Das deutsche Steuersystem ist kompliziert. Nicht nur, wenn es um all die Stellschräubchen geht beim Bezahlen oder Nicht-Bezahlen von Steuern, sondern auch bei der Verteilung. Denn über ein in zähen Verhandlungen ausgeklügeltes System werden die wichtigsten Steuern zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt. Aber auch zwischen Reichen und Ärmeren. Und Sachsen gehört zu den Ärmeren, das hat nun auch mal Finanzminister Georg Unland bestätigt.

Dass Sachsens Landeshaushalt so gut da steht mit der zweitniedrigsten Verschuldung in Deutschland (nur die Bayern haben pro Kopf eine geringere Verschuldung), hat ja nichts damit zu tun, dass die Steuereinnahmen in Sachsen so gewaltig sprudeln. Das tun sie nicht wirklich. Auch wenn sie sich – parallel zu den anderen ostdeutschen Ländern – in den letzten Jahren etwas berappelt haben.

Oder wie Prof. Dr. habil. Thomas Lenk in dem von zehn Bundesländern bestellten Gutachten zum Länderfinanzausgleich ausführt: “Die ostdeutschen Flächenländer konnten zwar eine Zunahme der Gemeindefinanzkraft seit 2005 verzeichnen, dennoch erreichten im Jahr 2013 ihre Steuereinnahmen pro Einwohner – etwa 78 % des Niveaus der saarländischen Kommunen, – etwa 65 % des Durchschnitts der finanzschwachen westdeutschen Flächenländer (FFW), – etwa 61 % (Vergleich FFW: 93 %) des bundesweiten Länderdurchschnitts.”

Die fehlende Finanzkraft der (ostdeutschen) Kommunen ist ein Hauptthema in seinem Gutachten, das auch Sachsens Finanzminister Georg Unland nun zum Beweis anführt, wenn er fordert, dass in den neuen Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich die Steuerkraft der Kommunen voll mit eingerechnet werden muss.

Stichwort Länderfinanzausgleich

Das ist der finanzielle Ausgleich zwischen Bundesländern mit hoher Steuerertragskraft und jenen mit niedriger. Ziel ist – auf Grundlage des Grundgesetzes – die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in allen Teilen der Bundesrepublik. Bundesländer, in denen die Steuereinnahmen sprudeln (vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Hessen) finanzieren damit die ärmeren Bundesländer mit, die nicht über eine so prosperierende Industrie verfügen, aber trotzdem dieselben Leistungen liefern – zum Beispiel über ein gut ausgebautes Bildungssystem).

Innerhalb der Bundesländer gibt es noch einmal einen ähnlichen Ausgleichsmechanismus, den kommunalen Finanzausgleich (in Ministerreden knapp: FAG). Damit gleichen die Länder die fehlende Finanzkraft der Kommunen aus.

Wenn aber die Steuerkraft der Kommunen nur zum Teil in den Länderfinanzausgleich eingeht, klafft eine Lücke: Die ärmeren Länder müssten ihren Kommunen eigentlich mehr Geld überweisen, als sie tatsächlich selbst im Länderfinanzausgleich bekommen.

Wie krass die Lücke in der Finanzkraft der Kommunen in Ost und West ist, hat Prof. Thomas Lenk in seinem Gutachten mit aufgeführt.

Die Grafik zur unterschiedlichen Gemeindefinanzkraft zeigt es eindrucksvoll: Gemeinden in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg kommen im Schnitt auf 1.300 Euro Steuereinnahmen je Einwohner. Da sind reiche Städe wie Frankfurt, München und Stuttgart genauso dabei wie entlegene Dörfer, kleine Städte, Mittelzentren. Alles.

Steuerkraft im Osten nur halb so groß wie im Westen

Man sieht aber auch deutlich, dass die Kommunen in den ostdeutschen Flächenländern nicht mal die Hälfte dieser Steuern aus eigener Kraft aufbringen. Sie kommen gerade einmal auf 600 Euro pro Einwohner. Die Ursache für den enormen Unterschied ist eine doppelte: Zum einen sind die Gewerbesteuereinnahmen im Osten deutlich niedriger als im Westen (280 zu  472 Euro pro Kopf). Zum zweiten aber sorgt das um 30 Prozent niedrigere Lohnniveau dafür, dass auch die Einkommensteuereinnahmen deutlich niedriger sind.

Da Prof. Thomas Lenk nur die Steuerzahlen bis 2013 ausgewertet hat, haben wir uns auch mal die vorläufigen Zahlen des Bundesfinanzministers angeschaut.

Sachsens Kommunen haben da seit dem Ende der Finanzkrise 2010 durchaus ein Stück an Ertragskraft zugelegt – von 529 auf 673 Euro je Einwohner. 2014 stieg der Wert sogar auf 710. Damit lag das Land knapp hinter Brandenburg mit 717 Euro, aber schon deutlich hinter dem Saarland mit 842. Die Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg kamen auf 1.255 bzw. 1.200 Euro pro Einwohner.

Leipzig im Vergleich mit Nürnberg

Eine Stadt wie Nürnberg zum Beispiel (jüngst erst unter die 500.000-Einwohner-Marke gerutscht) kommt auf eigene Steuereinnahmen von 700 Millionen Euro (was natürlich auch in Nürnberg nicht reicht, um den Stadthaushalt zu finanzieren), Leipzig peilt gerade die 500-Millionen-Marke an. Und wie unsicher die Prognosen für die Steuereinnahmen sind, hat 2014 gerade die Stadt Dresden erlebt: Die unerwarteten zusätzlichen Ausgaben lagen zwar im zweistelligen Millionenbereich, dafür blieben aber auch 13 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer aus, mit denen man fest gerechnet hatte. Zum ersten Mal hatte Leipzig höhere Gewerbesteuereinnahmen als Dresden. Und Dresden erlebte auch mal, was ein gesperrter Haushalt ist.

Worüber Kommunen im Westen wahrscheinlich nur gestaunt haben werden: Eine quasi schuldenfreie Stadt, die auch noch Investitionsmittel von 240 Millionen Euro in den nächsten Haushalt verschieben muss – und dann trotzdem eine Haushaltssperre?

Aber in ostdeutschen Kommunen ist es schon längst Normalität, dass Haushaltssperren dafür sorgen, dass Geld gar nicht erst ausgegeben wird. Man hat Übung im “den Gürtel enger schnallen”. Aber das geht dann eben auch auf Kosten nötiger Investitionsprogramme (Schulen, Kitas, Naturkundemuseum) oder des Bestandserhalts (Brücken, Straßen, Schulgebäude), sozialer Betreuungsangebote usw.

Großstädte liegen schon aufgrund ihrer Wirtschaftsballung bei den Steuereinnahmen deutlich überm Landesdurchschnitt. Die 498 Millionen Euro Steuereinnahmen für Leipzig im Jahr 2014 bedeuten immerhin 917 Euro pro Einwohner, während die 700 Millionen in Nürnberg eben rund 1.400 Euro pro Einwohner sind. Leipzig hat also erst 65 Prozent der Nürnberger Steuerkraft erreicht.

Mit 917 Euro liegt Leipzig aber nach wie vor selbst unter dem Durchschnittswert aller westlichen Bundesländer, der nach Berechnung des Bundesfinanzministeriums bei 1.135 Euro lag.

Leipzig hängt also immer mit dran am Tropf, wenn über den Länderfinanzausgleich neu verhandelt wird. Und neben Finanzminister Georg Unland sehen es augenscheinlich auch noch neun seiner Ministerkollegen in den anderen Bundesländern so, dass die Steuerkraft der Kommunen vollständig mit eingerechnet werden muss in den ab 2020 gültigen neuen Länderfinanzausgleich.

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