Eigentlich hätte Leipzigs Sozialdezernat einfach rückmelden können: „Klar. Volle Zustimmung. Der Platz für ein Denkmal an die Opfer der ‚Kindereuthanasie‘ wird sich finden. Macht einfach.“ Stattdessen formulierte die Verwaltung einen „Alternativvorschlag“ auf den Antrag des Behindertenbeirates, ein solches Denkmal vor der Uni aufzustellen. Denn jetzt ist erst einmal ein anderes Haus am Zug.

Platz ist da genug. Aber das ging nicht, denn der Behindertenbeirat selbst hat die ganze Sache schon durcheinandergebracht. Obwohl er in seinem Antrag erklärte, dass man das Projekt ja eigentlich mit der Universität Leipzig zusammen umsetzen will. Die habe sich auch dazu bekannt: „Das Anliegen wurde 2007 über das Rektorat an die Universität Leipzig herangetragen und bewirkte einen langen Prozess der Diskussion, aber auch Irritation und Auseinandersetzung. Ideen mussten aufgegeben werden, da sich die Rahmenbedingungen änderten, aber es entwickelte sich über diesen langen Zeitraum ein klares Bekenntnis seitens der Vertreter der Universität, dieses Anliegen umsetzen zu wollen.“

Das Problem war nur, dass das Denkmal irgendwo im Freien stehen sollte und nicht im Inneren der Uni verschlossen. Da muss man schon mal die Stadt anfragen, ob sie das gestatten würde.

Aber irgendwo war man dann im Behindertenbeirat ziemlich aufgeregt und hat als Beschlussvorschlag formuliert: „Die Stadt Leipzig errichtet unmittelbar vor dem Haupteingang des Universitätsneubaus – Neues Augusteum auf städtischem Grund in  Blickrichtung Augustusplatz einen Gedenkstein zur Mahnung, Erinnerung und Auseinandersetzung mit der NS-Kindereuthanasie, die in Leipzig ihren Anfang nahm.“

Womit sich dann die Verwaltung wohl zu Recht auf den Schlips getreten fühlte: Hallo? War jetzt nicht eigentlich die Universität dran, sich zu diesem dunklen Kapitel aus ihrer Geschichte zu bekennen? Es waren doch Ärzte der Uni-Klinik, die sich damals zu Helfershelfern des Euthanasie-Programms gemacht haben. Darum ging es doch, oder?

Die Stadt hat schon viel früher reagiert – nämlich kurz nachdem Tino Hemmanns Buch „Hugo. Der unwerte Schatz. Erzählung einer Kindheit“ erschienen war. Da verlor der Leipziger Rechtswissenschaftler Karl Binding seine Ehrenbürgerwürde, weil er die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ in einem maßgeblichen Werk juristisch begründet hatte. Die Stadt richtete eine eigene Erinnerungsstätte für die damals getöteten Kinder im Friedenspark ein.

Daran erinnert jetzt auch Sozialbürgermeister Thomas Fabian: „Die Stadt Leipzig erinnert an zwei Orten an die Verbrechen der NS-Euthanasie. Mit dem Gedenkort im Friedenspark wird den Opfern der Kindereuthanasieverbrechen und den dort beerdigten Opfern gedacht. Über die dazugehörige Internetseite (www.die-wiese-zittergras.de), eine mobile Ausstellung und die Anbindung an das Sächsische Psychiatriemuseum beim Durchblick e. V. werden über Führungen Schulen, Fachschulen und Hochschulen erreicht, die sich dieses Themas im Rahmen ihrer Ausbildung annehmen. Ein weiterer Gedenkort befindet sich auf dem Ostfriedhof in der Oststraße. Dieser erinnert an die Opfer der Kindereuthanasie und der Erwachseneneuthanasie.“

Das Anliegen, jetzt direkt in Bezug zur Universität an das Thema zu erinnern, findet er gut: „Die Stadt Leipzig unterstützt das Anliegen des Behindertenbeirates, auch an zentraler Stelle der Universität Leipzig an die Verbrechen der NS-Kindereuthanasie zu erinnern. Sollte ein Kunstwerk im öffentlichen Raum gestaltet werden, wäre das Sachverständigenforum Kunst im öffentlichen Raum zu beteiligen.“

Aber in diesem Fall sollte es die Uni sein, die sich ihrer Verantwortung stellt, betont Fabian: „Das Anliegen des Behindertenbeirates, an zentraler Stelle an die Verstrickung der Universität Leipzig in die NS-Euthanasieverbrechen zu erinnern, würde nicht entsprochen werden, wenn die Stadt Leipzig den Gedenkort schafft. Ein solcher Gedenkort wird seine Wirkung nur dann entfalten, wenn er von der Universität Leipzig selbst entwickelt, geschaffen und finanziert wird.“

Und so schlägt er einen alternativen Beschlusstext vor, der so lautet: „Der Oberbürgermeister unterstützt das Anliegen des Behindertenbeirates, ein Gedenken an die NS-Kindereuthanasie unter Berücksichtigung der Geschichte der Universität Leipzig, zu schaffen und regt im Rahmen der bestehenden Kooperation mit der Universität Leipzig an, dass die Universität auf ihrem Grundstück oder auf einer davor liegenden städtischen Fläche einen Ort für ein Gedenken einrichtet und finanziert.“

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