Sie hatten gute Laune und waren wenige. Die Linksjugend rief für den 27. Juni zur Demonstration ans Connewitzer Kreuz und nur knapp 50 Teilnehmer kamen. Was wohl auch an den kuriosen Umständen gelegen haben dürfte. Da hatte man vor etwa vier Tagen begonnen, gegen den „Party-Patriotismus“ und Homophobie im Windschatten der Fußball-WM in Russland zu mobilisieren und dann legte die deutsche Nationalmannschaft ein Spiel hin, in welchem sie gegen die Fußball-Großmacht Süd-Korea sang- und klanglos aus dem WM-Turnier ausschied. Und so zog die Party-Demo auf der Karli an bedröppelten Gesichtern vorüber, während sie ihre Schlagrichtung ein wenig verloren hatte.

Kurzzeitig sah es zum Start fast so aus, als ob mehr Beamte als Demonstrationsteilnehmer die Strecke vom Connewitzer Kreuz zum Kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz über die Arthur-Hoffmann-Straße absolvieren würden. Einmal waren die weggeblieben, die nichts mit der parteinahen Struktur der Linksjugend anfangen können. Und die anderen wohl, weil sie eher auf Südkorea angestoßen haben und dabei versackten.

Und so zogen auch einige Polizeibeamte wieder von dannen angesichts der wenigen Versammelten, der Rest blieb und absolvierte den kleinen Fitnesstest Richtung Innenstadt. Und einer von ihnen versuchte – noch leicht irritiert von seltsamen Gerüchten um die neue Datenschutzverordnung – irgendwie den Begriff „Portraitfotografie“, Demonstration und Presse während des weiteren Verlaufes übereinander zu bekommen.

Ohne Streit natürlich und nun weiß er es vielleicht besser, denn ein Portrait – zumal von einem befreundeten Menschen am Wegesrand – darf man natürlich schießen. Weil man es dann eh nicht veröffentlicht, sondern ihm als Spaß anschließend privat zusendet.

Parallel hörten dieser etwas übereifrige Beamte und seine durchweg männlichen Kollegen gemeinsam mit Zuschauern und Besuchern von Freisitzen am Wegesrand Rufe wie „Nie, nie, nie wieder Deutschland“ und „Vor- Vor- Vorrunden-Aus“ aus der Demonstration heraus. Ersterer sorgt ja gern auch beim Vorrüberziehen am 27. Juni 2018 (nach einer längeren fast publikumfreien Strecke bis dahin) an der Karli für Kopfschütteln.

Auch, weil den wenigsten bekannt scheint, dass damit „das Deutschland“ bis 1945 gemeint ist. Und das sollte man tatsächlich tunlichst nicht wiederhaben wollen.

Video: L-IZ.de

Der zweite Spruch galt während der Demo jedem, der ein deutsches National-Shirt anhatte und daraufhin leicht angefressen schaute. Ein Radfahrer fiel spontan mit ein in die Ruferei und spiegelte die gute Laune der wenigen Demonstranten kurzzeitig zurück, doch den Rest der Zeit gabs eher Musik und gute Laune im Partyzug.

Und während sich praktisch zeitgleich die Zeitungsseiten mit Schlagzeilen von Ratlosigkeit bis zu den ersten Vergewisserungen füllten, dass Deutschland doch irgendwie, vielleicht ja doch noch mit Joachim Löw weitermachen wird, hielt ein Vertreter der Linksjugend am Kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz eine kurze Rede, die der ganzen Demo-Sache dann doch einen gewissen Sinn und Tiefe verschaffte.

 

Sie drehte sich darum, warum im Fußball noch immer nicht jeder jeden lieben und es auch öffentlich kundtun kann. Die nationalistische Überhebung von 22 Männern, die sich um einen Ball streiten, kam auch indirekt vor, ebenso wie die (leider durch Werbe- Eintritts- und TV-Gelder ökonomisch bedingte, Anm. d. Red.) Schlechterstellung von Fußballerinnen.

Was er nicht sagte, sei hier nachgereicht. Es ist ein Spiel, für das man viel und lange trainieren und große Erfolge und Niederlagen ebenso wie eine Menge Geld einheimsen kann, weil es viele sehen wollen. Und doch ist es nur ein Spiel.

 

Parallel tagten am 27. Juni 2018 der sächsische Landtag und Stadtrat in Leipzig und trafen weitreichende Entscheidungen. Während der Landtag gerade um die Budgets des kommenden Doppelhaushaltes streitet, wurde in Leipzig ein Sofortbauprogramm für Schulen verabschiedet.

Und am Samstag, 30. Juni 2018, steigt im Alfred-Kunze-Sportpark ein wichtiges Freundschaftsspiel zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem Allstars-Team von SK Bar Kochba. Ab 12 Uhr (Anstoß ist ca. 15 Uhr) wird dann an die jüdische Sportgeschichte Leipzigs erinnert. Und 240 junge FußballerInnen aus aller Welt werden dabei in Leutzsch zu Gast sein, um anschließend am Sonntag den Max und Leo Bartfeld Pokal auszuspielen.

Eine kleine Fußball-WM in Leipzig, bei der es vor allem um das Kennenlernen anderer Menschen und Kulturen geht.

Die Pressekonferenz (Auszug) zum Samstag, 30. Juni im AKS. Mit Christoph Schumacher, Norman Landgraf sowie Roland Keimel und Marc Walenta vom Vorstand der BSG Chemie Leipzig. Video L-IZ.de

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