Die drastischen Anstiege bei Energiepreisen und Lebenshaltungskosten ab 2022 haben bei vielen Leipzigern heftige Folgen gezeitigt. Trotz – statistisch – gestiegener Erwerbseinkommen erlebten die meisten Leipziger einen realen Nettoeinkommensverlust. Was in einer Stadt wie Leipzig auch deshalb so gravierend ist, weil die meisten Leipziger nur über mittlere bis kleine Einkommen verfügen. Wenn der Einkauf im Supermarkt, Miete und Heizkosten immer teuer werden, trifft sie das doppelt.

„Die beschriebenen hohen Inflationsraten zwischen 2021 und 2023 haben erhebliche Folgen für die finanzielle Situation der Leipzigerinnen und Leipziger“, fasst denn auch der Bericht zur Bürgerumfrage zusammen, was das dann für Folgen für die Nettoeinkommen der Leipziger hatte.

„Bei Berücksichtigung der Leipzig-spezifischen Inflationsrate fand zwischen 2021 und 2023 ein faktischer Einkommensrückgang statt. Das heißt, die Verbraucherpreise sind im Mittel deutlich stärker gestiegen als die Einkommen. Faktisch fand ein Kaufkraftverlust statt.

Im Jahr 2024 konnte für die Gesamtgruppe der Leipzigerinnen und Leipziger erstmalig wieder ein – wenn auch kleiner – Anstieg der Realeinkommen festgestellt werden. Dennoch haben die mittleren Einkommen noch nicht wieder das Niveau von 2021 erreicht. Das Kaufkraftniveau hat sich folglich noch nicht wieder vollständig erholt.“

Zur Entwicklung der Nettoäquivalenzeinkommen in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024
Entwicklung der Nettoäquivalenzeinkommen in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024

Und was die Statistik auf den ersten Blick nicht zeigt: Die hohen Einkommenszuwächse kamen auch fast nur jenen Angestelltengruppen zugute, die in tarifgebundenen Unternehmen oder dem öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Das wird zumindest angesprochen, wenn der Bericht auf die einzelnen Quintile der Einkommen eingeht, also in diesem Fall auf die oberen und die unteren 20 Prozent der Einkommen, die Gutverdiener und die Armen.

„Bei Betrachtung der einkommensstärksten 20 Prozent aller Leipzigerinnen und Leipziger fällt die dynamische Einkommensentwicklung ab 2016 ins Auge. Demgegenüber konnten die einkommensschwächsten 20 Prozent zwar auch Einkommenszuwächse verbuchen, die monetäre Differenz zwischen beiden Gruppen wird in absoluten Beträgen jedoch immer größer.

Betrug die Einkommensdifferenz zwischen dem oberen und unteren Quintil 2014 noch circa 1.100 Euro, waren es 2024 bereits rund 1.610 Euro. Die relative Einkommensdifferenz blieb dagegen nahezu unverändert. 2014 lag das untere Quintil der Einkommensverteilung bei 43 Prozent und 2024 bei 44 Prozent des obersten Quintils.

Auch die Einführung des Mindestlohns 2014 mit regelmäßigen Anpassungen auf 12,41 Euro pro Stunde (Oktober 2024, Erhebungsphase) und die Einführung des Bürgergeldes konnten die Entwicklung der absoluten Einkommensdifferenz zwischen den reichsten und ärmsten 20 Prozent nicht stoppen.“

Wachsende Ungleichheit

Was dann durchaus heißen kann, dass die oberen Einkommensgruppen durch ihre Einkommenszuwächse die Inflation gut ausgleichen konnten, die Leipziger in den unteren Einkommensgruppen aber trotzdem deutliche Verluste bei der Kaufkraft hinnehmen mussten. Und sich natürlich so langsam abgehängt und aussortiert fühlen. Ein Befund, den die Hans-Böckler-Stiftung nun in eine Studie auch für ganz Deutschland aufmacht, wie am Donnerstag, dem 20. November, der „Spiegel“ berichtete.

Zur  Spreizung der Nettoäquivalenzeinkommen in Leipzig. Grafik: Stadt  Leipzig, Bürgerumfrage 2024
Die Spreizung der Nettoäquivalenzeinkommen in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2024

„Trotz Mindestlohn hätten Personen mit niedrigen Einkommen von der relativ positiven Wirtschafts- und Einkommensentwicklung im vergangenen Jahrzehnt vergleichsweise wenig abbekommen, heißt es in der Studie. Zudem seien solche Menschen von den Krisen seit 2020 am stärksten betroffen gewesen“, heißt es.

Und das hat Folgen: „Die wachsende Ungleichheit schadet laut der Studie auch dem Vertrauen in staatliche und demokratische Institutionen. So gab rund ein Viertel der Erwerbspersonen unterhalb der Armutsgrenze an, der Polizei wenig oder gar nicht zu vertrauen, knapp ein Drittel zeigte geringes Vertrauen in Gerichte. Parallel dazu fällt die Wahlbeteiligung in unteren Einkommensgruppen niedriger aus als in höheren – auch wenn sie bei der Bundestagswahl 2025 insgesamt gestiegen ist.“

Was nur zu verständlich ist, wenn alle Mühe nicht mit wirklich steigenden Einkommen belohnt wird, sondern die Kosten der jeweiligen Krisen fast ungebremst nach unten durchgereicht werden. Wie krass die Unterschiede beim Erwerbseinkommen sind, zeigt allein schon die Spanne der durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen der oberen 20 Prozent, die 2024 immerhin auf 3.111 Euro pro Monat kamen, und der unteren 20 Prozent, die mit 1.593 Euro nur etwas über die Hälfte zur Verfügung hatten.

Und die meisten Leipziger liegen eher im unteren Bereich als im höheren, werden also von der Inflation deutlich härter getroffen als die Besserverdiener. Und dürften dementsprechend oft genug das Gefühl haben, doch eigentlich zu den Armen und Abgehängten zu gehören – trotz Arbeit.

Wie rechnet Leipzig dann also seine Armutsquote aus und wo liegt die tatsächlich? Dazu kommen wir im nächsten Beitrag.

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