Es gehört zu den Standards der Leipzigeg Bürgerumfrage, die Leipziger auch zu fragen, wie zufrieden sie eigentlich mit diversen Aspekten der Stadt sind. Immerhin stehen Städte ja bekanntlich in Konkurrenz zueinander und Stadtverwaltungen bemühen sich, es den Einwohnern so schön wie möglich zu machen. Auch wenn sie nicht alle Aspekte beeinflussen können. „So sind 82 Prozent der Befragten (sehr) zufrieden mit dem Angebot an Kunst und Kultur, damit wird das Niveau von 2023 nahezu gehalten“, freuen sich Leipzigs Statistiker/-innen nun in der Auswertung der Bürgerumfrage 2024.

Aber die Leipziger können auch ungnädig reagieren: „Mehr als jede/r Zweite ist demgegenüber mit dem Straßenzustand (sehr) unzufrieden.“ Aber die Aussage hat ihre Tücken. Nicht jeder Befragte kann zu allen abgefragten Dingen auch eine Einschätzung aus eigenem Erleben abgeben. „( …) während fast alle Befragten eine Einschätzung zum Straßenzustand abgeben (können), ist der weiß-nicht-Anteil bei den Items Jugendfreizeiteinrichtungen sowie Alten- und Pflegeheimen mit über 50 Prozent sehr hoch.“

Und der Effekt verstärkt sich auch noch, wenn ahnungslose Befragte dann trotzdem ihre Einschätzung abgeben. Wenn die Alten z.B. die Situation der Jugendangebote mit 13 Prozent zufrieden / sehr zufrieden deutlich schlechter einschätzen als die jungen Leute, die sich zu 37 Prozent zufrieden / sehr zufrieden äußern. Einen ähnlichen Effekt gibt e bei der Einschätzung von Freizeitsportanlagen.

Aber auch beim Thema öffentliche Sicherheit / Schutz vor Kriminalität gibt es diese Widersprüche. Während die über 65-Jährigen hier nur zu 8 Prozent Zufriedenheit äußern, sind es bei den 18- bis 34-Jährigen 40 Prozent. Was nicht ganz unwichtig ist, denn die Alten bestimmen auch durch ihre deutlich größere Zahl die Wahlen und damit die Politik in Leipzig, setzen also ihre – gefühlten – Themen deutlich stärker durch als die jungen Leipziger.

Die Zufriedenheit der Leipziger mit den Angeboten der Stadt. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024
Die Zufriedenheit der Leipziger mit den Angeboten der Stadt. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024

Was noch deutlicher wird, wenn direkt nach den Problemen der Stadt gefragt wird. „Wohnen und Sicherheit sind die beiden Themen mit den ausgeprägtesten Altersdifferenzen“, stellen die Autor/-innen des Berichts zur Bürgerumfrage dazu fest. „Das insgesamt größte städtische Problemfeld Wohnen wird vornehmlich von der jungen Erwachsenenbevölkerung thematisiert.

Für zwei Drittel der 18- bis unter 35-Jährigen ist Wohnen eines der größten städtischen Probleme. Für die ältere Stadtbevölkerung stellt dies deutlich seltener ein Problem dar. Sie leben etwas häufiger im Wohneigentum, befinden sich sehr häufig in Langzeitmietverträgen (Median 20 Jahre) und planen nur selten einen Umzug (3 Prozent ja, 15 Prozent möglicherweise). Eine angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt wirkt sich folglich auf diese Altersgruppe weniger stark aus.“

Wen die Probleme der jungen Leipziger nicht die der alten sind

Und es gibt noch weitere Themenkomplexe, bei denen die Sichweisen der Älteren und der Jüngeren gravierend auseinander gehen.

„Auch beim Themenkomplex Kriminalität und Sicherheit zeigt sich die unterschiedliche Problemwahrnehmung in Abhängigkeit vom Alter sehr klar. Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren erachten Kriminalität und Sicherheit mit 70 Prozent (+3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr) als das mit Abstand größte städtische Problem.

Für junge Erwachsene hat das Themenfeld Kriminalität und Sicherheit nur mittlere Relevanz. 20 Prozent von ihnen benennen dieses Problemfeld; eine ähnliche Spreizung und Muster der Benennung zeigt sich auch beim Thema Sauberkeit und Ordnung“, heißt es im Bericht.

Leipzigs größte Probleme aus Sicht der befragten Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024
Leipzigs größte Probleme aus Sicht der befragten Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024

Und dabei hat sich an den tatsächlichen Kriminalitätszahlen in Leipzig gar nichts zum Schlechteren verändert. Oft macht lediglich der Ton die Musik – das heißt: die mediale Berichterstattung. Oder noch genauer: Das, was die alten Leute an Medien konsumieren. Und auch die sogenannten klassischen Medien haben ihren Tonfall bei der Berichterstattung über Kriminalität deutlich verschärft, weil es um Klickzahlen und Aufmerksamkeit geht.

Der Alarm entsteht im Kopf. Selbst wenn die Konsumenten der Medien von der tatsächlichen Kriminalität gar nichts mitbekommen.

Armut und Gesundheitsversorgung

Auch „das Thema Verkehr wird unabhängig vom Alter als großes städtisches Problem erachtet; Armut und Einkommen ist hingegen insbesondere für jüngere Personen von Bedeutung und stellt in der Rangfolge das Top 3 Thema dar.“ Wobei es schon alarmierend genug ist, wenn 39 Prozent der Jüngeren die Armut als Problem in Leipzig sehen.

Sie kämpfen ja nicht nur mit der oft vergeblichen Suche nach bezahlbarem Wohnraum, sie sind auch diejenigen, die in wirtschaftliche Krisenzeiten erst gar keinen Job finden oder als erste wieder auf der Straße stehen, wenn die Krise zuschlägt. Und dazu kommt auch auf Bundesebene mittlerweile eine Politik, die sich fast nur noch um die Themen der Alten kümmert. Die aktuelle Rentendebatte erzählt davon mehr als genug.

Bleibt noch das schöne Thema Umwelt: „Das Thema Umwelt verliert insgesamt leicht an Bedeutung als städtisches Problem. Bei der Bewertung zeigen sich jedoch Altersunterschiede: Für die unter 35-Jährigen sind Umweltprobleme wichtiger als Wirtschafts- und Beschäftigungsthemen. Die 35- bis 49-Jährigen hingegen sehen Wirtschaft und Beschäftigung als das größere Problem – im Vergleich zu Umwelt – an.“

Neu abgefragt wurde mit der Bürgerumfrage 2024 das Thema Gesundheitsversorgung. Und natürlich gehen auch hier die Einschätzungen weit auseinander: „Die Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung – ein neues Item im Kommunalbarometer – zeigt auf den ersten Blick überraschende Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Generell sind Jüngere zufriedener und Ältere unzufriedener, überraschend erscheint jedoch, dass bei Befragten im Rentenalter die Zufriedenheit höher ist als in der Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen.

Grundsätzlich ist die allgemein verfügbare Gesundheitsversorgung in Deutschland im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch, insbesondere die einkommensunabhängige Grundversorgung sticht dabei hervor (OECD/European Commission, 2024). Gleichwohl steigen die Sorgen bezüglich dieses Aspektes und laut PWC (Kronberger, 2025) erreicht die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem einen Zehnjahrestiefstand. Neben Alter und Geschlecht besitzen unter anderem das Nettoäquivalenzeinkommen und die Lebenszufriedenheit signifikante Einflüsse auf die Bewertung des Gesundheitssystems.“

Womit an dieser Stelle auch deutlich wird, dass die Höhe des Einkommens in praktisch allen abgefragten Bereichen beeinflusst, wie zufrieden oder unzufrieden die Befragten mit dem Angebot sind, ob sie es überhaupt nutzen können oder Erfahrungen damit machen, dass die finanziellen Hürden für sie zu hoch sind. Denn wenn Teilhabe aufgrund von Geldbarrieren nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, steigen natürlich Frust und Unzufriedenheit.

Und da lohnt sich natürlich der Blick auf den Zeitverlauf. Denn während einst dominierende Probleme wie Verkehr, Kitas und Schulen im Zeitverlauf weniger stark als Probleme wahrgenommen werden, hat die Problemwahrnehmung bei Armut, Einkommen und Wohnen deutlich zugenommen. Was natürlich auch zeigt, dass ein wachsender Anteil der Stadtbevölkerung immer mehr Probleme hat, mit dem eigenen Einkommen in der teurer werdenden Stadt zurechtzukommen.

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