In den vorhergehenden Folgen hat sich Klaus Richard Grün alias Finanzrevisor Pfiffig aus der DDR mit der Rolle des Bundes der Steuerzahler und der Landesrechnungshöfe im Allgemeinen beschäftigt. Jetzt wendet sich der Autor, der das Rechnungswesen zweier Staaten kennenlernen durfte, mal dem Sächsischen Rechnungshof im Speziellen zu. Braucht den eigentlich irgendwer?

Ist die Kontrolle der Finanzströme in Sachsen politisch gar nicht gewollt?

Wie war die Situation des Prüfungswesens zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung? Bis heute wird von angeblichen Experten die Ansicht vertreten, dass es in der DDR keine funktionsfähige Finanzkontrolle gab und diese demnach erst aufgebaut werden musste. Die Wahrheit ist, dass diese deshalb (neu) aufgebaut werden musste, weil das fachlich hervorragende Prüfungswesen der DDR zerschlagen wurde. Vollkommen.

Jede andere Bezeichnung für diese unsinnige und zugleich skandalöse Verfahrensweise wäre unzutreffend. Ich habe alles hautnah miterlebt. Ich war mir anfangs ziemlich sicher, dass wegen der schnellen Funktionsfähigkeit der Finanzkontrolle in Sachsen (wie in allen anderen neuen Bundesländern) aufgrund der hervorragenden Fachkenntnisse des überwiegenden Teils der Mitarbeiter der Finanzkontrolle der DDR, der Staatlichen Finanzrevision (SFR), ein erheblicher Teil der künftigen Finanzprüfer in den Gebietskörperschaften (Städte, Gemeinden, Landkreise) sowie in den Landesrechnungshöfen aus den Reihen der SFR kommen wird.

Diese Auffassung verstärkte sich, als die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften viele unserer Mitarbeiter, welche für die Prüfung von volkseigenen Betrieben zuständig waren, frühzeitig an sich gebunden hatten. Aber es standen ja nicht nur die Mitarbeiter der SFR zur Verfügung. Es gab genügend mit hervorragenden fachlichen Voraussetzungen ausgestattetes Personal in vielen Bereichen. Noch heute denke ich mit Wehmut zurück, welche einmalige Chance vergeben wurde, um in kürzester Zeit ein hochqualifiziertes, modernes, wirtschaftliches, neutrales, mit regionalen Kenntnissen ausgestattetes und dringend benötigtes Finanzprüfungswesen einzurichten. Was tatsächlich geschah, war an Überheblichkeit, Naivität und Unvernunft kaum zu überbieten. Nie hätte das passieren dürfen!

Aus der ehemaligen Inspektion Leipzig der SFR erhielten sechs Mitarbeiter eine Anstellung beim Sächsischen Rechnungshof (SRH). Um mehr hatte man sich nicht bemüht.

Unstrittig ist, dass die SFR als Kernstück der Finanzkontrolle eine beachtliche Rolle bei der Durchsetzung der Interessen der DDR bzw. der SED spielte. Sie war ein Machtinstrument! Ich sehe keinen Widerspruch darin, dass die SFR wirtschaftlich, wirksam und fachlich hervorragend aufgestellt war.

Es gab ausreichend Warnungen zur Übernahme der Strukturen der Finanzkontrolle der BRD, die in keinem der neuen Bundesländer Beachtung fanden. Die negativen Auswirkungen waren erheblich. Sie sind bis heute erkennbar und haben den Steuerzahlern riesige Beträge gekostet, die in die Milliarden gehen.

Stürzen wir uns nun in das Abenteuer SRH, ein trauriges Kapitel.

Gemäß Artikel 100 der am 6. Juni 1992 in Kraft getretenen Verfassung des Freistaates Sachsen werden die Rechnung sowie die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes durch den Rechnungshof geprüft, der eine unabhängige Staatsbehörde ist. Mitglieder des Rechnungshofes sind der Präsident, der Vizepräsident und die Leiter der Prüfungsabteilungen, die gleiche Unabhängigkeit wie die Richter besitzen. Der Präsident des Rechnungshofes wird vom Landtag auf Vorschlag des Ministerpräsidenten mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Der Vizepräsident wird vom Ministerpräsidenten auf Vorschlag des Präsidenten des Rechnungshofes mit Zustimmung des Landtages ernannt. Der Rechnungshof berichtet jährlich unmittelbar dem Landtag und unterrichtet gleichzeitig die Staatsregierung. Sitz des SRH ist Leipzig.

Informationen über die Aufgaben, den Aufbau, das Personal sowie gesetzliche Regelungen sind auf der gut und übersichtlich gestalteten Internet-Seite des SRH ersichtlich. Wer möchte, der kann sich dort näher informieren.

Auszug aus dem Leitbild des Sächsischen Rechnungshofes:

“Wir arbeiten für einen bestmöglichen und nachhaltigen Einsatz öffentlicher Mittel und Ressourcen im Interesse des Gemeinwohls. Wir prüfen, allein dem Gesetz verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Freistaates, der kommunalen Körperschaften sowie weiterer juristischer Personen des öffentlichen und privaten Rechts. Wir berichten regelmäßig unmittelbar dem Landtag und unterrichten die Staatsregierung. Wir beraten und unterstützen den Landtag und die geprüften Stellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Unser Ziel ist, durch zeitnahe Prüfungen die Entwicklung in Sachsen zukunftsorientiert mitzugestalten. Wir tragen zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel bei, indem wir Landtag, Staatsregierung und Kommunen noch umfassender beraten. Wir maximieren die Wirkung unserer Arbeit durch gezielte Auswahl der Prüfungsinhalte und größtmögliche Transparenz.“

Bei einer Umsetzung dieses Leitbildes wäre der SRH eine phantastische Prüfungsbehörde.

Tatsächlich ist er ein Spiegelbild der mittelalterlichen Gesetzgebung, des deutschen Juristenkultes, von Stellenbesetzungen nach Parteibuch, der Besetzung von Leitungsposten mit fachlich ungeeignetem Personal sowie der Unfähigkeit und Unwilligkeit der Politik die Kontrolle der Steuergelder im Interesse des Gemeinwohls zu reformieren. Das Leitbild ist in Wirklichkeit ein „Leidbild“, ein (Be)Trugbild.

Ursachen für Krisen/Probleme liegen sehr oft bei Personen oder Institutionen, die in der Machthierarchie am weitesten oben stehen. Beim SRH ist die tragende Säule der Machthierarchie das Kollegium, also der Präsident, der Vizepräsident sowie die Prüfungsabteilungsleiter. Diese Personen sind es, die vorwiegend unter anderem für Personalbesetzungen, für die Prüfungspläne, für die Prüfungsobjekte, für den Inhalt der Jahresberichte, für die Außendarstellung und die Akzeptanz des SRH die Verantwortung tragen, deren Besoldungsgruppen mehr als fürstlich sind.

Welche Personen gehören zum Kollegium?

Pfeiler in der Brandung ist der Präsident, Herr Prof. Dr. Siegfried Karl-Heinz Binus. Er wurde im September 2007 zum Vizepräsidenten und am 30.03.2010 vom Sächsischen Landtag zum Präsident gewählt. Der 1954 in Hilmersdorf (Sächsische Schweiz) geborene Binus, hat von 1974 bis 1978 Elektroautomatisierungstechnik (Abschluss als Dipl.-Ing.) studiert, war von 1978 bis 1983 Technischer Leiter im VEB Blechbearbeitung Marienberg und von 1983 bis 1990 als Bürgermeister in Marienberg (Erzgebirge) tätig. Er war bereits in der DDR Mitglied der CDU, was in einer solchen Funktion nicht alltäglich war. Im Oktober 1990 wurde er für die CDU in den Sächsischen Landtag gewählt, wo er mit Beginn seiner Tätigkeit beim SRH im Jahre 1994 ausschied. Von 1991 bis 1995 absolvierte er ein Studium Wirtschaftsingenieurwesen (Abschluss als Dipl.-Wirtsch.- Ing.) und von 2001 bis 2005 ein wirtschaftswissenschaftliches Promotionsstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Abschluss als Dr. rer. pol.). Als Rechnungshofdirektor war Karl-Heinz Binus ab März 1995 zuständig für die überörtliche Kommunalprüfung, die Krankenhausbetriebsprüfung, für haushaltsrechtliche Grundsatzfragen, die Koordinierung der Gesamtrechnungsprüfung und für Neue Steuerungsmodelle.

Zwischenbemerkung:

Ich halte es an dieser Stelle für wichtig, einige Bemerkungen zur Rolle der Vorgänger von Karl-Heinz Binus zu machen. Das waren die Herren Alfred Wienrich (1991 bis 2003) und Franz Josef Heigl (2003 bis 2010). Alfred Wienrich, mit dem ich mehrmals Kontakt hatte, ordne ich unter anderem die Rolle des personellen Aufbaus des SRH zu. Er war somit für dessen „Fundament“ verantwortlich. Vergleichen wir den Aufbau mit dem Bau eines Hauses. Um irreparable Schäden abzuwenden, sollte das Fundament eines Hauses unbedingt von Profis errichtet werden. Alfred Wienrich war kein Profi, jedoch war er es in den Augen derer, die ihm diese Aufgabe übertragen hatten. Auch wenn es anfangs positive Ansätze gab, erwiesen sich diese bald als Strohfeuer. Das Fundament wurde ohne Statiker errichtet, die vorgeschriebene Fundamentdicke wurde nicht eingehalten. Der vom „Bauleiter“ Heigl realisierte Hausbau ging sehr schleppend voran. Seine „Bauberater“ waren ihm keine Hilfe, Dilettanten. Die schwerwiegenden Mängel am Fundament wurden übersehen. Nach der Fertigstellung war das Haus äußerlich ein Schmuckstück. Es hatte reichlich gekostet. Nicht wenige „Legionäre“ zogen ins Haus ein. Für den Fachmann war der Pfusch am Bau deutlich sichtbar. In der Zwischenzeit ist das Haus abbruchreif. Eine Investitionsruine. Bezahlt mit sächsischem Steuergeld. Einer der Hauptverantwortlichen, der „Bauleiter“ Heigl.

Weiter im Text

Der Vizepräsident, Herr Stefan Rix, zugleich Leiter der Abteilung 3, wurde 1964 in München geboren. Von 1983 bis 1989 studierte er Rechtswissenschaften (1. Juristische Staatsprüfung), an das sich ein Rechtsreferendariat (2. Juristische Staatsprüfung) anschloss. Von September 1993 bis Juli 2010 war er mit geringfügiger Unterbrechung im Sächsischen Staatsministerium der Finanzen als Referent, Referatsleiter sowie Abteilungsleiter Haushalt tätig. Seit August 2010 ist er Rechnungshofdirektor und wurde im Februar 2011 zum Vizepräsidenten des SRH gewählt. Er ist zuständig für die Prüfung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, der Hochbau- und Liegenschaftsverwaltung, des Sondervermögens Grundstock, des Staatsbetriebs „Sächsisches Immobilien- und Baumanagement“, des Staatsbetriebs „Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen“, des Mitteldeutschen Rundfunks, der staatlichen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen, der Bauausgaben aus allen Einzelplänen und der kommunalen Großbauten ab 10 Millionen Euro. Als Jurist!

Dem Abteilungsleiter 1, Herr Dr. Wilfried Spriegel (geboren 1952 in Dinkelsbühl), wurde laut Pressemitteilung vom 11.04.2008 am 14.04.2008 die Ernennungsurkunde zum neuen Rechnungshofdirektor überreicht. Nach dem Jurastudium war er zunächst elf Jahre als Staatsanwalt und Richter am Landgericht Ansbach tätig. Er gehörte ab 1992 zu den ersten Richtern, die beim Aufbau der sächsischen Justiz mithalfen. Nach Abordnung an das Landgericht Chemnitz im Jahr 1993 wurde er im Mai 1994 in den Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz versetzt und zum Vorsitzenden Richter am Landgericht Chemnitz ernannt. Zum 01.08.1994 übernahm Dr. Spriegel die Leitung des an diesem Tage neu errichteten Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal, dem er als Direktor bis zum 30.09.1997 vorstand. Zum 01.10.1997 erfolgte seine Ernennung zum Vizepräsidenten des Amtsgerichts Dresden. Von Mai 2000 bis September 2002 war Dr. Spriegel als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dresden tätig. Zum 01.10.2002 wurde er zum Präsidenten des Amtsgerichts Leipzig ernannt. Herr Dr. Spriegel ist als Mitglied des SRH für die Prüfungen des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, des MDR, des zentralen Liegenschaftswesens und der allgemeinen Finanzverwaltung zuständig.

Der 1957 in Karl-Marx-Stadt geborene Herr Peter Teichmann ist Abteilungsleiter 2. Laut Pressemitteilung des SRH vom 02.02.2011 erwarb er 1981 einen Hochschulabschluss an der TU Dresden als Diplomingenieur. Er war zunächst als Ingenieur für Projektierung tätig, bevor er 1994 in die Kommunalverwaltung wechselte. Herr Teichmann arbeitete über 16 Jahre bei der Stadtverwaltung Dresden in verschiedenen Funktionen in den Bereichen Kommunalwirtschaft, Umwelt und Controlling. Als Mitglied des Rechnungshofs und zuständiger Leiter der Prüfungsabteilung der überörtlichen Kommunalprüfung hat er zugleich die fachliche Aufsicht über die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter in Löbau, Wurzen und Zwickau. Zur überörtlichen Kommunalprüfung gehören insbesondere die Prüfung der Landkreise, Kreisfreien Städte und Gemeinden sowie der Verwaltungsverbände, regionalen Planungsverbände, Wasser- und Bodenverbände als auch die Prüfung kommunaler Beteiligungen und Unternehmen in Privatrechtsform.

Der Abteilungsleiter 4, Herr Gerold Böhmer (geboren 1966 in Paderborn), wurde laut Medieninformation 1 / 2013 des SRH vom 08.01.2013 nach seiner Ernennung zum Rechnungshofdirektor am 03.01.2013 in sein Amt eingeführt. Nach dem Volkswirtschaftsstudium in Münster trat er 1993 in die sächsische Landesverwaltung ein. Er war rd. 18 Jahre im Sächsischen Staatsministerium der Finanzen u. a. als Referatsleiter für die Aufstellung des Gesamthaushaltes, finanzpolitische Grundsatzfragen und rd. 2 Jahre als Referatsleiter in der Sächsischen Staatskanzlei tätig. Er ist zuständig für die Prüfungen der Sächsischen Staatsministerien für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Soziales und Umwelt und Landwirtschaft. Darüber hinaus ist er im Bereich der allgemeinen Finanzverwaltung für die Prüfungen der Betriebe und Beteiligungen, Staatsbürgschaften und Steuern zuständig.

Kleines Zwischenfazit

Wie steht es um die Fachkompetenz der Mitglieder des Kollegiums zum Prüfungswesen? Sie rätseln? Richtig, es ist davon weit und breit nichts zu erkennen. Für den Gesetzgeber, das Sächsische Parlament, kein Problem. Für ihn sind diese Fachkenntnisse nicht erforderlich und demnach unbedeutend! Es reicht aus, wenn gemäß § 4 Rechnungshofgesetz (RHG) die Mitglieder des Rechnungshofes über eine abgeschlossene Hochschulausbildung und langjährige Berufserfahrung im öffentlichen Dienst verfügen. Ein Drittel der Mitglieder muss die Befähigung zum Richteramt haben. Jedes Unternehmen würde mit einer solchen Personalpolitik in kurzer Zeit vom Markt verschwunden sein.

Aber warum setzt die Sächsische Landeregierung keine wirklich kritischen Prüfer ein? Mehr dazu im nächsten Teil  der Serie, gleich morgen an dieser Stelle.

Buchtipp: Klaus Richard Grün “Finanzrevisor Pfiffig aus der DDR”, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2012, 22 Euro

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6 Tage habe ich für dieses Kunstwerk im Garten Modell gesessen. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

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