Das hat schon etwas, wenn immer mehr Leipziger Schulen sich dazu entschließen, sich nach einer eindrucksvollen Frau zu benennen. Auch die Gymnasiasten in der neuen Schule in der Telemannstraße haben sich jetzt für eine starke Frau entschieden, die besonders Foto- und Geschichtsbegeisterte kennen: Gerda Taro, die Gefährtin von Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg. Natürlich eine Leipzigerin.

Der Antrag zur Benennung nach Gerda Taro ging am 17. November 2017 im Amt für Jugend, Familie und Bildung ein. Beantragt wurde aufgrund des Beschlusses der Schulkonferenz der Schulname Gerda-Taro-Gymnasium.

Lehrer und Eltern haben sich vorher richtig Mühe gemacht und 15 Namensvorschläge gesammelt. Bei den erwählten Personen handelte es sich durchweg um solche, die die hohen Ansprüche erfüllten: humanistisches Handeln, besondere Lebensleistung und fortschrittliche Persönlichkeit.

Die Eltern-Lehrer-Arbeitsgruppe reduzierte die Auswahl der möglichen Namenspatrone dann auf vier Personen, mit denen sich die Schüler/-innen in Projekttagen unter dem Motto „Spurensuche“ beschäftigten: Franz Dominic Grassi, Carl Friedrich Goerdeler, Friederike Caroline Neuber und Gerda Taro.

Aufgrund des Alters der Schüler/-innen (zehn bis zwölf Jahre) an der aufwachsenden Schule sollten sie sich während der Projekttage im April 2017 mit keiner zu großen Anzahl an möglichen Namensgeber/-innen für die Schule befassen.

Und das Ergebnis der Projekttage war dann, dass beim Schulträger ein Antrag auf Benennung der Schule nach Gerda Taro gestellt werden soll.

Wer Gerda Taro war

Gerda Taro wurde als Gerta Pohorylle am 1. August 1910 in Stuttgart geboren. Die jüdische Familie war aus Ost-Galizien nach Reutlingen zugewandert, wo der Vater eine Eiergroßhandlung gründete.

1929 zog die Familie nach Leipzig, hier besuchte Gerta Pohorylle die Gaudig-Schule am Nordplatz und wurde Mitglied im Sozialistischen Schülerbund. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde sie im März 1933 in Schutzhaft genommen, nachdem sie mit Freunden antifaschistische Plakate geklebt hatte. Nach der Entlassung aus der Haft emigrierte sie im Spätherbst 1933 nach Paris. Hier lernte sie 1934 den ungarisch-jüdischen Fotografen André Friedmann kennen, besorgt ihm Aufträge als Fotograf und lernte selbst das Fotografieren und die Arbeit in der Dunkelkammer.

Um mehr Aufträge von französischen Redaktionen zu erhalten, änderten beide ihren Namen: aus André Friedmann wird Robert Capa, aus Gerta Pohorylle Gerda Taro. Beide Fotografen waren seit 1935 bei der Fotoagentur „Allicance Photo“ angestellt und berichteten in den Jahren 1936/37 gemeinsam aus dem spanischen Bürgerkrieg, unter anderem über die Ausbildung der anarchistischen Milizen. Es entstanden Reportagen für internationale Magazine und Zeitungen, die Capa und Taro als ihren Beitrag gegen die von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Truppen sehen.

Taro fuhr täglich allein oder mit ihrem Partner Capa von Madrid aus an die nahe Front, um zu fotografieren und zu dokumentieren – so auch am 25. Juli 1937. Bei der Rückfahrt von der Front wurde Taro bei einem deutschen Tieffliegerangriff schwer verletzt und erlag einen Tag später diesen Verletzungen. Die Fotografin und Journalistin wurde am 1. August 1937 auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt. Der von Pablo Neruda und Louis Aragon angeführte Trauerzug, dem sich tausende Menschen anschlossen, wurde zu einer Demonstration gegen den Faschismus.

Gerda Taro gilt als Pionierin des Fotojournalismus und erste Kriegsreporterin. Ihr Werk konnte lange nicht vollständig erschlossen werden. 2007 wurde in Mexiko City ein Koffer gefunden, der verschollen geglaubte Bilder von Gerda Taro und Robert Capa enthielt und Jahrzehnte nach ihrem Tod eine umfassende Würdigung ihres Werkes ermöglichte.

In Taros Geburtsstadt Stuttgart erinnert seit 2014 der Gerda-Taro-Platz an die Fotografin, in Leipzig wurde bereits 1970 eine Straße nach ihr benannt.

Stadtverwaltung stimmt Namensvorschlag zu

Seitens des Schulträgers wird die Umbenennung der Schule Telemannstraße in Gerda-Taro-Schule befürwortet, teilt das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule mit. „Es wird ausdrücklich begrüßt, dass die Schule kurz nach dem Selbständigwerden einen Schulnamen beantragt und damit die vorläufige Bezeichnung Schule Telemannstraße ablegt. Mit der Wahl des Schulnamens und seinen Verbindungen zu Unterricht und Schulprogramm wird bereits in der Aufbauphase der Schule eine wesentliche Möglichkeit zur Identifikation geschaffen und der Schule ein Gesicht verliehen. In der Schule fand eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage nach einem neuen Schulnamen statt, alle am Schulleben Beteiligten wurden ebenso einbezogen wie zuständige des Stadtbezirksbeirats Mitte.“

Und auch der Stadtbezirksbeirat fand die Namenswahl gut.

Mit der gleichen Stadtratsvorlage wird übrigens auch die Umbenennung der 172. Schule, Grundschule der Stadt Leipzig, in „Schule am Leutzscher Holz“ zum Beschluss vorgelegt.

Eine reich illustrierte Spurensuche in der Leipziger Wirtschaftsgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts

Eine reich illustrierte Spurensuche in der Leipziger Wirtschaftsgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar