Leipzig wächst nicht nur. Es verändert sich rasant. Es wird immer jünger. Und bunter. Und der Sozialbürgermeister möchte dabei wohl zuweilen vor Verzweiflung an die Decke springen. Denn er muss das ausbaden. Man darf durchaus staunen, mit welcher Geduld Sozialbürgermeister Thomas Fabian und seine Mitarbeiter überhaupt noch arbeiten können, obwohl sie nun eigentlich seit zehn Jahren auf offener Flamme gemartert werden, weil sie beim Ausbau von Schulen und Kitas nicht hinterherkommen.

Aber unsere Vermutung ist: Irgendwo zwischen Dresden und Leipzig sind alle Leitungen gekappt. Oder die Leipziger Telefonnummern sind in der Staatsregierung allesamt gesperrt, weil Leipzig seit dem Jahr 2000 einen Kurs nimmt, der so überhaupt nicht zum sächsischen Schrumpfungs-, Spar- und Abbaukurs passt. Leipzig wächst. Und das nicht nur, weil junge Leute die hiesige Kultur- und Kneipenszene so toll finden, sondern weil hier seit 2005 etwas gegriffen hat, was seitdem den Zuzug nach Leipzig beständig befeuert. In der Stadt (und nicht nur im rumorenden Nordraum) entstehen jedes Jahr 5.000, 6.000 neue Arbeitsplätze.

Arbeitsplätze locken ganze Familien in so eine Stadt, aber auch junge Leute, die dann logischerweise Familien gründen. Mit dem Ergebnis, dass Thomas Fabian jedes Jahr seine Planungen für Kitas und Schulen nach oben korrigieren muss.

Im Vorspann des neuen Quartalsberichtes gibt es einen kurzen Text und eine Grafik, die deutlich machen, was diese Dynamik eigentlich bedeutet.

Lesen kann man: „Ende 2017 waren rund 82.000 mehr als 2010 gemeldet, das entspricht einem Plus von 16,0 Prozent. Die Altersgruppe der unter 18-Jährigen nahm im gleichen Zeitraum um 25.435 Personen, d.h. um 38 Prozent zu.“

Ergebnis allein für den Kita-Bereich: fast 4.750 Kinder im Krippenalter mehr als 2010 und weitere rund 4.600 Kinder im Kindergartenalter. Und wer sich erinnert: Schon 2010 waren die Kita-Plätze in Leipzig hart umkämpft. Die „zusätzlichen“ Kinder bedeuten – bei einer Durchschnittskapazität von 180 Plätzen pro Kita – satte 52 zusätzliche Kitas, die in dieser Zeit hätten entstehen müssen.

Ein Blick in die alten Statistiken: 2010 gab es in Leipzig 210 Kitas, 2017 waren es 251. Die Stadt hat es also geschafft, 41 weitere Kitas zu bauen. Aber 10 fehlten eindeutig. Logisch, dass sich die Lage an der Kita-Front nicht die Bohne entspannte und Thomas Fabian 2016 zugeben musste, das das heiß ersehnte Ziel nicht erreicht werden würde. Daraus folgte dann 2017 das viel diskutierte Kita-Extra-Paket, das OBM Burkhard Jung und Finanzbürgermeister Torsten Bonew mit heißer Nadel strickten: 45 Millionen Euro extra für 13 neue Kitas, von denen nun 12 zumindest auf den Weg gebracht wurden.

Dass Fabian so hinterherhing, hat eindeutig mit der hundsmiserablen Finanzausstattung der sächsischen Kommunen zu tun. Sie haben einfach nicht das Investitionsgeld zur Verfügung, um auch nur die dringend benötigten Bedarfe zu bauen.

Und dass Jung und Bonew jetzt auch noch ein 150-Millionen-Euro-Paket für den Schulneubau nachgeschoben haben zeigt, dass auch hier zehn Jahre lang mit viel zu wenig Geld gearbeitet werden musste. Man hängt heillos hinterher. Denn gegenüber den Zahlen von 2010 sind inzwischen noch einmal 17.000 Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren dazugekommen.

Auch das kann jeder ausrechnen: Bei 300 Schülern pro Schule wären das 56 neue Schulen.

2010 hatte Leipzig 142 Schulen am Netz, 2017 waren es – nun ja – 151. Sind ja nicht nur wir, die sich die ganze Zeit wundern, wie lange es dauert, bis eine Schule geplant, beantragt, genehmigt und gebaut ist. Aber nur zehn neue Schulen bei so einem Wachstum? Da wundert man sich nicht mehr über überfüllte Klassen, Containerlösungen und einen still schwelenden Zorn auf Grundstücksbesitzer, die seit zehn Jahren wichtige Schulbaupläne einfach ausgesessen haben: Ist doch mein Land, warum sollte ich das der Stadt geben?

Und die wieder etwas geburtenstärkeren Jahrgänge sind gerade einmal in den Grundschulen angekommen. Das heikle Thema Oberschulen und Gymnasien kommt erst. Burkhard Jung hätte kein Jahr länger zögern dürfen, so ein 150-Millionen-Programm aufzulegen, obwohl es, wenn man genau hinschaut, auch nur ein beklemmend kleiner Tropfen auf den heißen Stein ist. Ein Schulneubau kostet nun einmal um die 25 Millionen Euro. Und bei zwingend gebrauchten sechs neuen Schulen im Jahr kann sich jeder die fälligen Investitionskosten selbst ausrechnen: 150 Millionen Euro. Jedes Jahr seit 2010. Leipzig hatte aber immer nur die Hälfte dafür übrig. Und für mehr gab’s auch kein Fördergeld.

Deutliches Zeichen dafür, dass in Dresden wirklich niemand den Telefonhörer abnimmt, wenn jemand aus Leipzig anruft.

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