Am 24. Februar diskutierte der Leipziger Stadtrat auch eine Stunde lang über das wohl brennendste Thema der Stadt: den Stau im Schulhausbau. Am Ende wurde der SPD-Antrag, künftig Schulen mit Hilfe der stadteigenen LESG zu planen und zu bauen, mit großer Mehrheit angenommen. Beim CDU-Antrag, das mit privaten Bauherren zu tun, wurde mit 35 zu 29 Stimmen deutlich knapper abgestimmt.

Aber es war auch unüberhörbar: „Die Not ist groß.“ Das sagte so ungefähr der CDU-Stadtrat Karsten Albrecht. Das sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Krefft. Das sagte in seiner Rede auch SPD-Stadtrat Heiko Oßwald sinngemäß: „Leipzig verzeichnet mittlerweile ein so immenses Bevölkerungswachstum, dass eine Prognose nach der anderen nach oben korrigiert werden muss. Die Schülerzahlen werden in den nächsten sechs Jahren um weitere 10.000 auf dann 60.000 steigen, welches den Neubau von ca. weiteren 13 Schulen erforderlich macht.“

Zwei Schulen müsste Leipzig jedes Jahr neu eröffnen, um der Entwicklung der Schülerzahlen überhaupt Herr zu werden.

Doch obwohl das ehrgeizige Schulbauprogramm so beschlossen wurde, kleckern die Bauprojekte der Not hinterher.

Heiko Oßwald: „Der Stadtrat hat in den letzten beschlossenen Haushalten fraktionsübergreifend dem Schulhausneubau und der Sanierung und Erweiterung von Schulgebäuden oberste Priorität eingeräumt und dafür die finanziellen Weichenstellungen eingeleitet. Doch neben dieser finanziellen Herausforderung, der wir zunehmend Rechnung tragen, stoßen wir auf personelle und organisatorische Grenzen in der Verwaltung. Wenn von den für 2015 im Doppelhaushalt geplanten Mitteln für Schulinvestitionen nur ca. 30 Prozent umgesetzt werden konnten, dann ist dies nicht nur daher gesagt, sondern bittere Realität. Die Verwaltung bekommt das vom Stadtrat beschlossene Geld nicht mehr in diesem Umfang auf die ‚Straße‘. Und damit haben wir mittlerweile auch ein immenses Zeitproblem.“

Aber woran liegt es? Das war ja die eigentliche Frage an diesem Mittwoch. Von Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) war deutlich zu hören gewesen: Am Geld liegt’s nicht. Das Geld ist im Doppelhaushalt 2015/2016 beschlossen und bereitgestellt.

Aber das Geld kann nicht umgesetzt werden. Manche Rednerinnen und Redner meinten dann noch, ein par Sündenböcke in der Verwaltung suchen zu müssen.

Aber einige Gründe, warum Leipzig – trotz genehmigter Gelder  – so zurückhängt, wurde zumindest angesprochen. Einer dieser Gründe war ja schon im Juni 2015 im Stadtrat behandelt worden: Da ging es um die immensen Kostensteigerungen im schon genehmigten Bauprogramm: über 17 Millionen Euro.

Warb für den SPD-Antrag, die LESG einzubeziehen: SPD-Stadtrat Heiko Oßwald. Foto: Sebastian Beyer
Warb für den SPD-Antrag, die LESG einzubeziehen: SPD-Stadtrat Heiko Oßwald. Foto: Sebastian Beyer

Gründe dafür gibt es mehrere: So zum Beispiel die langen Planungszeiten. Zwischen Baubeschluss im Stadtrat und Eröffnung der neuen Schule vergehen im Schnitt vier bis fünf Jahre. In dieser Zeit erhöhen sich die Baukosten deutlich.

Aber wie gesagt: Am Geld liegt’s eigentlich nicht.

Eher an Grundstücken. Und da wurde an diesem Abend zwei Mal das Thema der privaten Grundstücksbesitzer genannt, die alle Versuche, auf dem Jahrtausendfeld in Lindenau und auf dem Gelände des Bayrischen Bahnhofs endlich die geplanten Schulhausbauten in Gang zu bringen, ausgebremst haben. Insbesondere CDU-Stadtrat Lutz Weickert wurde an dieser Stelle sehr deutlich. Freunde machen sich die Grundstücksbesitzer mit so einer Politik zumindest im Leipziger Stadtrat keine.

Aber es ging am Mittwoch auch nicht so sehr um Liegenschaften. Ein anderes Problem scheint viel prekärer: Der akute Personalmangel in den zuständigen Ämtern – vor allem im Amt für Gebäudemanagement. Daran erinnerte die Grünen-Vorsitzende Katharina Krefft: Schon 2013 habe man im Stadtrat nach zähem Ringen zwölf neue Stellen für das Baudezernat bewilligt. „Die Stellen sind bis heute nicht besetzt“, sagte sie.

Ein Anknüpfungspunkt für FDP-Stadtrat Sven Morlok, der der SPD vorwarf, sie würde das Personalproblem der Kernverwaltung einfach in die Stadttochter LESG verschieben. Denn dort gibt es – so bestätigte ja die Verwaltung selbst – auch keine freien Personalkapazitäten. Was dann die Intension des FDP-Antrags erklärt: Die zwei FDP-Stadträte wollten die Stadt dazu bringen, mehr Ingenieure einzustellen, um die Berge von Planungsleistungen abzuarbeiten.

Was dann den Linke-Stadtrat Siegfried Schlegel gleich auf Volldampf brachte, denn alles, was die Stadt an Aufträgen an Private abgeben könne, gebe sie schon ab. Das stünde sogar in den Vorgabevorschriften des Freistaats. Nur die zwangsweise hoheitlichen Aufgaben liegen bei der Stadt.

Und da kam dann logischerweise das Argument aus der Verwaltungsvorlage wieder auf den Tisch, das die Linke-Stadträtin Margitta Hollick aufgriff: die langen „Prüf- und Genehmigungsverfahren“. Und dazu gehören auch die Genehmigungsverfahren für Fördermittel. Ein Thema, bei dem sie beinah laut wurde: Über ein Jahr hätte es gedauert vom Stadtratsbeschluss für den Bau der Sport-Oberschule, bis zu dem Tag, an dem die Fördergelder vom Freistaat genehmigt wurden.

Am Ende war eigentlich klar: Am eigentlichen Planen und Bauen liegt es eigentlich nicht. Diese Leistungen werden sowieso alle an Private ausgeschrieben.

Aber ein Grund macht Leipzig mittlerweile heftig zu schaffen: Die Stadt bekommt die Baukapazitäten nicht gebunden, die sie zum Schulhausbau braucht. Seit Leipzig in den Wachstumsmodus übergegangen ist, sind die Baufirmen ausgelastet. (Auch das treibt die Preise nach oben.)

So betrachtet waren die beiden Entschlüsse vom Mittwoch eigentlich nur symbolische Beschlüsse. Es sei denn, sie führen jetzt dazu, dass sowohl die unbesetzten Stellen im Planungsdezernat endlich besetzt werden (sofern man das Personal dazu bekommt) und gleichzeitig die nötigen Stellen bei der LESG geschaffen werden.

OBM Burkhard Jung würde am liebsten nur mit der Kernverwaltung planen. Den SPD-Antrag, die stadteigene LESG zu stärken und nach Kita- und Asylunterkunft-Bau auch in den Schulhausbau einzubeziehen, findet er gut. Und wenn sich die Möglichkeit eröffnet, auch Private einzubinden, sei er dafür – in genau der Reihenfolge.

Aber – auch daran erinnerte er – der Stadtrat sei in keinem der drei Fälle aus der Pflicht. Denn nicht nur der Beschluss, eine Schule zu bauen, muss durch den Stadtrat, auch der Beauftragung eines solchen 20-bis-25-Millionen-Euro-Projekts muss der Stadtrat zustimmen, sonst geht der Auftrag nicht raus. „Sie behalten auf jeden Fall die Kontrolle“, sagte Jung.

Unterstützung für den Antrag, es mit Privaten zu versuchen, bekam die CDU-Fraktion am Ende von der SPD, Linke und Grüne stimmten dem nicht zu, unterstützten dafür den SPD-Antrag, es mit der LESG zu probieren, der dann auch eine große Stadtratsmehrheit fand.

Da kann man gespannt sein, ob das nun die Bremsen löst oder sich am Ende doch wieder herausstellt, dass es schlicht an fehlenden Baukapazitäten, stockenden Fördermitteln und zähem Stillstand bei den Baugrundstücken liegt. Dann wird spätestens in einem Jahr wieder diskutiert, das Problem hat sich weiter verschärft und Manche werden dann zugeben, dass die Probleme an ganz anderer Stelle qualmen.

„Natürlich ist auch die LESG an die üblichen Fristen im Planungs- und Bauprozess gebunden. Aber sie kann parallel zur Verwaltung zusätzliche Vorhaben umsetzten“, meinte Heiko Oßwald. „Und natürlich ist es ausdrücklich gewollt und auch notwendig, dass im Rahmen des Investoren- und Dienstleistungsmodells mehr Personal eingestellt werden muss und mehr Verbindlichkeiten aufgenommen werden müssen. Nur so lassen sich mehr Projekte umsetzten, dafür braucht es die Unterstützung der Stadt.“

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