Gerade erst, am 25. Mai 2019, hatte der NABU nach der Vogelzählung zur „Stunde der Gartenvögel“ Alarm und einen bis zu 46-Prozentigen Rückgang für Mauersegler und Mehlschwalben gemeldet. „Die Zahlen für diese beiden Arten sind katastrophal“, erklärte NABU-Vogelschutzexperte Marius Adrion, die Gründe sind unter anderem fehlende Fluginsekten und fehlende Brutnischen in Gebäuden. Davon lassen sich jedoch einige Hausbesitzer, Baufirmen und die ausführenden Handwerker nicht abhalten. Und mauern gegen alle bekannten Naturschutzgesetze einfach weiter Brutplätze mit dem Vogelnachwuchs zu. So erneut geschehen in Leipzig Grünau.

Vielleicht muss man es sich doch mal bildlich ausmalen. In einer Vertiefung, einem Loch in einer Hauswand ein dünnes, mehrstimmiges Piepsen. Selten genug ist es ja durchaus schon geworden, der Artenvielfalt geht’s nicht unbedingt gut, auch in Leipzig nicht. Und draußen vor dem Loch auf einer Leiter ein Mann im Blaumann, der die Kelle schwingt und alles sauber zumörtelt. Weil man ihm das so gesagt hat, schmiert er bedachtsam das Loch zu.

Drinnen wird es langsam dunkel, dann geht das Licht ganz aus, dann fehlt die Luft. Und draußen sitzen die Muttertiere, wenn sie nicht beim Brüten überrascht wurden und finden den Vogelnachwuchs nicht mehr. Anwohner reagieren entsetzt, doch den Mann im Overall stört es nicht.

Runter von der Leiter, Job erledigt, Vögel tot, Hauswand „schön“.

Und dabei lieben die Sachsen ihre heimischen Vogelarten. Bei der letzten Zählung unter den Gartenfreunden brachen die Meldungen alle Rekorde: 4.592 sächsische Vogelfreunde hatten bis zum 24. Mai aus knapp 2.955 Gärten und Parks 104.062 verschiedene Vogelsichtungen an den NABU gemeldet. So viele Teilnehmer wie noch nie, fast tausend mehr als im Rekordjahr 2017. Die Aufmerksamkeit für die tierischen Mitbewohner steigt also in ganz Sachsen, der Umweltschutz ist für viele wieder stärker in den Fokus gerückt.

Nun hat der NABU Leipzig weniger Erfreuliches zu verkünden

„Leider setzt sich in Leipzig die traurige Serie von Tiermorden bei Bauarbeiten fort. Immer wieder bekommt der NABU beispielsweise Informationen über Nistplätze, die bei Bauarbeiten einfach zerstört werden. Dabei werden Einfluglöcher verschlossen, obwohl die Jungvögel oder auch die brütenden Vögel sich noch darin befinden. Die Tiere werden lebendig eingemauert und sterben qualvoll.“

Der jüngste, besonders gravierende Fall, habe sich vergangenen Dienstag in Grünau ereignet. Hier wurden acht Nisthöhlen verschlossen, wobei vier davon in Benutzung waren. Zwei brütende Vögel wurden gleich mal mit eingemauert. Hinzu kommt, so der NABU: „Die Verantwortlichen hatten auf Bürgerhinweise nicht reagiert.“ Das ist dann wohl schon Resistenz im Denken und pure Absicht.

Die Rettungsaktion am letzten Dienstag, anschließend stellte der NABU Strafanzeige gegen den Auftraggeber. Foto: NABU Leipzig
Die Rettungsaktion am letzten Dienstag, anschließend stellte der NABU Strafanzeige gegen den Auftraggeber. Foto: NABU Leipzig

Die herbeigerufene Polizei und die Feuerwehr konnten die Nisthöhlen in den Gebäuden einer Leipziger Wohnungsgenossenschaft relativ schnell wieder öffnen „und einige der Tiere retten, für andere kam die Hilfe zu spät. Der NABU hat die Verstöße gegen das Bundesnaturschutz- und gegen das Tierschutzgesetz bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.“

Zeit für einen Aufruf also, an die Häuslebauer, Bauherren und Sanierer: „Der NABU fordert alle Bauherren und Genehmigungsbehörden auf, die Gesetze zum Tier- und Naturschutz einzuhalten und zudem sensibel vorzugehen, um Leib und Leben unserer tierischen Mitbürger zu schützen. Zudem sollten Hinweise von Bürgern ernst genommen werden. Singvögel sind keine Schädlinge, sondern nach EU-Gesetzen geschützte Tierarten!“

Heißt auch: wird der Vogelmord entdeckt, hagelt es Strafen, falls er angezeigt wird. Weshalb auch ein deutlicher Dank an die Polizei und die herbeieilenden Feuerwehrleute für den Grünauer Einsatz vom NABU vermerkt ist. Zudem verweist der NABU Leipzig erneut auf seine Petition „Bauen und Natur erhalten“.

Hierin wird der Leipziger Oberbürgermeister dazu aufgefordert, „Natur- und Artenschutz grundsätzlich bei allen Bauarbeiten und Planungen von Anfang an“ zu berücksichtigen. Dies soll unter anderem durch eine frühere Einbeziehung auch von Naturschutzverbänden bei Bauvorhaben in Leipzig gelingen. Dazu könnte die Stadt solche Regeln verbindlich in Bauplanungen und bei eigenen Bauprojekten festschreiben. Also im Gegensatz zur derzeitigen Praxis eine grundsätzliche Beratung und Untersuchung vor allen Bauarbeiten.

Weitere Informationen
www.nabu-leipzig.de/wohnungsnot

www.nabu-leipzig.de/aktuelles/archiv/fassadentod/

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