Irgendwann hilft Flicken, Umverteilen und Begütigen nicht mehr. Das gilt auch für die Tagespflege in Leipzig. Jahrelang hat sich die Stadt selbst gefeiert dafür, dass es die gewaltigen Löcher bei den verfügbaren Kita-Plätzen dadurch auffing, dass immer mehr Tagesmütter und -väter in die Bresche sprangen. Doch deren Honorierung hielt nicht mal vor Gericht stand. Ihre Sätze müssen erhöht werden - werden sie aber nur marginal. Das gibt neuen Ärger.

Seit Juni 2014 hat es die Stadt Leipzig vom Verwaltungsgericht Leipzig schriftlich:  Die Vergütung der Förderleistungen in der Tagespflege muss „erheblich“ erhöht werden. Das ist jetzt eigentlich Thema auf der Tagesordnung der Ratsversammlung am 25. Februar. Aber wer die Vorlage genauer liest, merkt schnell, dass hier doch wieder versucht wird, die Kosten niedrig zu halten.

Mit der Vorlage setzt die Verwaltung das Gerichtsurteil aber nur zur Hälfte um. Die Förderleistungen werden tatsächlich um 75 Prozent erhöht. Das ist richtig, aber gleichzeitig werden die Sachkosten um 67 Prozent gekürzt, und das hat das Verwaltungsgericht nicht gefordert.

“Nach der krachenden Niederlage der Stadt Leipzig zur Finanzierung der Kindertagespflege vor dem Verwaltungsgericht Leipzig im Sommer vorigen Jahres war die Verwaltung gefordert, einen grundlegend neuen Vorschlag der Finanzausstattung der Tagesmütter und -väter zu unterbreiten. Das nunmehr auf dem Tisch liegende Papier ist dabei einerseits erfreulich, weil sich die Förderleistung, die letztlich die ‘Lohntüte’ der Tagespflegepersonen darstellt, deutlich füllt (von bislang 163,51 Euro auf 513,32 Euro). Dass man dies jedoch zu Teilen daraus refinanziert, dass man die Sachkostenpauschale um zwei Drittel kürzt, ist völlig inakzeptabel”, erklärt dazu Michael Schmidt,  familienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

“Die Sachkosten wurden im Gerichtsurteil auch nicht als zu hoch eingeschätzt”, ergänzt die schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Margitta Hollick. “Effektiv haben die Tagesmütter und Tagesväter eine Erhöhung um 8 Prozent ihrer Leistungen. Ist das ein erheblicher Schritt, wenn man weiß, dass die Kosten für einen Krippenplatz nur die reichliche Hälfte im Vergleich zu einem Platz in der Kita betragen? Die Eltern, die einen Platz bei Tagespflegepersonen haben, zahlen aber den gleichen Betrag wie in der Kita. Jeder weiß um die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung. Sie findet bei uns in der Kindertagesstätte und in der Tagespflege statt. Die Tagesmütter und Tagesväter haben das Recht auf eine faire Vergütung.”

Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke haben deshalb gemeinsam einen Änderungsantrag vorbereitet. Dieser Änderungsantrag beinhaltet zwar auch eine Kürzung  der Sachkosten, allerdings nur um ein Drittel.

“Tagesmütter bzw. Tagesväter haben in der Regel 9-Stunden-Verträge und betreuen fünf Kinder. Auch sie orientieren sich an dem Sächsischen Bildungs- und Erziehungsplan und sind bemüht, ihn in guter Qualität umzusetzen”, so Hollick. “Dazu bedarf es Beschäftigungsmaterial und einer bestimmten Ausstattung. Die Verwaltung ist sich bewusst, dass sie hier unterfinanziert, denn mit den bereitgestellten Mitteln ist das nicht umzusetzen. 2015 wird die Stadt Leipzig ihre Kapazitäten in den Kitas erweitern. 28 Einrichtungen werden neu gebaut oder erweitert. Das wissen die Tagespflegepersonen, und sie tragen das unternehmerische Risiko für ihre angemieteten Räume in Wohnungen allein.”

Die Zahlen für Leipzig aktuell: 585 Kindertagespflegepersonen betreuen 2673 Kinder im Alter bis 3 Jahre.

Margitta Hollick: “Das betrifft fast jedes vierte Kind in diesem Alter in unserer Stadt, und die Tagesmütter und Tagesväter haben das Recht, für ihre Leistungen angemessen bezahlt zu werden, damit sie ihren und den Lebensunterhalt ihrer Familien mit sichern können. Als Selbstständige  müssen sie für ihre Kranken- und Altersversicherung sorgen. Auch da sind noch Fragen offen, die geklärt werden müssen, aber jetzt sollte zunächst ein deutlicher Schritt nach vorn erfolgen.”

Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke

Der Änderungsantrag sieht nun konkret vor, die Sachkostenpauschale, die bislang bei 330,03 Euro lag und laut Verwaltungsvorschlag auf 112,78 Euro (bei einer Betreuung im eigenen Haushalt) reduziert werden soll, auf 209,32 Euro festzusetzen.

Michael Schmidt: „Dies entspricht weiterhin einer Kürzung zur bisherigen Sachkostenpauschale, allerdings nur um etwa 1/3, statt um 2/3. Letzteres war keinesfalls zu rechtfertigen. Grundlage für die Annahme der Stadt bei dem Bedarf an Sachkosten für die Tagespflegepersonen waren aus meiner Sicht Zahlen, die lediglich unter einer Einspardoktrin realitätsfern aus der Luft gegriffen wurden.“

Er zählt ein paar Beispiele dafür auf, dass die von der Stadtverwaltung vorgegebenen neuen Sätze mit den realen Kosten der Tagespflegepersonen nichts zu tun haben:

– Mit den von der Verwaltung geplanten geringen Sachkosten beispielsweise im Bereich der Weiterbildung (120 Euro pro Jahr) lassen sich vermutlich nicht einmal die 20 Pflichtstunden finanzieren. Ein Anreiz für die Tagesmütter und -väter für zusätzliche Weiterbildungen bildet sich hier überhaupt nicht ab, da die Kosten privat zu tragen wären.

– Mit lediglich 30 Euro pro Jahr lässt sich keine Hausratversicherung abschließen.

– Mit einem Budget von 275 Euro pro Jahr für das Beschäftigungsmaterial für die gesamte Gruppe kann man sich eine Bildungsarbeit nicht vorstellen.

“Auch im Bereich der Reinigungskosten scheint die Verwaltung noch nicht in Zeiten des Mindestlohngesetzes angekommen zu sein”, sagt Schmidt. “Anders ist nicht zu erklären, wie 50 Euro/Monat für Reinigungs- und Waschkosten ausreichend sein sollen. Schließlich erwartet man, dass allein schon die Reinigung der Räume und Sanitäranlagen täglich und außerhalb der Betreuungszeiten erfolgen und bei mindestens 40 Quadratmetern vermutlich mindestens 1 Stunde/Tag in Anspruch nimmt.”

Der Änderungsantrag korrigiert also die simpelsten Dinge aus der Vorlage der Stadtverwaltung, die augenscheinlich gedanklich tatsächlich in der Welt der Niedriglöhne zu Hause ist und den klammen Haushalt auf Kosten der Tagespflegepersonen entlasten möchte.

„Mit der vorgeschlagenen Lösung bietet sich den Tagesmüttern und Tagesvätern nicht nur eine leistungsgerechte Vergütung, sie nimmt auch die Betreuung in extern angemieteten Räumen und die Betreuung von mehr als 9h/Tag auf”, betont Schmidt. “Ich begrüße dies sehr, basiert es doch auf einem Vorschlag meiner Fraktion, dies zukünftig in die Betrachtung bei der Finanzierung einzubeziehen. Die deutlich höhere Förderleistung ermöglicht zudem eine höhere Einzahlung der Tagespflegepersonen in die staatliche Rentenkasse. Dennoch werden sie auch zukünftig nicht umhinkommen, sich privat in Größenordnung gegen Altersarmut zu versichern. Eine private Altersvorsorge von monatlich 200 Euro ist das dabei übliche Maß, welches zukünftig finanzierbar erscheint, bislang kaum möglich schien.“

Die Vorlage des Dezernats Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule als pdf zum Download.

Der Änderungsantrag von Grünen und Linken als pdf zum Download.

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