Die Krise am Wohnungsbau macht sich auch in Leipzig bemerkbar, auch wenn hier tatsächlich noch Wohnhäuser gebaut werden, während anderswo längst nichts mehr geht. Was direkt mit dem Bevölkerungswachstum der Stadt zu tun hat. Trotzdem steigt die Zahl der zwar genehmigten, aber dann doch nicht gebauten Wohnungen, wie Dr. Andrea Schultz im neuesten Quartalsbericht der Stadt mit Zahlen untermauert.

Das sind zwar erst einmal nur die bis 2022. Aber auch da zeichnete sich schon ab, dass die drastisch gestiegenen Energiepreise und die gestiegenen Zinsen viele Bauprojekte unrentabel gemacht haben.

„Im Jahr 2022 wurden in Leipzig 2.336 Wohnungen fertiggestellt. Das waren zwar mehr als 2021 (1.833 Wohnungen), jedoch deutlich weniger als noch 2020 (3.372 Wohnungen). Seit der Jahrtausendwende wurden in Leipzig pro Jahr zwischen 661 (2010) und 4.079 (2000) Wohnungen realisiert, eine durchaus wechselhafte Entwicklung“, stellt Andrea Schultz in ihrem Kurzbeitrag im Quartalsbericht fest. „Während die Zahl der fertiggestellten Wohnungen alternierend in den Jahren verläuft, folgt der so genannte Bauüberhang einem klaren Trend und ist seit 2011 deutlich auf aktuell über 10.000 Wohnungen gestiegen.“

Eigentlich erzählt ein Bauüberhang davon, dass die darin gezählten Wohnungen dann in nächster Zeit doch auf den Markt kommen. Doch der Leipziger Bauüberhang wächst und wächst.

Das muss freilich kein schlechtes Zeichen sein.

Die Rolle der Mehrfamilienhäuser

„Zu den Gründen des wachsenden Bauüberhangs in Leipzig fanden bisher keine dezidierten Untersuchungen statt“, stellt Dr. Andrea Schultz aus dem Amt für Statistik und Wahlen fest., „Allerdings gibt es Erkenntnisse aus deutschlandweiten Untersuchungen, denn Leipzig ist hier kein Einzelfall.“

Entwicklung des Bauüberhangs in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Quartalsbericht 4 / 2023
Entwicklung des Bauüberhangs in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Quartalsbericht 4 / 2023

Dabei kann sie aus einer Untersuchung des Bundesamtes für Bau-, Stadt und Raumforschung aus dem Jahr 2023 zitieren: „Der gestiegene Bauüberhang hat zwei zentrale Gründe. Der wichtigste ist der Anstieg der Zahl der genehmigten Wohnungen selbst. Je mehr Wohnungen genehmigt werden, desto höher ist der Bauüberhang, da der Bau selbst Zeit in Anspruch nimmt. Die deutliche Steigerung liegt auch daran, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Genehmigungen bei den Mehrfamilienhäusern (MFH) überproportional angestiegen ist und diese grundsätzlich eine längere Bauzeit als Ein- und Zweifamilienhäuser haben. Im Geschosswohnungsneubau können 59 Prozent des Anstiegs des Bauüberhangs durch den Anstieg der Genehmigungen und dem damit verbundenen Struktureffekt erklärt werden. […] Die zweite Ursache ist eine Verlängerung der Baudauer, d. h. der Zeit zwischen Genehmigung und Fertigstellung. Im Geschosswohnungsneubau stieg die mittlere Baudauer von 1,9 Jahren in 2013 um knapp fünf Monate auf 2,3 Jahre in 2019. Die durchschnittliche Baudauer bei neuen Ein- und Zweifamilienhäusern hat sich seit 2015 um 0,15 Jahre bzw. rund 2 Monate auf 1,6 Jahre verlängert.“

Das trifft auch für Leipzig zu, stellt Andrea Schultz fest: „Wurden 2011 noch 968 bzw. in 2012 nur 479 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt, wuchs ihre Zahl bis zum Jahr 2020 auf 4.483 an. Im Jahr 2022 wurden noch 2.931 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt, was gegenüber 2011 immerhin noch eine Verdreifachung darstellt.“

Wenn Baugenehmigungen erlöschen

Aber im Bauüberhang stecken inzwischen auch etliche Wohnungen, die wahrscheinlich nie gebaut werden. Baugenehmigungen erlöschen mit der Zeit. Und dieses Phänomen wird sich wohl noch verstärken, stellt die Autorin fest: „Dass mit einem Bauvorhaben gar nicht erst begonnen oder der Bau eingestellt wurde, kommt ebenfalls immer häufiger vor und hat vielfältige Gründe. Im Jahr 2022 sind die Baugenehmigung für 562 Wohnungen erloschen. Nach sächsischer Bauordnung erlischt die Baugenehmigung, wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen oder die Bauausführung länger als zwei Jahre unterbrochen wurde. Besonders stark nahm die Zahl der erloschenen Baugenehmigungen in den Jahren 2020, 2021 und 2022 zu. Das heißt, es geht in der Regel um Bauanträge, die in den Jahren 2017 bis 2019 gestellt wurden. Zum Vergleich: 2011 lag die Zahl der erloschenen Baugenehmigungen in Mehrfamilienhäusern nur bei 41 Wohnungen. Die Zahl der erloschenen Bauanträge hat sich folglich seit 2011 um den Faktor 13 erhöht.“

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