Es geistern ja derzeit einige Umfragen durch den Medienwald, mit denen die Meinung der Menschen zum Klimawandel abgefragt wird. Meistens auf geradezu erschreckend platte Weise. Auch Leipzig hat jetzt eine Umfrage zum Klimawandel vorgelegt. Eine richtige Bürgerumfrage, die auch zeigt, wie komplex das Thema ist und dass Schuldzuweisungen ganz bestimmt nicht die Lösung sind. Befragt wurden über 5.000 Haushalte von August bis Oktober 2014.

Der Zeitraum spielt eine Rolle, denn in den August fielen zwei Tage, an denen die Temperaturen auch deutlich über 30 Grad gingen. Das Thema Hitze ist nun einmal eines der wichtigsten Themen innerhalb der Klimaveränderungen, das besonders Großstädte betrifft, weil sie Wärmeinseln sind. An heißen Tagen kann sich hier die Hitze besonders stauen und den Bewohnern so richtig zu schaffen machen, wenn es keine Durchlüftung der Straßen gibt, keinen ausreichenden Schatten, keine Abkühlungsmöglichkeiten – und wenn sich Straßen und Wohnungen auch nachts nicht mehr abkühlen.

Seit über vierzig Jahren ist weltweit die Erhöhung der Durchschnittstemperaturen messbar. Aber für Großstädter wird auch spürbar, wie die Winter immer wärmer werden und in den Sommermonaten immer öfter Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad auftauchen. Oft gefolgt von Unwetterfronten, die von extremen Ereignissen wie Hagel, Starkregen, Tornados oder Hochwasser begleitet werden. Alles pure Energie in der Atmosphäre, die sich über den Landmassen immer häufiger auch im Extrem austobt.

Und für Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal steht dabei wirklich die Frage: Wie muss die Leipziger Stadtverwaltung jetzt reagieren, damit das Leben in einem wachsenden und immer mehr verdichteten Leipzig auch künftig noch auszuhalten ist? Dazu wurde 2014 nicht nur ein repräsentativer Querschnitt der Leipziger befragt, zwei Stadtgebiete, die zu den besonders hitzebelasteten im Inneren der Stadt gehören, wurden besonders abgefragt: das Kolonnadenviertel und die Südvorstadt.

Aber handeln kann die Stadtverwaltung nur, wenn sie dabei auf Zustimmung der Bürger trifft. “Es geht nicht mit der Brechstange”, sagte Rosenthal am Donnerstag, 30. Juli, bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse, “es geht nicht mit Verboten. Man muss Angebote schaffen, wenn man Änderungen gemeinsam mit den Bürgern erreichen will.”

Und die Voraussetzung ist natürlich: Wissen die Leipziger um den Klimawandel? Wissen sie um seine Auswirkungen auf ihr konkretes Leben in der Großstadt?

Diese Ergebnisse finden sich zwar erst ab Seite 60 im Bericht. Aber die Antwort lautet eindeutig: Ja, sie wissen es. Und sie bringen die zunehmenden Veränderungen auch mit dem Klimawandel in Verbindung – die Jüngeren mit 86 Prozent noch viel stärker als die Älteren mit 70 Prozent. Und im Konkreten wissen die Leipziger sehr genau zu benennen, was sich da in ihrer Lebensumwelt ändert.

Dass die Temperaturen steigen, wissen 88 Prozent der Befragten (bei den 18- bis 34-Jährigen sind es 93 Prozent, bei den über 75-Jährigen auch noch 81 Prozent). Dass es zu mehr Stürmen, Hagel und Starkregen kommt, ist 86 Prozent der Befragten bewusst, dass es mehr Trockenperioden und Hochwasser gibt, wissen 79 Prozent. Und 58 Prozent der Befragten wissen auch, dass sich auch Flora und Fauna verändern, weil aufgrund der höheren Temperaturen Tiere und Pflanzen aus südlichen Lebensräumen einwandern.

Immerhin 49 Prozent wissen, dass sich Niederschlagszeiten und -intensitäten verändern. In anderer Form ist es eigentlich fast die gleiche Frage wie die zu Trockenheit und Hochwasser. Aber Extremereignisse prägen sich nun einmal stärker ein als bloße Nachrichten über zu trockene Sommer oder die Veränderungen von Niederschlagsintensitäten.

So ähnlich ist das mit der Frage nach der Verschiebung der Jahreszeiten. Hier hätte man eigentlich gerade von den Senioren erwartet, dass sie sich noch daran erinnern, wie “spät” früher das Frühjahr einsetzte. Aber gerade sie bemerken das Phänomen nur zu 37 Prozent, während es den jungen Leipzigern mit 63 Prozent viel bewusster ist.

Unwetter am Abend des 22. Juli 2015 über Leipzig. Foto: Patrick Kulow
Gewitterfront des Unwetters am Abend des 22. Juli 2015. Foto: Patrick Kulow

Eine Frage, die Rosenthal natürlich umtreibt, ist die Frage nach der Verhaltensänderung. Wären die Leipziger bereit, ihr Verhalten klimabewusst anzupassen?

Dass sie das tun sollten, um vielleicht einen Beitrag dazu zu leisten, dass es nicht noch viel heftiger kommt, das sagen tatsächlich 77 Prozent der Befragten – bei den Jüngeren sogar 87 Prozent, aber bei den Senioren über 75 auch noch 70 Prozent. Den Omas und Opas, Uromas und Uropas ist also überhaupt nicht gleichgültig, wie es ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln einmal ergeht mit der von Klimaforschern hochgerechneten Temperaturerhöhung von 2, 3, möglicherweise 4 Grad bis zum Jahrhundertende. Die heutigen Senioren werden es nicht mehr erleben, die heutigen Kinder wohl schon. Die bisherige Zunahme der Extremereignisse basiert erst auf einem Temperaturanstieg um 0,9 Grad Celsius seit Mitte des letzten Jahrhunderts. Wahrscheinlich können sich wirklich nur Klimaforscher so richtig vorstellen, was eine weitere Erhöhung um 2 oder 3 Grad bedeutet.

Und ein bisschen schlechtes Gewissen haben die Leipziger auch: 76 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sich der größte Teil der Bevölkerung noch immer wenig umweltbewusst verhält. Und 64 Prozent der Befragten sind sich dabei bewusst, dass der augenblickliche Klimawandel durch den Menschen verursacht wurde.

61 Prozent äußern auch deutliche Beunruhigung, wenn sie an die Umweltverhältnisse im späteren Leben der Kinder und Enkel denken.

Aber wie kann der Einzelne da sein Verhalten ändern? Eine heikle Frage, aber Andrea Schultz aus dem Amt für Statistik und Wahlen hat seit der praktisch gleichzeitig stattfindenden “Bürgerumfrage 2014” auch eine wichtige Antwort dazu: Die Leipziger sind sehr wohl bereit, ihr Verhalten klimabewusster zu gestalten – wenn es für sie nicht zu aufwendig und finanziell zum Nachteil wird. Das ist auch der Punkt, den Rosenthal meint, wenn er von der Brechstange spricht: Wer den Leipzigern keine Angebote macht und sie mitnimmt, ohne sie noch extra zur Kasse zu bitten, der schafft keine Veränderungen.

Die Zustimmung, das Verhalten klimabewusst zu ändern, ist da. 93 Prozent der Leipziger sehen im Kauf regionaler Produkte einen echten Beitrag zum Klimaschutz, 95 Prozent sehen im Stromeinsparen einen Sinn, 87 Prozent finden auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sinnvoll. Was natürlich überrascht. Warum steigen sie dann nicht alle um? Dann wären doch die Pkw-Probleme in Leipzig auf einen Schlag geklärt?

Unübersehbar wird hier, wie sehr die Verhaltensänderung mit dem Angebot zusammen hängt. Tatsächlich stimmen dieser Aussage nur 31 Prozent vorbehaltlos zu, 50 Prozent verweisen auf die Umstände, die sie bislang daran hindern, auf den ÖPNV zu wechseln. Und nicht alle Umstände sind außerhalb des Leipziger ÖPNV zu suchen. Ganz ähnlich ist es mit der Aussage “weniger Auto fahren”. Die Zustimmung liegt bei 84 Prozent – aber nur 34 Prozent würden es vorbehaltlos tun, 50 Prozent machen es von den Umständen abhängig.

Die Stadt kann also auf einer großen Bereitschaft der Leipziger aufbauen, ihr Verhalten zu ändern. Sie kann auch mit einer großen Informiertheit der Leipziger rechnen. Selbst durch TV und Radio sind die Meisten auf dem Laufenden (77 Prozent), 56 fühlen sich durch Zeitungen und Zeitschriften informiert, 46 Prozent (bei den Jüngeren 71 Prozent) durch das Internet.

Aber was kann die Stadt tun, um die Leipziger mitzunehmen?

Dazu kommen wir morgen an dieser Stelle.

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