Die sozialen Erhaltungssatzungen für einige Leipziger Ortsteile heißen nicht grundlos so: Sie sollen verhindern, dass diese Ortsteile durch Luxussanierungen immer weiter aufgewertet und für Normalverdiener letztlich unbezahlbar werden. Verdrängungseffekte durch steigende Mieten sind dort schon längst zu beobachten. Umso alarmierter war das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“, als die CDU-Fraktion nun in den Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2025 und 2026 beantragte, alle sozialen Erhaltungssatzungen aufzuheben. Aus Einsparungsgründen, wie die Fraktion erklärte. Das Netzwerk reagiert mit einem Positionspapier.
Das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ gibt es seit 2012. Ausgangspunkt für dessen Gründung waren Entmietungsfälle, wie beispielsweise in der Windmühlenstraße oder in der Kochstraße. „Seither setzen wir uns ein für demokratische und soziale Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik. Wir befinden uns im Spannungsfeld zwischen dem großen Ziel, Wohnraum nicht als Ware, sondern als Grundrecht zu begreifen, und kleinteiligen Reformen“, erklärt Roman Grabolle für das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“.
„Wir glauben aber, dass die 87 % der Leipziger/-innen, die zur Miete wohnen, die Macht haben, auch eine grundlegende Neuausrichtung der Stadtpolitik einzufordern.“
Und für sie mischt sich das Netzwerk jetzt auch in die durch die CDU entfachte Diskussion um sie sozialen Enthaltungssatztungen ein.
Das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung hatte in seiner Stellungnahme zum CDU-Antrag schon deutlich gemacht, dass die Aufhebung der 2020 und 2022 erst beschlossenen Erhaltungssatzungen auch gegen wichtige strategische Ziele der Stadt verstoßen würde.
Denn Leipzig ist eben nicht nur eine Stadt der Hausbesitzer und Gutverdiener, die das Wohnen ganz allein aus der Marktperspektive betrachten. Es ist auch eine Stadt der Normal- und Geringverdiener, die zum größten Teil zur Miete wohnen und darauf angewiesen sind, dass die Mieten in ihrem Wohnquartier bezahlbar bleiben.
Es geht neben dem Zusammenhalt der Stadtgesellschaft auch um Demokratie, hat der Verwaltungsstandpunkt betont. Das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ hat sein Positionspapier jetzt an alle Stadtratsfraktionen geschickt, hoffend, dass es dort auch gelesen und verstanden wird.
Das Positionspapier
An die demokratischen Fraktionen
im Leipziger Stadtrat
Leipzig, 5. Februar 2025
LEIPZIGER ERHALTUNGSGEBIETE SICHERN!
Positionspapier „Leipzig – Stadt für alle“
Der Leipziger Wohnungsmarkt ist angespannt, was viele Mieter/-innen spüren. Die Zahl der verfügbaren Mietwohnungen hat sich deutlich verringert und der marktaktive Leerstand sinkt weiter. Eine Entspannung ist nicht in Sicht, zumal auch die Neubautätigkeit aufgrund der Krise rückläufig ist. Diese Entwicklungen haben die Mietpreise – sowohl für Bestandswohnungen als auch für Neuanmietungen – deutlich ansteigen lassen. Ein weiterer Faktor für die steigenden Mietpreise sind teure Modernisierungen, die in den letzten Jahren in mehreren Stadtteilen zu Verdrängungsfällen geführt haben.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat die Stadt Leipzig bereits 2020 und 2022 acht großflächige Gebiete mit sozialer Erhaltungssatzung ausgewiesen. Diese Gebiete wurden nicht willkürlich, sondern nach gründlichen und detaillierten Untersuchungen festgelegt. Dabei wurden insbesondere das Verdrängungspotential und der Verdrängungsdruck in den jeweiligen Stadtteilen berücksichtigt. Der Stadtrat traf auf dieser Basis entsprechende Beschlüsse.
Jetzt möchte jedoch die CDU-Fraktion diese Erhaltungsgebiete im Rahmen eines Haushaltsbeschlusses wieder abschaffen. Ihre Begründung lautet, dass die sozialen Erhaltungssatzungen zwar einen hohen finanziellen und administrativen Aufwand erfordern, aber nur einen „unterhalb der Messbarkeit liegenden Effekt“ erzielen würden. Empirische Belege für diese Behauptung liefert die CDU allerdings nicht. Sie ignoriert die zahlreichen Fälle, die in den letzten Jahren in den Erhaltungsgebieten von der Leipziger Verwaltung bearbeitet wurden, sowie die laufenden Evaluierungen der seit 2020 bestehenden Gebiete.
Im Gegensatz dazu kommt eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2024 zu dem Ergebnis, dass in Erhaltungsgebieten häufig auf nicht genehmigungsfähige Modernisierungen verzichtet wird. Die Studie bestätigt, dass die Dynamik von Veränderungen in sozialen Erhaltungsgebieten durch die Verpflichtung zur Genehmigung baulicher Maßnahmen gedämpft wird.
Zwar lassen sich die Wirkungen auf bezahlbares Wohnen nicht exakt quantifizieren, aber die Erhaltungsgebiete stellen eine wichtige Ergänzung zu anderen wohnungspolitischen Instrumenten dar. Ihr Beitrag zum Schutz vor Verdrängung ist umso größer, je intensiver das Veränderungsgeschehen in den Gebieten ist (Nelle et. al. 2024).
Die soziale Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 ist also ein notwendiges Instrument, das den Erhalt dieser Gebiete unterstützt. Sie ermöglicht es der Stadt Leipzig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Verdrängung der Bewohner/-innen zu verhindern. Wird eine solche Erhaltungssatzung erlassen, müssen Eigentümer/-innen, die ihre Mietwohnungen umbauen oder modernisieren wollen, spezifische Regeln beachten.
Dazu gehört unter anderem, dass Maßnahmen wie die Zusammenlegung von Wohnungen oder wohnwerterhöhende Veränderungen, die nicht dem üblichen Standard in einem Gebiet entsprechen, vermieden werden. Durch diese moderaten Sanierungen bleibt das Mietniveau im Rahmen. Darüber hinaus wird so die Veränderung der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung verzögert. Solche Erhaltungssatzungen schützen auch die bestehende soziale Infrastruktur, die an die Bevölkerungsstruktur angepasst wurde und damit kommunale Investitionen.
Daher rufen wir die anderen demokratischen Fraktionen im Leipziger Stadtrat dazu auf, den Antrag der CDU abzulehnen. Dieser Antrag steht im Widerspruch zu den Interessen der Mieter/-innen, die 85 % der Leipziger Bevölkerung ausmachen. Stattdessen fordern wir die Aufnahme neuer Gebiete wie in Schönefeld (westlicher Bereich) und die stärkere Berücksichtigung solcher Stadtteile, in denen eine zweite Sanierungswelle schon jetzt anläuft. Dazu gehört insbesondere auch die Südvorstadt, die in deutlich größerem Umfang erneut geprüft werden sollte.
Stadt für alle Leipzig, Februar 2025
Literatur: Nelle, A.; Veser, J.; Jacobs, T.; Plötzer, S. (2024): Instrumente zur Sicherung des bezahlbaren Wohnens und zum Erhalt vielfältiger Nutzungen, Hg. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. BBSR-Online-Publikation 06/2024. Bonn.
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Es gibt 6 Kommentare
Lieber User Urs, gleiches geschah mir und ich schließe mich Ihrem Statement gern an.
Ich hoffe, dass sich die Immobilieneigentümer auch daran orientieren.
Wie wird solches gewährleistet?
Diese Woche ist mir eine “Haushaltsbefragung im Sozialen Erhaltungsgebiet ‘Lindenau’ (Milieuschutzgebiet)” ins Haus geflattert, ein sechsseitiger Fragebogen. Das benannte Gebiet gibt es seit 2020. Ich bin froh, daß dieses Gebiet damals ausgewiesen wurde. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es nicht zuletzt die Abgeordneten der Partei “Die Linke” im hiesigen Stadtrat, die diese Ausweisung mitbewirkt hatten, andere Fraktionen waren ebenso dafür. Ich möchte betonen, daß ich derlei Erhaltungsgebiete für wichtig halte, mehr noch, ich finde, diese gehören als solche erhalten, und überdies ausgeweitet!
Wenn Erhaltungssatzungen nicht funktionieren würden, käme der Antrag nicht von der CDU (sondern von anderen Fraktionen).
Darüber hinaus: “Zu den Sozialen Erhaltungssatzungen wurde beschlossen, dass die Anwendungsvoraussetzungen alle fünf Jahre zu überprüfen sind. (…) Das Ergebnis zur Evaluierung der ersten sechs Satzungen (Eisenbahnstraße, Lindenau, Alt-Lindenau, Am Lene-Voigt-Park, Eutritzsch und Connewitz) wird voraussichtlich im 2. Halbjahr 2025 vorliegen.”
Dankeschön.
Und Sie finden die Effekte im Gegensatz zur CDU messbar?
Der Flaschenhals blieb beim Flaschendrehen eben bei den Erhaltungssatzungen stehen. Und ein Ungeküsster musste sich eine Begründung ausdenken. So läuft das ab, “Abends im Rathaus”, in den Räumen der CDU-Fraktion:
“Wie die Praxis zeigt, wird durch die so genannten Sozialen Erhaltungssatzungen zwar ein hoher finanzieller und administrativer Aufwand, aber ein unterhalb der Messbarkeit liegender Effekt erzielt. Angesichts der Haushaltslage ist das Projekt somit zu beenden. Die eingerichteten Stellen sollen im Sinne bürgernaher Verwaltung den Bürgerämtern zugeordnet werden. ”
Das ist die komplette Begründung.
Was ich in diesen meinungsstarken Artikeln und den Briefen an die “demokratischen Fraktionen” nicht herauslese: welche Gründe bringt die CDU denn auf, dass sie das abschaffen will? Wahrscheinlich haben sie doch irgendwas erwähnt, was daran positiv sein soll.