Mit voller Kraft nach Neulindenau. So kann man das betiteln, was das Kulturdezernat gerade mit dem Naturkundemuseum anstellt. Am 5. November hat es auf eine Petition reagiert, die nach dem Stand der Dinge rund ums Naturkundemuseum gefragt hat. Und siehe da: Die Vorlage zur Lortzingstraße wurde einfach mal aus dem Verfahren genommen. Zu teuer, meint das Kulturdezernat.

Um die Kosten des Naturkundemuseums wird nun seit Jahren gestritten. Lange hat die Stadtverwaltung an ihrer Idee festgehalten, das Museum im ehemaligen Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz unterzubringen, weil ein erstes Gutachten suggerierte, man würde es dort für fünf bis sechs Millionen Euro billiger unterkriegen. Bis dann ein zweites Gutachten zeigte, dass schon allein die klimatischen Bedingungen in dem Bauwerk dafür sorgen würden, dass die Kosten drastisch höher ausfallen würden.

Also widmete man sich wieder dem angestammten Standort in der Lortzingstraße, entwickelte zwei Varianten, eine ohne Erweiterung, eine mit. Und die mit Erweiterung wurde logischerweise teurer. Was aber seit zehn Jahren klar ist. Denn das Naturkundemuseum Leipzig leidet unter mehreren Dingen – eines ist der Sanierungsstau im angestammten Haus. Noch schwerer aber wiegt, dass das Haus dringend erweitert werden muss, um bessere Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und vor allem, um moderne und große Ausstellungsräume zu gewinnen. Erst mit großen, attraktiven Ausstellungen kann man wieder richtig Publikum  ins Haus holen. 20 Millionen würde das alles in Summe kosten. Egal, ob das nun am Standort Lortzingstraße passiert, ob neu gebaut wird (eine Variante, die bisher völlig ausgeblendet wurde) oder ob das Museum nun nach Neulindenau zieht.

Dort gäbe es – und das ist der eigentliche Beweggrund für den Positionswechsel der Stadt – Fördermittel vom Land, wenn man eine der alten Fabrikhallen aufmöbelt, vielleicht die Halle 7 in der Baumwollspinnerei, die heute selbst im Spinnerei-Ensemble sehr abgelegen liegt. Aber weil man auch das der freien Szene versprochene Theaterhaus gern dort unterbringen möchte, hatte man wegen der Fördermittel beim Land angefragt. Und da die Baumwollspinnerei im Fördergebiet Leipziger Westen liegt, gäbe es wohl Fördergelder.

Der Kulturausschuss wurde schon im Frühjahr über diesen Schwenk informiert. Im November hätte man eigentlich damit rechnen können, dass jetzt mehr Zahlen auf dem Tisch liegen. Denn damals versprach man schon mal die Prüfung des Ganzen. Aber die Aussage dazu lautet noch immer: “Zurzeit prüft das Amt für Gebäudemanagement die vom Investor für die grundhafte Instandsetzung der Halle 7 ermittelten Kosten.”

Danach soll es einen neuen Grundsatzbeschluss geben. Und dann soll es sogar erstaunlich fix gehen: “Die Verwaltung hält an den Grundaussagen des Masterplans fest. Das Museum soll spätestens 2020 neu konzipiert eröffnet werden. Die Direktorenstelle soll unmittelbar nach dem Grundsatzbeschluss erneut ausgeschrieben werden.”

Platz ist in der alten Fabrikhalle genug, auch für eine neue große Wechselausstellung.

Doch das eigentliche Problem des Standorts kann nicht wirklich gelöst werden: Es ist nicht an den Leipziger ÖPNV angeschlossen. Alle Haltestellen der Straßenbahn (Bahnhof Plagwitz, Saarländer Straße, Saalfelder Straße) liegen mehr als 500 Meter entfernt. Da ist an einen regen Publikumsverkehr oder leichte Anreise mit Schulklassen nicht zu denken.

Aber aus Sicht des Kulturdezernats sei das kein Problem, heißt es in der Vorlage: “Der Standort ist durch den ÖPNV erreichbar (Straßenbahn/ S-Bahn), das Erfordernis einer zusätzlichen Buslinie sollte geprüft werden. Für den Individualverkehr stehen ausreichend Parkflächen zur Verfügung.”

Eine zusätzliche Buslinie? Wie soll die sich rechnen? Will man den Nachteil des Standortes mit einer subventionierten Buslinie ausgleichen?

Und dann wird es geradezu utopisch: “Die Akzeptanz eines Standorts außerhalb der Innenstadt ist stark abhängig von dessen kulturellen und gastronomischen Angeboten sowie seinem Freizeitwert durch die Aufenthaltsqualität im Innen- und Außenbereich. Bei der Konzeptanpassung sind mögliche Synergien durch die Nachbarschaft zu den bildenden und darstellenden Künsten zu beachten.”

Das wäre die Konzeption für eine Art Disneyland. Nur dass es weit abgelegen sein wird und gerade die Stärke des jetzigen Standorts, wo attraktive Ausstellungen auch ein großes Publikum (auch Laufpublikum) anziehen können, nicht mehr ausspielen kann.

Es würde freilich auch nicht verblüffen, wenn die Kostenkalkulation auch in der Halle 7 am Ende auf 20 Millionen Euro kommt. Vielleicht gefördert vom Land Sachsen. Nur: Was nutzt das, wenn das Haus damit einen Großteil seines potenziellen Publikums verliert, weil es einfach nicht mehr hinfindet?

Der Verwaltungsstandpunkt.

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