„Die Diskussionen um die Pendlerpauschale laden dazu ein, einmal auf die Arbeitswege der Leipzigerinnen und Leipziger zu schauen“, schreiben Leipzigs Statistiker/-innen im jüngsten Quartalsbericht der Stadt. Die Pendlerpauschale ist natürlich ein Politikum – gerade für Menschen, die ihren Arbeitsplatz nicht in derselben Stadt haben und oft weite Strecken mit dem Auto zurücklegen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Und das Erstaunliche ist: Diese Ungleich-Verteilung der Arbeitswege spiegelt sich sogar in der Leipziger Bürgerumfrage von 2023, aus der die Pendlerdaten stammen.

„21,2 Kilometer legen die Leipzigerinnen und Leipziger für den Weg zur Arbeits- oder Ausbildungsstelle durchschnittlich zurück“, heißt es im Quartalsbericht 4/2024. „Bei Männern ist der Arbeitsweg mit 25,0 Kilometern signifikant länger als bei Frauen, die durchschnittlich 14,9 Kilometer zurücklegen.

Die Durchschnittswerte sind jedoch von wenigen, sehr langen Arbeitswegen beeinflusst. Bei mehr als der Hälfte der Männer (58 Prozent) und bei zwei Drittel der Frauen (66 Prozent) ist die Arbeits- bzw. Ausbildungsstelle weniger als 10 Kilometer von der Wohnung entfernt.“

Die meisten Leipziger/-innen haben ihren Arbeitsplatz in der Stadt. Was freilich auch dort die Länge der Arbeitswege bestimmt. Denn die kürzesten Wege haben just jene Leipziger, die in Zentrumsnähe ihrer Arbeit nachgehen und sich gleichzeitig die durchaus nicht billigen Wohnungen dort leisten können.

Oder mit den Worten aus dem Quartalsbericht: „Deutliche Unterschiede bestehen zwischen den Leipziger Stadtbezirken. Sehr kurze Wege hat die erwerbstätige Bevölkerung des Stadtbezirks Mitte. Bei gut der Hälfte der Erwerbstätigen in Mitte liegt die Arbeits- bzw. Ausbildungsstelle weniger als 5 Kilometer von der Wohnung entfernt. Demgegenüber haben nur 15 Prozent der Erwerbstätigen des Stadtbezirks West (Grünau) und 17 Prozent der Erwerbstätigen in Nordwest derart kurze Arbeits- oder Ausbildungswege.“

Eine Frage des Einkommens

Und da werden die Pendlerwege ganz eindeutig zu einer Frage des Einkommens. Wer zum Arbeiten in die Gewerbegebiete im Norden oder Süden der Stadt muss, kommt ohne Auto praktisch nicht aus. Und das betrifft in besonderem Maße die Bewohner von Leipzig-West, also Grünau, wo 34 Prozent der Befragten Arbeitswege von mindestens 15 Kilometern haben, gefolgt von Altwest und Südwest, wo es 27 und 26 Prozent sind.

Die Ergebnisse machen aber auch deutlich, dass nicht das produzierende Gewerbe, das zumeist am Stadtrand lokalisiert ist, in Leipzig die meisten Arbeitsstellen bietet, sondern die Dienstleistung in all ihren Ausprägungen und mit vielen innerstädtischen Bürojobs. Die Befragten erleben also nicht nur unterschiedlich lange Arbeitswege, sondern auch völlig verschiedene Arbeitswelten. Und sie sehen jeden Tag völlig unterschiedliche Teile der Stadt.

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Es gibt 5 Kommentare

Wer mal versucht hat, tangential zu einer größeren Stadt zu pendeln, weiss warum man dazu idR ein Auto braucht (zB von Schleussig nach Schkeuditz). Mit den Öffis bedeutet das: rein ins Zentrum Umsteigen und wieder raus. In einer Stadt wie München kann einem das bei einer Entfernung von Luftlinie 10-15km zum neuen Arbeitsplatz passieren – mit Glück evtl mit Fahrrad, aber meist zeitlich nicht mit Öffis machbar.

Warum diese Strukturen entstanden sind? Warum es die Pendlerpauschale gibt, und weit draußen irgendwelche Neubaugebiete (Starsiedel, Brandis, usw)??

…vor allem ist das Verkehrsmittel für die Steuererklärung im Prinzip egal bei der Berechnung der Pendlerpauschale. Auch Radler oder Zugfahrer bekommen sie.

> “Wer hat die denn gezwungen, das so einzurichten!? Das ist doch die Folge selbst getroffener Lebensentscheidungen. Wieso soll die Allgemeinheit da Geld zuschießen…”
Ich war vor einigen Jahren 9 Monate lang arbeitslos im H4-System. Pro Monat etwa 10-15 Bewerbungen. Die Arbeit, die ich dann antreten konnte, lag 87 km einfache Strecke entfernt. War es meine Schuld, sie anzutreten? Zu blöd von mir? Einfach weiter beim Amt bleiben, bis etwas günstigeres kommt?

“Das ist doch die Folge selbst getroffener Lebensentscheidungen”
Das ist doch wohl etwas zu einfach gedacht. Die Entscheidung über den Arbeitsort trifft der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer kann nur mit Kündigung darauf reagieren. Wobei er dann prompt vom Arbeitsamt bestraft wird. Nur die Hochqualifizierten haben da eine gewisse Mitsprachemöglichkeit oder können sich einen Umzug in eine neue Wohnung leisten. Wenn sie wollen, meistens gib es genügend Gründe den Wohnort zu halten (bezahlbare Wohnung, Kinder, Arbeitsort des Partner, Eltern, soziales Umfeld, …). Ich hoffe mal nicht das die vorherigen Kommentare von einen Arbeitnehmer als Ernährer der Familie und Bestimmer ausgehen, der bei einem angewiesenen anderen Arbeitsort, die Familie zwingt umzuziehen. Abschließend kann das Arbeitsamt einen auch ohne Möglichkeit eines Umzuges zu einem Weitpendler machen:
“Welcher Arbeitsweg ist zumutbar? Für Beschäftigte liegt ein zumutbarer Arbeitsweg selbst dann noch vor, wenn sie eine Strecke von 180 Kilometern zurücklegen müssen. So entschied es das Landesarbeitsgericht Nürnberg in einem Urteil vom 04.11.2008 (AZ 6 Sa 225/08).”

Das sehe ich ähnlich.
Sicher wird auf solche Aussagen auch herumgejammert werden, dass es zu wenig Wohnungen am Arbeitsort gibt, oder eben am Wohnort zu wenig Arbeitsplätze.
Ja, das ist zum Teil so.
Aber dass ich “oft weite Strecken mit dem Auto” zurücklegen muss, ist auch eine eigene Lebensentscheidung, die man abmildern kann.
Die Pendlerpauschale ist eher eine Subvention für Firmen, die sich gegenseitig Konkurrenz machen wollen. So wird ein “natürliches Gefälle” von Angebot / Nachfrage von Arbeitsplätzen und Wohnungen zunichte gemacht. Dann muss man sich nicht wundern, das es sich an bestimmten Orten ballt.
Und in der Pampa der letzte Hund verreckt. Inmitten von Retortensiedlungen.

Die Pauschale müsste man mindestens begrenzen, z.B. max. 10km , und dann nichts mehr oder nur stark abgesenkt.
Eigentlich gehört sie abgeschafft. Denn dass ich mir Arbeitnehmer aus weit entfernten Gegenden anwerbe und damit Kapital schlage, ohne das diese AN umziehen, und das auf Kosten der Steuerzahler, ist indiskutabel.
Und alles andere als nachhaltig und ökologisch. Zudem rücksichtslos den entfernten Kommunen gegenüber.

“…Menschen, die ihren Arbeitsplatz nicht in derselben Stadt haben und oft weite Strecken mit dem Auto zurücklegen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen…”

Wer hat die denn gezwungen, das so einzurichten!? Das ist doch die Folge selbst getroffener Lebensentscheidungen. Wieso soll die Allgemeinheit da Geld zuschießen (Pendlerpauschale)???

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