Union und SPD haben sich in der Nacht zu Donnerstag auf eine Bürgergeld-Reform geeinigt. Wer nicht macht, was das Jobcenter sagt, soll künftig schneller und härter bestraft werden. Während die sächsische SPD-Landesvorsitzende ankündigt, die Reform zügig umsetzen zu wollen, sprechen die Jusos von einem „Rückfall in alte Denkmuster“.

Wenn arbeitslose Sozialleistungs-Empfänger*innen wiederholt nicht zu Terminen beim Jobcenter erscheinen oder sich weigern, „Angebote“ für eine neue Arbeitsstelle anzunehmen, sollen sie 30 Prozent weniger Geld bekommen. Im Wiederholungsfall sollen die Geldleistungen komplett entfallen – inklusive der Kosten für die Unterkunft.

Während Grüne, Linke und Sozialverbände die Pläne scharf kritisieren, stellt SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas nüchtern fest: „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben.“ Was im Extremfall bedeutet: Wer nicht mitmacht, wird sich nicht mehr ernähren können und auf der Straße landen.

In den Ankündigungen ist auch von „Härtefällen“ die Rede, auf die man Rücksicht nehmen wolle. Das könnte beispielsweise Sozialleistungs-Empfänger*innen mit Kindern oder psychologischen Erkrankungen betreffen. Details sind aber noch nicht bekannt.

Kathrin Michel, Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der sächsischen SPD, möchte die Reform zügig umsetzen. „Unsere Solidargemeinschaft unterstützt Hilfebedürftige mit Existenzsicherung, Teilhabe, Qualifizierung und Vermittlung in Arbeit. Im Gegenzug erwartet sie die Mitwirkung derjenigen, die diese Unterstützung in Anspruch nehmen“, sagt Michel. Bei der Reform gehe es um „Gerechtigkeit und Fairness“.

Reform laut Jusos sozial ungerecht

Die sächsischen Jusos sehen das ganz anders. „Statt zu erklären, warum diese Reform sozial ungerecht ist, tut man so, als sei das ein sozialdemokratischer Erfolg“, beklagt der Landesvorsitzende Mats Rudolph. „In einem Land, in dem viele Menschen trotz Arbeit kaum über die Runden kommen, in dem Mieten und Energiepreise explodieren, wirkt so ein Auftritt wie aus einer anderen Realität.“

Rudolph kritisiert, dass die SPD den Forderungen von Bundeskanzler Friedrich Merz hinterherlaufe. Die geplanten Änderungen seien aber kontraproduktiv: „Das Bürgergeld sollte Menschen stabilisieren, die in einer Krise stecken – nicht sie mit neuen Hürden und Sanktionen drangsalieren.“

Ob die Bürgergeld-Reform überhaupt wie geplant umgesetzt werden kann, wurde zumindest am Donnerstag von vielen Seiten angezweifelt. 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass Kürzungen nicht als „Strafe“ verwendet werden dürfen. Nur in wenigen Fällen darf die Leistung komplett gestrichen werden. Das Gericht bemängelte damals, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gäbe, dass Sanktionen „geeignet“ seien.

Stattdessen drohen laut Gericht vor allem negative Konsequenzen: Wohnungsverlust, Schulden, gesundheitliche Probleme und Kriminalität.

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