Dr. Dietmar Pellmann (Die Linke) könnte eigentlich, wenn er seine Mitteilungen aus dem Landtag sendet, immer davor schreiben: "Kommen wir zum Eigentlichen ..." Das Eigentliche sind die Grundlagen der Gesellschaft, sind die Lebensumstände von Familien, insbesondere die der Kinder. Und die bedrückende Aussage im Oktober 2012 lautet: Alleinerziehende sind weiterhin am schwersten von Arbeitslosigkeit betroffen.

Pellmann hat natürlich wieder eine seiner üblichen Anfragen an die Landesregierung gestellt. Am 26. September bekam er Antwort von Sozialministerin Christine Clauß (CDU).

“Die neuesten Daten zu den auf Hartz-IV-Leistungen angewiesenen Alleinerziehenden in Sachsen bestätigen, dass diese Personengruppe nach wie vor am stärksten von Armut betroffen ist”, stellt Pellmann fest. “Bezogen Ende Dezember 2011 im Freistaat 39.865 Alleinerziehende Arbeitslosengeld II, waren es im Mai dieses Jahres bereits 40.314. Damit ging der zwischenzeitliche wirtschaftliche Aufschwung an dieser Personengruppe völlig vorbei.”

Nicht ganz “völlig”. Doch die Zahlen belegen, wie schwer sich die sächsische Wirtschaft tut, Alleinerziehende in ihre Produktionsprozesse einzubeziehen. Die Zahl der Alleinerziehenden, die ALG II beziehen, sinkt langsamer als die allgemeinen Arbeitslosenzahlen. 2008 wurden 42.734 gezählt, ein Jahr später waren es 41.776, 2010 dann 40.679 und 2011 dann 39.865.

Die August-Zahl, die Pellmann abgefragt hat, ist insofern irreführend, als im Sommer immer eine saisonal höhere Arbeitslosigkeit gemessen wird. Vergleichbar sind immer nur Zahlen aus dem selben Monat. Und die Dezember-Zahlen zeigen über die Jahre zumindest einen leichten Rückgang. Der auch nach 2010 anhielt, was zumindest aufmerken lässt. Denn seitdem steigen die Kinderzahlen in Sachsen wieder. Die (Re-)Integration der jungen Mütter und Väter in den Arbeitsmarkt scheint also besser zu gelingen als noch vor Beginn der Finanzkrise. Was aber mit der Krise eher nichts zu tun hat, sondern schlicht mit den deutlichen Veränderungen am sächsischen Arbeitsmarkt durch Halbierung der Schulabsolventenzahlen ab 2010.

Trotzdem erscheint der Block der vom Jobcenter verwalteten Alleinerziehenden natürlich erratisch.

Pellmann, der auch sozialpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag ist: “Da fast 94 Prozent dieser Alleinerziehenden Frauen sind, ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass Frauen in Sachsen schon heute wesentlich stärker als Männer von Armut bedroht sind. Denn im Unterschied zu den beschwichtigenden Aussagen der Staatsregierung handelt es sich auch beim Arbeitslosengeld II lediglich um Leistungen auf Sozialhilfeniveau, die weit unter der Armutsgrenze liegen. Ohnehin ist die Gruppe der alleinerziehenden Frauen insgesamt jener Personenkreis mit der höchsten Armutsquote, denn nahezu 60 Prozent der alleinerziehenden Frauen mit Kindern unter 15 Jahren erhalten Arbeitslosengeld II.”

Auch der Blick auf Leipzig lohnt sich, wo die Anzahl der vom Jobcenter betreuten Alleinerziehenden seit 2008 stabil über 7.200 liegt. 7.296 waren es 2008, 7.245 dann im Dezember 2011. Darunter 6.895 Frauen (2008) bzw. 6.686 im Jahr 2011. Damit lagen die Zahlen der Alleinerziehenden, die ALG II bezogen, in Leipzig deutlich über denen in Dresden, wo 2008 zum Jahresende 5.526 Alleinerziehende im ALG II gezählt wurden, 2011 dann 5.262. Wobei freilich auch deutlich wird, dass in anderen Landesteilen die Zahlen etwas deutlicher zurückgegangen sind als in Leipzig. Aber Leipzig hat ja bekanntlich noch einen anderen Effekt: den gestiegenen Bevölkerungszuzug aus dem Umland.

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Was natürlich trotzdem nichts an der überdurchschnittlich hohen Bedürftigkeit ändert. 2010 zum Beispiel wurden 17.700 Alleinerziehende in Leipzig gezählt. Davon waren 7.246 in Betreuung des Jobcenters. Das sind 41 Prozent. Und: Sie waren nicht wirklich alle ohne Arbeit. Zu den Zahlen von 2011 und 2012 hat Pellmann auch extra diejenigen Betroffenen abgefragt, die aufs Jobcenter angewiesen waren, obwohl sie einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Das waren von 7.245 im Dezember Betreuten insgesamt 2.495 in Leipzig. Da reicht das Erwerbseinkommen also sichtlich noch nicht einmal zum Lebensnotwendigen. Von einem Ansparen für die Rente, wie es jetzt die Bundesregierung mal wieder forcieren will, kann da keine Rede sein.

Pellmann: “Diese Entwicklung bestätigt meine Fraktion in der Absicht, sich künftig noch stärker dem besonderen Problem von Frauenarmut zuzuwenden, zumal die Staatsregierung gerade hier in weitgehender Untätigkeit verharrt. Deshalb haben wir für den 6. Oktober zu einer weiteren Armutskonferenz nach Chemnitz eingeladen, die Frauenarmut zum Thema hat.”

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