Das ist eher selten, dass Leipzigs Verwaltung auf einen Antrag aus den Ratsfraktionen einfach mit einem kurzen Text und Zustimmung reagiert. Aber augenscheinlich ist man sich auch im Sozialdezernat schon lange des großen Bedarfes für ein funktionierendes Vertretungssystem in der Tagespflege bewusst. Denn wohin mit den Kindern, wenn ausgerechnet die Tagesmama einmal krank wird?

Mit dem Anfang Februar eingereichten Antrag „Wirksames Vertretungssystem für die Kindertagespflege entwickeln“ hatte sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für den Aufbau effektiver Strukturen engagiert, die dazu führen sollen, für Kinder aus Tagespflegestellen im Falle von Betreuungsausfällen eine Ersatzbetreuung zu garantieren.

Die Stadtverwaltung hat nun mit ihrer Stellungnahme vom 21. März signalisiert, diesem Antrag Folge zu leisten und noch in diesem Jahr ein solchermaßen weiterentwickeltes System zu entwickeln und dem Stadtrat zum Beschluss vorlegen zu wollen. Bis zur Umsetzung wird es freilich noch ein Weilchen dauern.

Der Begründungstext des Sozialdezernats: „Das neue Vertretungssystem soll zum 01.01.2019 in Kraft treten. Dabei ist davon auszugehen, dass der Aufbau des Vertretungssystems aufgrund der notwendigen Akquise von Vertretungspersonen und geeigneten Räumlichkeiten nur Schritt für Schritt erfolgen kann. Über die Einordnung der finanziellen Mittel wird im Rahmen der Vorlage zur Ausgestaltung eines gesamtheitlichen Vertretungssystems ab 01.01.2019 befunden, welche dem Stadtrat spätestens im IV. Quartal 2018 vorgelegt wird.“

Bislang existieren in Leipzig fünf unterschiedliche Varianten von Vertretungen für Kinder aus Tagespflegebetreuung. Laut der Aussage von Sozialbürgermeister Fabian auf eine Anfrage in der letzten Ratsversammlung gibt es stadtweit acht Ersatzstützpunkte von Tagesmüttern/-vätern mit Freihalteplätzen sowie sieben sogenannte Springer, die im Vertretungsfall ganze Gruppen übernehmen. Der kommunale Träger VKKJ kooperiert hingegen mit dem privaten Kinderbetreuungsanbieter Wiesenknopf und kann so im Vertretungsfall auf bis zu 15 Plätze als Notbetreuung zugreifen. Ansonsten sind die Träger der Kindertagespflege bemüht, innerhalb des eigenen Angebots eine Notfallbetreuung zu ermöglichen, was allerdings sehr selten gelingt.

Zwar werden rund 26.000 Kinder in Leipziger Kindertagesstätten betreut. Aber weitere rund 2.600 werden von etwa 580 Tagespflegeeltern betreut. Da kann es beim Ausfall mehrerer Tagespflegepersonen schnell sehr eng werden bei der Frage: Wohin mit den Kindern?

„Die bislang existierenden Vertretungsmöglichkeiten in der Kindertagespflege sind allesamt Stückwerk und helfen nur einem Teil der Eltern, deren Kinder sich in Betreuung einer Tagesmutter oder eines Tagesvaters befinden. Alle anderen stehen immer wieder vor der kurzfristigen Herausforderung, eine Notbetreuung ihrer Jüngsten im privaten oder familiären Umfeld zu finden oder selbst Urlaub oder Lohnausfall in Kauf zu nehmen“, beschreibt Michael Schmidt, Stadtrat und familienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Problemfeld.

„Sowohl die Anbindung an einen bestimmten Träger kann dabei eine wesentliche Rolle spielen, als auch die tatsächlich vorhandenen Kapazitäten, die bislang natürlich in einem Missverhältnis zu den tatsächlichen Bedarfen stehen. Zudem ist für ein wirksames Vertretungssystem, neben den zur Verfügung stehenden Ressourcen, auch eine professionelle Struktur notwendig, die sowohl eine kurzfristige Kommunikation als auch eine umgehende und funktionierende Organisation der Notbetreuung garantiert. So müssen künftig nicht nur trägerübergreifend zusätzliche Tagespflegestellen geschaffen sondern auch dafür gesorgt werden, dass die Familien über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Notbetreuung im eintretenden Vertretungsfall informiert werden. Herzu ist sowohl bei den Trägern als auch beim kommunalen VKKJ eine Stärkung der organisatorischen Strukturen unabdingbar.“

Die Grünen-Fraktion begrüße daher sehr, dass der zuständige Bürgermeister Thomas Fabian das Problem erkannt und ein kurzfristiges Um- bzw. Nachsteuern, hin zu einem schlagkräftigen und wirksamen Vertretungssystem im Bereich der Kindertagespflege noch für dieses Jahr angekündigt hat, welches neben den qualitativen Erfordernissen eben auch der quantitativen Nachfrage gerecht werden soll.

„Denn eines darf dabei nicht vergessen werden“, sagt Schmidt. „Den Kindern und ihren Eltern ist es stets wichtig, die Person, die die Betreuung – und sei es nur die Notbetreuung – des eigenen Kindes übernimmt, zu kennen und ihr zu vertrauen. Deshalb ist ein gut strukturiertes System, mit festen und den Tagespflegestellen sowie den Eltern und Kindern vertrauten Vertretungspersonen, äußerst wichtig. Hierzu erhoffen und erwarten wir einen guten und zielorientierten Vorschlag von der Verwaltung, der sich auch an den guten Erfahrungen anderer Kommunen, in denen sich bereits erfolgreiche Vertretungssysteme etabliert haben, orientiert.“

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Wirksames Vertretungssystem für die Kindertagespflege entwickeln“ kommt mit dem zustimmenden Verwaltungsstandpunkt am 18. April im Stadtrat zur Beschlussfassung.

Der Grünen-Antrag.

Der Verwaltungsstandpunkt.

Grüne beantragen ein funktionierendes Vertretungssystem für die Leipziger Tagespflege

Grüne beantragen ein funktionierendes Vertretungssystem für die Leipziger Tagespflege

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar