Die hohe und die niedere Politik setzen ja gern auf die Einsicht der Bürger. Und irgend so eine Art Leidensfähigkeit und Hingabe, irgendwie nach dem Motto: Wenn jemand sein Verhalten ändern muss, dann sind es die Bürger. Aber selbst beim Thema dicke Luft in den Städten führt falsches Denken zu falschen Ergebnissen. Da brauchen wir von Sachsen gar nicht erst zu reden.

Dass Sachsens Regierung gar nicht einsieht, dass der CO2-Ausstoß im Freistaat gesenkt werden muss, ist peinlich genug. Begleitet wird es von der Unwilligkeit, alternative Energie- und Verkehrskonzepte zu entwickeln. Mit der kleinen Einschränkung: Zum ÖPNV gibt es ja jetzt einen Arbeitskreis. Eingesetzt, nachdem der ÖPNV über fünf Jahre lang heruntergespart wurde, bis es knirschte.

Auch in Leipzig. Und das wird nun auch sichtbar, wenn Leipzigs Statistiker sich erkühnen, in der “Bürgerumfrage 2014” nach dem Beitrag der Bürger zur CO2-Einsparung zu fragen.

Bekanntlich waren die Fragebögen zur Bürgerumfrage vor allem im Oktober, November und Dezember 2014 unterwegs, der Zeit, als endlich mal ein wenig über die künftige Finanzierung von LVB und MDV diskutiert wurde. Am Ende mit der amtlichen Aussage, dass man vor 2017 gar keine Ergebnisse vorlegen wird. Und mit der gewohnt frivolen Nachricht, dass man die Fahrpreise für Straßenbahn und Bus im August 2015 wieder saftig anheben werde.

Den Leipzigern ist sehr wohl bewusst, dass Straßenbahn und Bus in Leipzig kein Luxusgeschenk an die Bürger sind, sondern sogar ganz zentraler Bestandteil der Umwelt- und Klimastrategie der Stadt. Nur: Ist eine Stadt, die den Anteil des ÖPNV am Verkehr der Stadt auf 20 und 25 Prozent hochpuschen will, noch recht gescheit, wenn sie die Fahrpreise jeden Sommer in die Höhe schraubt?

Ist sie nicht. Auch wenn natürlich jede Nachfrage auch im Leipziger Stadtrat die gleichgültige Antwort bekommt: Dafür sind wir nicht zuständig. Das entscheidet die Gesellschafterversammlung des MDV.

Dabei zeigt die “Bürgerumfrage 2014” sehr überzeugend, dass der gute Wille der Bürger da seine Grenzen hat, wo ein umweltschonendes Verhalten zu teuer wird. Denn das Bewusstsein der Leipziger dafür, dass der Klimawandel auch ihre Heimatstadt verändert und belastet, das ist da: 16 Prozent der Befragten sehen die Auswirkungen jetzt schon, 57 Prozent halten sie immerhin für möglich. 53 Prozent sind bereit, etwas für den Klimaschutz zu tun, nur 11 Prozent sagen: Nein oder eher nicht. Für 64 Prozent hat Klimaschutz einen hohen bis sehr hohen Stellenwert.

Damit könnte man arbeiten. Wenn man denn wollte. Für 55 Prozent der Leipziger ist es wichtig bis sehr wichtig, dass die von ihnen verbrauchte Energie “vorrangig aus lokal verfügbaren, alternativen Energieträgern gewonnen wird”. 86 Prozent der Befragten ist die energetische Sanierung der Häuser wichtig, auch wenn dieser Wert gegenüber 2013 um sechs Prozentpunkte gesunken ist. Denn die Leipziger bekommen ja auch mit, dass die energetische Sanierung eben doch zumeist zu einer saftigen Mieterhöhung führt, die durch das Sinken der Energiekosten nicht ausgeglichen wird.

Es fehlt ganz unübersehbar ein Regulator. Und die Angst ist groß, durch eine energetische Sanierung auf einmal zu einer unbezahlbaren Miete zu kommen. Der Großteil der Leipziger hat es nach wie vor nicht dicke im Portemonnaie.

Klima, Energie und Kohlendioxidausstoß gehören nun mal zusammen. Da wollte die Stadtverwaltung nur zu gern wissen, wo denn die Leipziger selbst bemüht sind, ihren CO2-Verbrauch zu senken. Und auch da gab es denselben Effekt wie bei der Wärmedämmung: Die Werte gingen durchgängig zurück. Relativ niedrig waren sie mit 36 Prozent sowieso schon beim Ernährungsverhalten: Wer sich umweltschonend ernähren möchte, zahlt in der Regel drauf. Denkt man für gewöhnlich. Aber das können wir ja bei Gelegenheit mal untersuchen.

Aber da sich die meisten Leipziger einen Einkauf nur im scheinbar billigen Discounter leisten können, steht eine klimaschonende Ernährung bei ihnen hinten an. Von 36 Prozent fiel der Wert auf 34 Prozent.

Dasselbe trifft auf das allgemeine Konsumverhalten zu. Wer sich energiesparende moderne Haushaltsgeräte schlicht nicht leisten kann, kauft sich auch keine – und zahlt dafür mit hohen Stromrechnungen. Der Wert blieb bei 43 Prozent hängen. Aber besonders verblüfft waren Leipzigs Statistiker über den rapiden Fall der Bereitschaft, über die Verkehrsmittelwahl einen CO2-Beitrag zu leisten. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Anteil der mit Rad und zu Fuß zurückgelegten Wege 2014 deutlich gestiegen ist. Woran liegt das?

Am Geld, vermutet Dr. Andrea Schultz, die die Federführung für den Bericht zur Bürgerumfrage hatte. Wenn die Preise für umweltfreundliche Verkehrsarten zu drastisch steigen, steigen die Leipziger aus und sagen: Nee, mit mir nicht.

Das ist schon 2014 deutlich so gewesen: Die Bereitschaft, mit der Verkehrsmittelnutzung einen Klimabeitrag zu leisten, ist von 59 auf 47 Prozent abgestürzt.

Das war mitten in der Diskussion um die Finanzierung des MDV und die nächste Fahrpreiserhöhung der LVB. So schnell verliert eine eigentlich sinnvolle Politik an Akzeptanz. Oder, etwas anders formuliert: Sie verliert an Mitfahrern, weil sich viele Leipziger diesen Preisauftrieb nicht mehr leisten können und dann doch lieber zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren.

Denn den Verhaltenswechsel kann man natürlich mit Geld steuern. Wenn die Bürger das Gefühl haben, dass sie durch ihr eigenes Verhalten auch für sich selbst die Kosten sogar senken können, dann machen sie mit.

Sichtbar wird das bei Themen wie Abfallvermeidung, Stromverbrauch, Wärmeenergie und Wasserverbrauch, wo zwar 2014 die Zustimmungswerte auch gesunken sind – aber sie liegen allesamt noch über 70 Prozent, weil sich eine Verbrauchssenkung nun einmal tatsächlich auf der Nebenkostenabrechnung abbildet. Wer spart, wird direkt belohnt. Was übrigens auch ein Lernthema ist: Jüngere Jahrgänge gehen noch nicht so bewusst mit Kosten und Ressourcen um wie Senioren. Liegt bei den einen der Wert des CO2-sparenden Verhaltens bei 65 Prozent (was aber trotzdem zeigt, wie sehr das Thema schon gesellschaftlicher Konsens ist), dann liegt er bei den über 75-Jährigen sogar bei 84 Prozent.

Eine Klimapolitik auf Stadtebene hat also Partner und Mehrheiten in allen Altersgruppen. Mit Ignoranz aber untergräbt man die Parnerschaft, wie eben das bewusste Verhalten bei der Verkehrsmittelwahl zeigt. Es sind übrigens die ganz jungen Leute, 18 bis 34 Jahre, die auch aus Umweltbewusstsein klimaschonende Verkehrsarten wählen. Nur ist das- wie die Umfrage zur ÖPNV-Nutzung zeigt – eben nicht Straßenbahn oder Bus, sondern es ist mittlerweile das Fahrrad, mit dem man dem hungrigen Klicken der Fahrscheinautomaten davonfahren kann.

Und da wir das schnöde Thema Geld schon angerissen haben, machen wir damit morgen auch weiter.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar