Am Ende werden die Zahlen noch einmal schöngerechnet. Aber in Wirklichkeit ist es eine einzige Schwindelei, mit der das Leipziger Kulturdezernat jetzt noch einmal versucht, den Katholikentag in einen wirtschaftlichen Erfolg für Leipzig umzudeuten. Denn mit allzu verführerischen Zahlen hat die Verwaltung 2014 den Stadtrat dazu gebracht, der Millionenförderung für den Katholikentag zuzustimmen.

Eine Gruppe ärgert sich besonders über die ganze Scheinheiligkeit: Das ist die Künstlergruppe um das „11. Gebot“, die zum Katholikentag wieder mit ihrem warnenden Moses am Rand des Kirchentages demonstrierte und mahnte: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!

Die sieht sich nach einem Platzverweis vom Augustusplatz seit geraumer Zeit auch einer Anzeige ausgesetzt, von der nicht recht klar ist, was damit bezweckt werden soll: Eine nachträgliche Schikane des unerwünschten Protestes? – Es sieht ganz danach aus.

Dabei ist der Protest nur zu berechtigt.

Denn wenn in Leipzig die Zahlen schöngerechnet werden, wird das beim nächsten Austragungsort wieder als Argument verwendet.

So zitiert die Gruppe Formulierungen aus einer Pressemitteilung der CDU-Ratsfraktion der Stadt Münster, dem nächsten Austragungsort 2018, wonach „der Stadt 3,5 Mio. Euro etwa durch Steuern direkt zugute kamen“.

Diese Zahlen verzerren das Bild und sollen ein Plus im Stadtsäckel suggerieren. Tatsächlich fließt der allergrößte Teil der Einnahmen jedoch nicht an die Stadt, sondern an die privaten Unternehmen in der Stadt – ohne dass diese sich an der Finanzierung beteiligt hätten.

Und das ist nicht die einzige Dunstwolke in der jetzt vorgelegten Informationsvorlage „100. Deutscher Katholikentag 25.- 29.05. 2016 in Leipzig: Auswertung / Fazit“, die an Lobhudeleien geradezu strotzt. Die eher kritischen Töne – z.B. aus der L-IZ – werden nicht einmal erwähnt. So macht sich Leipzigs Verwaltung nicht wirklich glaubwürdig.

Und wie ist das mit den Steuermehreinnahmen?

In der Vorlage heißt es klipp und klar: „Zur Berechnung der Summe, die aus dieser Einnahme direkt als Steuer an die Stadt zurückfließt, wird hier ein Eckwert des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München (DWIF) angesetzt, wo von einem Mittelwert von 2,5 % ausgegangen wird. Folglich ist von einer Steuer-Mehreinnahme von rund 180.000 Euro für die Kommune auszugehen.“

180.000?

Selbst die Zahl ist zu hoch angesetzt.

„Das Kulturdezernat der Stadt Leipzig hat eine unseriöse Schätzung zu den Einnahmen der Stadt durch den Katholikentag 2016 veröffentlicht. Diese verkündet stolz, die Fördersumme der Stadt i.H.v. 1 Mio. Euro könne als amortisiert betrachtet werden. Doch wer die Analyse genau betrachtet, sieht sofort: Die Verschuldung der Stadt Leipzig hat sich durch die unnötige Subvention weiter erhöht“, stellt die Künstlergruppe „11. Gebot“ nach Lesen der ganzen Vorlage fest. „Der Katholikentag hat unzweifelhaft zu mehreren Millionen Euro Umsatz geführt. Entscheidend dabei ist jedoch, dass ein Geldfluss ‚in‘ die Stadt nicht mit einem Geldfluss ‚an‘ die Stadt verwechselt werden darf. Darauf hat die Kunstaktion ‚11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!‘ von Anfang an hingewiesen. Dies bestätigt sich nun durch die vom Leipziger Kulturdezernat vorgelegte Auswertung: Die Steuermehreinnahmen der Stadt betragen danach gerade einmal 180.000 Euro. Tatsächlich dürfte die Zahl sogar noch darunter liegen.“

Denn auch die Umsatzzahlen der Teilnehmer wurden zurechtgetrickst.

Maximilian Steinhaus, Sprecher der Aktionsgruppe „11. Gebot“: „Da hilft auch keine noch so ausgeklügelte Finanzarithmetik: Die Verschuldung der Stadt Leipzig hat sich durch die Millionen-Subvention deutlich erhöht. Die Fördersumme hat sich daher nicht amortisiert.“

„Kirchen- und Katholikentagsbesucher sind Low-Budget-Touristen wie nicht nur verschiedene Studien bereits belegt haben, sondern wie es auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einräumt: Auf dessen eigener Homepage kann man lesen, dass im Durchschnitt Dauergäste 35 Euro und Tagesgäste sogar nur 15 Euro pro Tag ausgeben“, kritisiert die Künstlergruppe.

Auch die Leipziger Stadtverwaltung hat während der Diskussionen im Jahr 2014 „den für deutsche Städtereisen gängigen Wert von 35,- Euro pro Tag und Gast zugrunde gelegt.“

Um die geringe Teilnehmerzahl und die dürftig ausgefallenen Steuermehreinnahmen aufzuhübschen, hat das Kulturdezernat die Besucherzahlen dieses Mal mit den Tagespauschalen multipliziert, die normale oder geschäftliche Touristen im Durchschnitt ausgeben: 185,50 Euro für Hotelgäste bzw. 48,50 Euro für Touristen in Privat- oder Billigquartieren. Nimmt man jedoch die ursprünglichen Zahlen an, ergibt sich, dass die Ausgaben der Besucher und somit die Geldflüsse in die Stadt nicht einmal halb so hoch sind wie in dem Bericht behauptet.

Die mathematische Vernebelung findet man in der Auswertung unter „Wertschöpfung durch Ausgaben der Besucher“.

Da rechnet man dann – anders als noch 2014 – 10.000 Dauergäste, die in Hotels übernachteten, mit 185,50 Euro pro Gast und Tag. Dazu 24.000 Besucher, die in Privat- oder Billigquartieren unterkamen.

Da steht tatsächlich, man hätte „30.000 Gesamtbesuchertage für Dauerbesucher in Hotels“ gezählt – was ja bei drei Tagen 10.000 Besucher gewesen wären. Dazu „72.000 Gesamtbesuchertage in Privat- oder Billigquartieren“ – was dann noch einmal 24.000 sind. Dazu noch 6.000 Tagesgäste. Und statt dem 2014 als gängig angegebenen Wert von 35 Euro pro Dauerbesucher und Tag, geht man jetzt in der Nachbetrachtung mit 185,50 Euro pro Tag und Hotelgast, und 48,50 Euro für alle anderen pro Tag in die Rechnung. Da kommt man dann natürlich auf völlig andere Werte als die 2014 vorgerechneten 4,2 Millionen Euro Umsatz.

Stattdessen kommen jetzt 9,35 Millionen Euro heraus.

Mit Fakten hat das nichts zu tun. Das ist nur ein Rechentrick.

Legt man aber den 2014 als „gängig“ angegeben Wert zugrunde, kommt man (weil doch etwas weniger Dauergäste kamen als geplant) nur auf 3,78 Millionen Euro. Die öffentliche Hand hat also fast 3 Millionen Euro zugebuttert.

Die 3,5 Millionen Euro, die die CDU benennt, sind das, was die Vorlage als mögliche Umwegrendite ausgerechnet hat: mögliche zusätzliche Ausgaben der Katholikentagsteilnehmer in Hotels, Gastronomie, Geschäften.

„Aber selbst wenn man die normalen Tagespauschalen zugrunde legen wollte: Diese variieren von Stadt zu Stadt: Während Leipzig für Hotelgäste 185,50 € pro Tag ansetzt, sind es in Münster maximal 138,60 € pro Tag (Quelle: Pressemitteilung der Stadt Münster). Allein nach dieser Rechnung werden die Ausgaben der Besucher in Münster beim nächsten Katholikentag um 1,4 Mio. € geringer ausfallen als in Leipzig“, kritisieren die Macher der Kunstaktion 11. Gebot. „Des Weiteren wird behauptet, der Veranstalter des Katholikentages selbst habe 4,3 Mio. Euro in der Stadt ausgegeben. Im Bericht stehen dem jedoch keine Ausgaben gegenüber, so dass auch hier nicht erkennbar ist, wie hoch ein tatsächlicher Gewinn sein soll.“

Letztere Zahl ergibt sich daraus, dass die Veranstalter von den 9 Millionen Euro, die sie bekommen hatten, einen Teil auch gleich wieder in Leipzig ausgaben: „Laut einer ersten Übersicht sind von den Veranstaltern ca. 3,2 Mio Euro direkt in der Stadt, an Gebühren und Mieten städtischer Immobilien, an städtische und stadtnahe Unternehmen, sowie in der Stadt angesiedelte Dienstleister in Hotellerie und Veranstaltungsgewerbe geflossen“, heißt es in der Vorlage des Kulturdezernats. Dazu kämen noch 1 Million Euro an Gehalt für die 44 vor Ort tätigen Mitarbeiter des Katholikentages.

David Farago, Initiator der Kunstaktion: „Es wird bei den Berechnungen stets ignoriert, dass diese Umsätze auch ohne eine Förderung der Stadt erzielt werden würden, denn der Veranstalter hat – vor allem in Leipzig, aber letztendlich auch in Münster – zu erkennen gegeben, dass man notfalls auch ohne die Beihilfe kommen würde. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Die Kirchen könnten dank ihrer Milliardenvermögen diese Feste auch ohne die öffentliche Hand finanzieren.“

Die Aktiven vom „11. Gebot“ bitten die Ratsmitglieder von Münster daher, den Zahlen der Leipziger Stadtverwaltung nicht unhinterfragt Glauben zu schenken. Erst recht, weil das Kulturdezernat selbst im Bericht mehrfach darauf hinweist, dass es sich um Spekulationen handelt, weil keine erhobenen Zahlen vorliegen, sondern lediglich Hochrechnungen. Übrigens auch zu den Teilnehmern des Katholikentages.

Die Akteure von 11. Gebot gehen übrigens auch davon aus, dass der Katholikentag bestenfalls 72.000 Euro Steuereinnahmen erbracht hat.

Auswertung von „11. Gebot“ zu den wahrscheinlichen Geldflüssen.

Vorlage von 2014.

Die Lobgesänge zum Katholikentag.

Die Auswertung 2016

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Keine Kommentare bisher

Gut finde ich, wenn eine Kommune solcherlei Veranstaltungen, die sehr wohl positive Effekte hervorrufen, in Maßen und nach eigenen Möglichkeiten unterstützt.

Nicht gut und peinlich finde ich, was hier publiziert wurde. Als ich die Zahlen las war mir sofort klar, dass dies unsinnige Werte sind und mit der Realität gar nichts zu tun haben. In der Leipziger Stadtverwaltung kann man also auch mit ungenügenden Mathematikkenntnissen entscheidende Positionen besetzen.
Oh je…

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