Da will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, nachdem er bisher vor allem mit eher spaßigen Ideen zum Autoverkehr und zur Erziehung der Radfahrer auffiel, mal wieder ein bisschen was an der deutschen Straßenverkehrsordnung basteln. Das war jedenfalls so am 16. Februar in diversen Medien zu lesen. Es gebe auch ein Arbeitspapier dazu und die Einführung von Tempo-30-Zonen vor Schulen und Kitas steht wohl auch drin.

Irgendwie hat der Verkehrsminister gerade sein Herz für die schwächeren Verkehrsteilnehmer entdeckt. Auf Hauptverkehrsstraßen solle es in „sensiblen Bereichen mit besonders schützenswerten Verkehrsteilnehmern“ erleichtert werden, Tempo-30-Zonen einzurichten, berichtete die „Süddeutsche“ – so etwa auch rund um Schulen, Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäuser.

Von einer Umsetzung noch keine Spur. Das kann dauern, bis das mal zu einem Beschluss wird. Aber die LVZ machte daraus eine kleine große Geschichte, die nun am 3. März diverse Stadtratsfraktionen aufregte. Denn irgendwie hatte man so etwas doch gerade vor zwei Jahren im Stadtrat beschlossen. Nur: Umgesetzt hat man es nicht.

Warum nur nicht?

Die LVZ berichtete, das Baudezernat prüfe. Und löste damit wieder die üblichen Verhaltensweisen im Stadtrat aus: Man schaute gleich wieder nach Schuldigen.

Die SPD-Fraktion machte das Baudezernat als Schuldigen aus.

Mit Verwunderung habe man die Ankündigung des Baudezernates vernommen, sie prüfe derzeit die Einrichtung von Tempo 30 vor allen Kindertagesstätten und Schulen.

„Dazu gibt es eine klare Beschlusslage der Ratsversammlung aus dem Jahr 2014. Auf Initiative von SPD und Grünen wurde die Verwaltung vom Stadtrat beauftragt, da wo es rechtlich möglich ist, die Tempo-30-Regelung an Schulen, Kitas und Horten mit Einzelfallprüfung einzuführen. Wir hätten daher erwartet, dass das zuständige Dezernat für den aktuellen Verordnungsentwurf des Verkehrsministeriums bereits Pläne in der Schublade hat, wie die Thematik in Leipzig umgesetzt werden soll. Wir erwarten von Baubürgermeisterin Dubrau, dass zeitnah vom Prüf- in den Umsetzungsmodus gewechselt wird. Geschwindigkeitsbeschränkungen vor Schulen, Horten und Kitas sind ein probates Mittel zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Kinder“, erklärt Stadtrat Christian Schulze, der den Ratsbeschluss aus 2014 mit einem interfraktionellen Antrag initiierte.

Vielleicht sollte den Fraktionen in Leipzig endlich das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Dezernentenposten weggenommen werden. Dieses parteifarbliche Mit-dem-Finger-Zeigen, wenn etwas mal nicht klappt, ist einfach nur noch peinlich.

Kindergarten, um mal im Thema zu bleiben.

Dass der Stadtrat da 2014 was beschlossen hat, stimmt schon. Aber irgendwie stellt sich bei jedem Zukunftsthema, das so beschlossen wurde, über kurz oder lang heraus, dass die Verwaltung das benötigte Personal einfach nicht eingestellt hat. Jüngst erst diskutiert in der Schulbauplanung, als sich herausstellte, dass der Stadtrat die benötigten zwölf Stellen 2013 beschlossen hatte – nur eingestellt wurden die Leute nie. Dasselbe Ding in der Lärmaktionsplanung, als die Stadt extra einen Fachmann einstellen wollte, der Vorschläge zur Lärmberuhigung in Hauptverkehrsstraßen erarbeiten sollte. Schlichtes Ergebnis: Der Mann wurde erst Anfang 2016 eingestellt, kann also noch gar nichts vorschlagen.

Und nun dasselbe bei den Tempo-30-Zonen.

Im April 2014 hatte der Stadtrat auf Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD die Einrichtung von Tempo 30 vor Kitas und Schulen nach Einzelfallprüfungen in Leipzig beschlossen. Auf Wunsch der Verwaltung wurde der ambitionierte Zeitplan zur Umsetzung durch ein Entgegenkommen der Antragsteller noch vor Beschlussfassung angepasst, berichtet jetzt die Grünen-Fraktion. Eine Umsetzung sollte eigentlich bis Ende 2015 erfolgen. Doch dies ist bislang nicht geschehen, da zur Umsetzung des Beschlusses eine Sachbearbeiterstelle in der Verwaltung durch das Personalamt besetzt werden sollte.

Doch die wurde dann erst sehr verspätet im April 2015 vom Personalamt ausgeschrieben. Zunächst gab die Verwaltung als Begründung für die Verzögerung an, dass die Stelle erst nach Beschlussfassung des Haushaltes 2015/16 ausgeschrieben werden konnte. Eine Stellenbesetzung sollte schnellstmöglich erfolgen, auch hier kam es jedoch zu massiven Verzögerungen, sodass die Besetzung erst zum 1. Januar 2016 vorgenommen wurde.

Kann man wieder mit dem Finger zeigen: Wer ist eigentlich für die Personaleinstellungen in der Leipziger Verwaltung zuständig?

Da darf dann wieder die SPD-Fraktion „Aua!“ rufen.

Ohne die nötigen Fachleute kann man aber die beauftragten Themen nicht abarbeiten.

„Die endlich erfolgte Stellenbesetzung ist quasi der lange erwartete und längst überfällige Beginn der tatsächlichen Umsetzung unseres Stadtratsbeschlusses. Unsere Fraktion erwartet, dass jetzt verwaltungsintern aufs Tempo gedrückt wird, um anschließend eine zeitnahe Entschleunigung des Verkehrs vor Kitas und Schulen umzusetzen“, sagt dazu nun Daniel von der Heide, Stadtrat und verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion. „Den längst überfälligen Bericht dazu, der nach Stadtratsauftrag schon vor einem Jahr vorzulegen war, erwarten wir jetzt umgehend. Die Einzelfallprüfungen müssen zügig abgeschlossen und die praktische Umsetzung endlich begonnen werden. Spätestens zur Einschulung der neuen ABC-Schützen Anfang August erwarten wir umfangreiche sichtbare Zeichen der Verkehrsberuhigung vor Leipzigs Kitas und Schulen!“

Am Horizont der ganzen Geschichte steht eben auch das Thema, das Dobrindt jetzt zumindest mal in ein Arbeitspapier geschrieben hat: Dass Kommunen keine großen Spielräume haben, an Hauptverkehrsstraßen einfach Tempo 30 zu verhängen. Die rechtlichen Hürden sind hoch. Da kann sich auch in Leipzig herausstellen, dass an vielen Schulen und Kitas der Wunsch ein Wunsch bleiben muss.

Aber das muss eben ein Fachmann klären, den es jetzt endlich zu geben scheint.

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Auch raffiniert: Die Stadtverwaltung taktiert also immer mit “Wir brauchen aber 1 oder 2 Personalstelle(n)”, um ihren Unwillen zu Veränderungen nicht offensichtlich werden zu lassen. Verräterisch nur, dass dann niemand eingestellt wird.

Wie schon mehrfach geschrieben: Ich setze auf die biologische Lösung – erst wenn die aktuellen Fehlplaner und Bremser in den Ruhestand treten, bewegt sich etwas.

Was ist eigentlich mit dem Fußverkehrsbeauftragten?

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