, den geliebten Kiez zu verlassen. Gentrifizierung beginnt genau hier: beim wilden Ausverkauf von Grundstücken, die dann Städte wie Leipzig auf einmal zu einem teuren Pflaster machen, obwohl für die meisten Leipziger das Lohnniveau nicht wirklich so stark gestiegen ist.
Ein ausgewiesenes Gebiet für Wohnbebauung
Für das Garagengrundstück in der Ernestistraße 30 kommt noch hinzu: Offiziell ist es im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesen, wie die Stadtkämmerei in ihrer Antwort klarstellt. Es werden hier also auch die Bodenrichtwerte für Wohnbebauung angesetzt. Wenn die Garagengemeinschaft also wollte, könnte sie hier auch ein schönes Wohnhaus hinbauen.
Und im Grunde wurde durch die Nachfragen von Dirk Franke deutlich, dass die Garagenbesitzer tatsächlich in der Klemme stecken – allein dadurch, dass ihr Garagenhof auf einem Grundstück steht, das eigentlich für Wohnbebauung ausgewiesen ist. Ob der Stadtrat den Flächennutzungsplan deshalb ändert, ist wohl eher nicht zu erwarten.
Und die in den letzten Jahren in Connewitz so drastisch gestiegenen Kaufpreise für Grundstücke haben die Sache natürlich zusätzlich verschärft. Damit aber hat wiederum die Milieuschutzsatzung nichts zu tun, betonte Torsten Bonew. Sondern eben die unersättliche Gier von wirklich reichen Leuten, ihr Geld irgendwo „sicher“ in Immobilien anzulegen.
Die Mieter und Nutzer der Grundstücke interessieren die Geldanleger dabei nicht die Bohne. Das ist die eigentliche Schieflage in unserer Gesellschaft. Die eben nicht nur Garagenpächter zur Kasse bittet, sondern auch für viele Leipziger das Mieten unerschwinglich macht.
Getröstet schien Dirk Franke nach den Auskünften des Finanzbürgermeisters nicht zu sein. Aber wichtig war es unbedingt, dass auch dieses Thema einmal im Stadtrat zur Sprache kam.
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Es gibt 5 Kommentare
@fra
Es ist doch völlig egal, ob der Wert durch – wen auch immer – aufgebläht wurde.
Der Wert hat sich überall in der Stadt erhöht und die Gesamteinnahme der Stadt aus der Wertbesteuerung beträgt wie seit Jahren 105 Mio. Euro. Da sich die Gesamtsumme nicht ändert, verändert sich die Verteilung auch nur in Nuancen. Es fällt doch nur jetzt so krass auf, weil man das Thema seit 1935 ausgesessen hat.
„Wenn die Garagengemeinschaft also wollte, könnte sie hier auch ein schönes Wohnhaus hinbauen.“ (fünfter Absatz von unten)
Nun ja, wenn der Garagengemeinschaft das Grundstück tatsächlich gehört, dann müssten sich die Herrschaften ob des Wertzuwachses doch glücklich schätzen und könnten tatsächlich in Erwägung ziehen, ein Wohngebäude zu errichten und wirtschaftlich zu vermieten. Soll ja easy leistungsloses Einkommen sein, wird erzählt. Bezahlbar, also im unteren Preissegment wird so ein Erstbezug sicher nicht, aber wer dort einzieht macht vielleicht eine günstigere Wohnung frei (oder fragt zumindest keine mehr nach).
„Sondern eben die unersättliche Gier von wirklich reichen Leuten, ihr Geld irgendwo „sicher“ in Immobilien anzulegen.“ (dritter Absatz von unten)
Ich weiß nicht! Ist die unersättliche Gier wirklich bei denen zu verorten, die einen sicheren Hafen für ihr Vermögen suchen? Bzw. eigene vier Wände, weil sie keine Lust darauf haben, lebenslang das Investment eines Vermieters abzuzahlen? Oder nicht vielmehr bei denjenigen, die schamlos jene Mondpreise aufrufen und gelegentlich auch realisieren? Bei dieser Gruppe dürften nicht wenige alteingesessene Leipziger Natives dabei sein, denen der Wertzuwachs tatsächlich leistungslos in den Schoß fällt. Demnächst vielleicht auch eine Garagengemeinschaft in Connewitz?
Und sonst: Grundsteuer? Also meine ist ein wenig gesunken. Mieter, an die ich diese Erleichterung selbstverständlich durchreichen würde habe ich leider nicht.
Für wen das überraschend kommt, der hat sich damit nicht genug beschäftigt.
Der Bodenrichtwert und der Bebauungsplan ist leicht einzusehen, seit Jahren schon.
Und ganz ehrlich: eure scheiß Garagen!
Durch die Grundsteuer steigen die Nebenkosten von Wohnungen teils extrem. “Meine” Grundsteuer hat sich mal eben verdoppelt, damit bin ich wohl noch gut weggekommen. Und die kommen mit Garagen…
@Rudi
Unter Wert besteuert worden mag zwar sein, das der Wert durch Geldanleger künstlich aufgebläht wurde fällt innen dabei nicht ein und von den gestiegenen Wert profitieren die Besitzer (manche wohnen dort schon seit über 50 Jahren) nur wenn sie sich aus ihren Häusern vertreiben lassen. Natürlich profitiert die Stadt dann von der Grunderwerbssteuer. Sie sind also der Meinung das sich nur noch die begüterten Häuser oder Wohnungen leisten sollten, also sind sie für Gentrifizierung.
Wie schon im Text erwähnt ist da das Finanzamt raus. Bodenrichtwerte und Hebesätze beschließt die Stadt, das Finanzamt hat da kein Mitspracherecht. Die Stadt ist damit schon der richtige Ansprechpartner. Dazu kommt der Flächennutzungsplan, wer also ein Garten besitzt und die Stadt beschließt im Flächennutzungsplan das als für Wohnbebauung auszuweisen, der muss dann bauen oder eben die erhöhte Grundsteuer bezahlen für seinen Garten bezahlen. Egal ob es sich um ein Hinterliegergrundstücke oder auch als gefangenem Grundstück bezeichnet handelt.
Ein anderes Thema wird dabei nur unterschwellig offensichtlich: Die Grundstücke sind seit Jahrzehnten unter Wert besteuert worden. Und zwar massiv unterbewertet.
Nur weil sie steuerlich so stark unterbewertet waren, haben sich einige Leute auch Eigentum angeschafft, dass sie sich eigentlich nicht leisten können. Bisher hat die Gesellschaft das irgendwie kompensiert. Da haben dann über die Nebenkosten Mieterinnen und Mieter in Lindenau, Grünau oder Schönefeld etwas mehr Steuern gezahlt, um Eigenheime am Stadtrand quer zu finanzieren.
Leider fällt das in der Diskussion um die Grundsteuerbescheide völlig hinten runter. Man könnte aber – statt über die neue Bemessung zu jammern – sich mal bei denen bedanken, die über Jahre das Leben der “Unterbemessenen” subventioniert haben.
Zu den Immobilienkäufen noch eine Anmerkung: Die Stadt hat die Gesamteinnahme aus der Grundsteuer auf ca. 106 Mio. Euro festgesetzt. Der Immobilienhandel hat sicherlich stadtweit stattgefunden und dürfte so nur bedingt eine Auswirkung auf Connewitz haben. Connewitz war auch schon vor 20 Jahren für Leipziger Verhältnisse eine teure Wohngegend.