Robert Clemen ist seit 2013 Kreisvorsitzender der CDU Leipzig. Die nach seinen Worten "letzte verbliebene Volkspartei" will wieder streitbarer werden, nachdem sie Flรผgelkรคmpfe der Vergangenheit รผberwunden hat. Der gebรผrtige Leipziger war von 1999 bis 2014 Mitglied des Sรคchsischen Landtages. Bis September 2015 war er ehrenamtlich Mitglied des Hรถrfunkrates und Programmausschusses des Deutschlandradios. Themen im L-IZ-Interview: Dialog, Flรผchtlingspolitik, Medien, Verkehrspolitik und die AfD.

Sie sind langjรคhrig im Programmausschuss des Deutschlandfunks gewesen. Was kรถnnen die Medien zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen?

Ich denke, dass die Medien schon sehr viel beitragen. Meiner Meinung nach wรคre es allerdings hilfreich, wenn sich die Medien in Deutschland mehr an die Grundsรคtze der BBC halten wรผrden: mehr berichten, weniger Meinungen verbreiten.

Also eine klare Trennung von Meinung und Bericht.

Die Meinung sollte nicht schon in den Bericht einflieรŸen. Stattdessen sollte es klar kenntlich gemacht werden, wo es darum geht, eine bestimmte Position zu vertreten. Ich glaube, dass das demokratische Meinungsspektrum breiter ist als das, was in Deutschland in den Medien abgebildet wird.

Michael Weickert, Stadtrat und Pressesprecher der CDU Leipzig, hatte erklรคrt: โ€œWir mรผssen den sozialen Frieden in der Stadt erhalten, indem wir auch auf diejenigen zugehen, die ร„ngste und Sorgen haben.โ€ Wie soll das konkret geschehen? Wie kann ein Dialog gelingen und wo sehen Sie die Grenzen des Dialogs?

Politik und Stadtverwaltung sollten im Idealfall gemeinsam Angebote an die Bรผrgerinnen und Bรผrger unserer Stadt machen, um รผber die generelle Entwicklung der Stadt zu sprechen. Leipzig wรคchst, und zwar bedeutend. Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Kriegsflรผchtlingen, Asylbewerbern und anderen Migranten, die nach Leipzig kommen. Wie kann die positive Entwicklung der Stadt auch unter diesen Bedingungen fortgesetzt werden? Welche perspektivischen Plรคne hat die Stadtpolitik und Stadtverwaltung? Da ist mir bis jetzt zu wenig geschehen โ€“ nicht nur in Leipzig.

Zu Leipzig wรผrde ich noch spรคter kommen, zunรคchst noch einmal zum Dialog โ€“ und zwar innerhalb der CDU. Es ist ja bekannt, dass es verschiedene Positionen innerhalb der CDU gibt. Wie gelingt es, diese so zusammenzufรผhren, dass die Partei mit einer Stimme spricht und sich trotzdem alle Mitglieder in ihr zu Hause fรผhlen?

Wir hatten am 29. Oktober ein sehr intensives Gesprรคch mit unserem Landesvorsitzenden und Ministerprรคsidenten Stanislaw Tillich. Dabei wurde tatsรคchlich deutlich, wie breit das Meinungsspektrum in unserer Partei ist. Wir haben es geschafft, in einer sehr konstruktiven Weise miteinander zu diskutieren. Es gibt ร„ngste, Vorbehalte, aber auch gรคnzlich andere Positionen als die, welche Angela Merkel vertritt. Es gibt aber auch positive Stimmen. Trotzdem war es mรถglich, alle zu hรถren und unter einem Dach zu bleiben. Es gelang, sich darรผber zu verstรคndigen, wie man einen breitestmรถglichen Konsens hinbekommt.

Gab es bei dem Treffen mehr Kritiker oder mehr Unterstรผtzer des Kurses von Angela Merkel?

Schwierig zu sagen. Es war so 50:50.

Sind es zwei Lager, die sich da gegenรผberstehen?

Nein. Das sind nur die Extreme. Es bewegt sich irgendwo dazwischen. Es gibt einige Mitglieder, die den Kurs von Angela Merkel strikt ablehnen. Es gibt einige, die ihn absolut befรผrworten. Das meiste aber liegt irgendwo dazwischen.

Konkreter nun zu Leipzig. Es sind viele Kirchgemeinden zusammen mit politischen Parteien in Initiativen tรคtig. Im Norden von Leipzig etwa in der Initiative โ€œWeltoffenes Gohlisโ€. Dort arbeiten die Kirchen mit SPD, Grรผnen und Linkspartei zusammen. Der Versuch, auch die CDU einzubinden, scheiterte. Gibt es รœberlegungen, sich zukรผnftig auch an solchen Initiativen zu beteiligen, um die eigenen Perspektiven in den Dialog einzubringen?

Ich habe das von Anfang an gesagt und ich halte diese Meinung aufrecht. Ich bin der รœberzeugung, dass man nicht die Ahmadiyya als Beispiel fรผr christliches Engagement anfรผhren sollte. Wir haben uns einmal etwas intensiver damit befasst, welche Positionen die Gemeinschaft zu bestimmten abendlรคndischen Traditionen hat โ€“ ob es nun Schwein essen oder das Kreuz als Symbol ist. Ich stehe wesentlichen Protagonisten der Ahmadiyya sehr kritisch gegenรผber. Wir mรผssen dem als Christen mit der in Europa รผblichen Toleranz begegnen, aber wir sollten das Engagement der Gemeinschaft nicht noch zusรคtzlich unterstรผtzen. Ich glaube, das geht ein bisschen zu weit. Glaubens- und Religionsfreiheit ist in Deutschland garantiert, das ist auch gut so, aber man muss dies nicht noch befรถrdern. Besonders wenn es sich um Gemeinschaften handelt, die ein sehr kritisches Bild von Christen haben.

Sie hatten jetzt Schwein und Kreuz als Beispiel fรผr abendlรคndische Tradition genannt. Kรถnnen Sie noch andere Kritikpunkte benennen?

Mein Hauptpunkt ist, dass die Ahmadiyya bei den Muslimen selber nicht als muslimisch gilt, sondern als Sekte. Auch wenn es keine problematische Sekte ist. Aber es ist keine anerkannte Gruppe in der muslimischen Welt. Muslimische Freunde von mir sehen das ebenso kritisch: โ€œWieso wird es eigentlich einer Sekte ermรถglicht, in Leipzig eine Moschee zu errichten, wรคhrend weder die groรŸe sunnitische, noch die schiitische Gemeinde in Leipzig diese Mรถglichkeit bisher genutzt haben. Ich weiรŸ nicht, ob das so schlau ist. Der unreflektierte, positivistische Aktionismus, den da einige unserer Landsleute vertreten, halte ich eher fรผr problematisch.

Den Initiatoren in Gohlis ging es ja wohl vor allem darum, einen Dialog zu gestalten. Das ist ja auch Ihr Anliegen.

Ja, das ist durchaus mein Anliegen. Ich habe auch mit dem Leiter der Ahmadiyya ein ausfรผhrliches Gesprรคch gehabt, wo wir uns รผber viele Dinge austauschen konnten. Ich habe durchaus den Eindruck gewonnen, dass es Menschen sind, die ein sehr klares und friedfertiges Weltbild vertreten. Aber es gibt in bestimmten Sichtweisen sehr klare Unterschiede, die man nicht verschweigen sollte. Und das ist meiner Meinung nach ein Problem unserer heutigen Gesellschaft, dass man so tut, als wรคre alles und jedes gleich. Im Dialog werden die Unterschiede wahrgenommen und durchaus auch als Bereicherung erfahren. Nicht alle unterschiedlichen Sichtweisen mรผssen auf einen Nenner gebracht werden. Man muss das Andersartige ertragen kรถnnen.

Im zweiten Teil des Interviews geht es um das Weltbild der CDU, Flรผchtlinge in Leipzig und Rรผckfรผhrung von Menschen in Herkunftslรคnder als Form der Entwicklungshilfe โ€“ zu lesen gleich an dieser Stelle.

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar