Leipzig ist schon eine geraume Weile nicht mehr die deutsche Großstadt mit der höchsten Quote an Kindern in Bedarfsgemeinschaften. Was nicht nur daran liegt, dass die Quote in Leipzig langsam sinkt, sondern auch daran, dass jetzt gerade westdeutsche Städte in einen Prozess der wirtschaftlichen Transformation geraten, der auch zu neuen sozialen Problemen führt.

Trotzdem heiße das für Sachsen nicht, dass das Problem im Freistaat schon bewältigt sei, stellt der sozialpolitische Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Dr. Dietmar Pellmann, fest, nachdem er mal wieder eine Kleine Anfrage gestellt hat: “Kinder mit Sozialhilfeleistungen 2013 in Sachsen”. Denn hinter der Fassade eines Beschäftigungsaufbaus, der in Leipzig vor allem neue Jobs im geringer entlohnten Bereich schafft, hat sich für viele betroffene Familien das Problem der Abhängigkeit von sozialen Transfers verfestigt.

“Das wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahre hat zwar zu einer Reduzierung der Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen geführt, ging aber an den Langzeitarbeitslosen und ihren Familien weitgehend wirkungslos vorbei. Wie anders wäre sonst zu erklären, dass die Zahl der auf Sozialhilfeleistungen angewiesenen Kinder unter 15 Jahren Ende 2013 mit 96.731 nur geringfügig unter dem Niveau von Ende 2012 lag”, fragt Pellmann. 2012 hatte die Zahl bei 98.734 gelegen.

“Somit war in Sachsen nach wie vor ein Fünftel der Kinder unmittelbar auf Sozialhilfeleistungen angewiesen, was freilich die wirkliche Kinderarmutsquote, die etwa bei einem Viertel liegt, nicht abbildet, denn der Bezug von Sozialhilfe führt bekanntlich noch lange nicht aus der Armut”, stellt Pellmann fest. Und: “Es überrascht nicht, dass die nunmehr vorliegenden Daten ein differenziertes regionales Bild zeichnen. So liegt die Sozialhilfequote bei Kindern in den sächsischen Landkreisen mit 18,3 Prozent weit unter der der kreisfreien Städte mit 23,2 Prozent. Diese Differenz wird freilich insbesondere durch die Situation in der Stadt Leipzig begründet, wo wir Ende 2013 eine Quote von 27,6 Prozent hatten, die gegen den sächsischen Trend im Vergleich zum Jahr 2012 sogar angestiegen war. Hingegen nehmen sich die 18,5 Prozent der Stadt Dresden geradezu hoffnungsvoll aus.”In Leipzig ist auch die absolute Zahl der Kinder mit Sozialleistungen gewachsen – von 17.845 auf 18.131. In Dresden übrigens (auf niedrigerem Niveau) ebenfalls: von 12.968 auf 13.044. Was zumindest ein Fingerzeig ist, dass diese wachsende Zahl etwas mit dem Bevölkerungswachstum dieser beiden Städte und den gestiegenen Geburtenraten zu tun hat. Und mit der Tatsache, dass selbst ein doppeltes Erwerbseinkommen in vielen jungen Familien nicht ausreicht, um den Bereich der Bedürftigkeit zu verlassen.

“Diese beträchtlichen Unterschiede erhärten allerdings unsere Forderung nach einem aus Haushaltsmitteln des Freistaates zu finanzierenden gerechten Soziallastenausgleich zwischen den sächsischen Kommunen”, sagt Dietmar Pellmann. “Noch wichtiger wäre es, endlich eine soziale Grundsicherung für Kinder bundesweit einzuführen, weil nur so Kinderarmut ernsthaft überwunden werden würde.”

Was aber mit Blick auf die steigenden Armutsquoten gerade in den Großstädten des Ruhrgebiets eher wie ein froher Wunsch klingt. Es zeichnet sich weder im Bund noch im Bundesland Sachsen eine Politik ab, die die wachsenden sozialen Aufgaben der Großstädte durch einen Soziallastenausgleich zu unterstützen gedenkt. Lieber diskutieren zwei selbstverliebte Regierungsfraktionen über die nächste Steuersenkung, ganz so, als würde ein einigermaßen ausgeglichener Staatshaushalt schon bedeuten, dass die wichtigsten Probleme der Republik schon gelöst sind.

Sind sie nicht. Im Gegenteil: Die zunehmende Verwerfung zwischen reichen Regionen (aus denen der immer neue Ruf nach Steuersenkung kommt) und armen Regionen (in denen die Kommunen in eine Schuldenspirale geraten) wird auch in der Politik der aktuellen Bundesregierung ignoriert. Was dann neue Verwerfungen für kommende Generationen bedeutet. Denn manifeste Armut bedeutet für die betroffenen Kinder in der Regel auch eine frühzeitig festgelegte Behinderung in der Bildungs- und Berufskarriere. Und während selbst der Leipziger Oberbürgermeister sich freut über sinkende Arbeitslosenquoten, bleiben die eigentlichen Verwerfungen bestehen und schlagen auch immer teurer im Leipziger Sozialhaushalt auf.

Die Zahlen von 2012 als PDF zum Download.

Die Zahlen von 2013 als PDF zum Download.

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