Die letzte Überarbeitung des wohnungspolitischen Konzeptes wurde erst 2015 vom Stadtrat beschlossen. Und sie ist schon längst veraltet. Der Leipziger Wohnungsmarkt hat sich viel schneller verengt, als die Verwaltung glaubte. Auch wenn der Beteiligungsprozess einige wichtige Ansätze lieferte, wie der Wohnungsnot in Leipzig hätte vorgebeugt werden können. Aber dazu hätten die Regierungen in Dresden und Berlin mitspielen müssen, haben sie aber nicht.

Mit völlig untauglichen oder eher nur marginalen Instrumenten wie der viel diskutierten „Mietpreisbremse“ oder der „Milieuschutzsatzung“ versuchen die Kommunen die schlimmsten Verdrängungen nicht so zahlungskräftiger Einwohner aus der Stadt zu verhindern. Aber das sind Placebo-Mittel. Und jeder weiß es.

Selbst die Leipziger jener Boom-Zeit, die Burkhard Jung so gern beschwört, der „Gründerzeit“, waren klüger. Damals entstanden die großen Baugesellschaften und die ersten gemeinnützigen Stiftungen, die bezahlbaren Wohnraum für die arbeitende Bevölkerung aus dem Boden stampften. Später kamen die Wohnungsgenossenschaften hinzu. Jeder schien es damals zu wissen: Wenn man all die Geringverdiener in so einer rasant wachsenden Stadt mit bezahlbarem Wohnraum versorgen wollte, dann musste man preiswert große Wohnzeilen bauen.

Doch genau diese Art des Bauens hält der Bund schon seit Jahren knapp. Und die vom neoliberalen Denken begeisterte sächsische Regierung hat die Mittel für den geförderten Wohnungsbau jahrelang sogar komplett einbehalten. Erst jetzt läuft – mit einem viel zu kläglichen Mitteleinsatz – endlich ein bisschen geförderter Wohnungsbau an. In der Dimension weit, weit vom Bedarf entfernt.

Und die Fehlentwicklungen im radikalen Marktdenken, das in Berlin genauso bräsig regiert wie in Dresden, tauchen jetzt als Problemfall auch in den Überlegungen zur nächsten Neufassung des Wohnungspolitischen Konzepts in Leipzig auf.

Mittlerweile ist der Wohnungsmarkt in Leipzig angespannt, gibt das Planungsdezernat endlich zu, nachdem alle Normalverdiener, die in den letzten beiden Jahren nach bezahlbaren Wohnungen Ausschau hielten, merkten, dass es fast nur noch Wohnungen gibt, für die man zwingend ein gut dotiertes Westgehalt haben muss. Aber das haben in Leipzig nur 20 Prozent der Erwerbstätigen. Miethöhen (und Baukosten) passen seit den hunderten nickligen „Reformen“ unter den Bundesbauministern Peter Ramsauer (CSU) und Alexander Dobrindt (CSU) nicht mehr zum Einkommensniveau in Leipzig.

All diese Wucherungen der Bundesbaubürokratie zeigen, dass zumindest in diesem CSU-verwalteten Ministerium jeglicher Bezug zur Realität verloren gegangen ist. Damit wurde nicht nur in Leipzig das Bauen verteuert. In allen deutschen Großstädten hat sich unter diesen beiden Ministern die Wohnungslage verschärft. Und die Regeln sind so engherzig, dass selbst in Großstädten mit besseren Einkommen die Bautätigkeit weit unter den Erfordernissen bleibt.

Und da wirkt es recht hilflos, wenn Leipzig dann nach den verfügbaren Strohhalmen greift: Auf Antrag der Stadt Leipzig gilt seit dem 18. Februar 2018 die Kappungsgrenzenverordnung des Freistaates Sachsen für Mieterhöhungen auch für Leipzig – das heißt Mieten dürfen nur noch um maximal 15 Prozent innerhalb von drei Jahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden.

Jetzt habe die Stadt auch die im Wohnungspolitischen Konzept von 2015 verankerten Instrumente und Maßnahmen zur Umsetzung der wohnungspolitischen Leitlinien überarbeitet, teilte Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau am Dienstag, 29. Mai, mit. Die entsprechende Vorlage werde nun dem Stadtrat zur Diskussion übergeben, der im August darüber entscheiden könnte.

„Die Stadt schöpft die ihr zugänglichen Möglichkeiten der Einflussnahme für ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum aus“, kommentiert Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. „Aber die kommunalen Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Wir werden die Miet- und Bodenpreisentwicklung nicht stoppen, sondern bestenfalls dämpfen können. Unsere Möglichkeiten liegen vor allem auf den Gebieten der Stadtplanung, der Liegenschaftspolitik und der Stadtteil- und Projektentwicklung.

Wir setzen uns für eine noch stärker am Bedarf der Kommunen ausgerichteten Wohnungsbauförderung durch den Freistaat ein. Auch eine landesrechtliche Ermächtigung zum Aufstellen kommunaler Satzungen für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum ist dringend geboten.“

Der Spruch dazu: „Die Stadt Leipzig schärft ihre Instrumente, damit Wohnen in der Stadt bezahlbar bleibt.“

Das wird mit den verfügbaren Instrumenten nicht gelingen. Und das einzige Mittel, wirklich aktiv gegenzusteuern, ist Städten wie Leipzig genommen: selbst flächenmäßig preiswerten Wohnraum in Größenordnungen zu bauen. Kommunen dürfen kleckern. Klotzen ist ihnen verboten oder zumindest finanziell unmöglich gemacht.

Ein Schwerpunkt bei der Fortschreibung der Instrumente und Maßnahmen sei trotzdem der verstärkte Wohnungsneubau, so Dubrau. Neben den intensiv laufenden Planungen für große innerstädtische Entwicklungsgebiete (z. B. Eutritzscher Freiladebahnhof, Hauptbahnhof Westseite) sollen auch Wohnbauflächen in Heiterblick und Böhlitz-Ehrenberg, die überwiegend der Kommune gehören, entwickelt werden. In Kooperation mit den Akteuren sollen auch Konzepte für eine ausgewogene Nachverdichtung von Bestandsquartieren erarbeitet werden.

Die schlichte Wahrheit: Als die Bahn ihre großen Filetstücke im Stadtgebiet zum Kauf anbot, hätte Leipzig zuschlagen müssen und kaufen. Das hätte wirklich Handlungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten bedeutet. Aber das ist sächsischen Kommunen verboten. Stichwort: Neuverschuldungsverbot.

Das ist zwar eine Politik, die die Mietmärkte befeuert. Aber sie lähmt eine Stadt wie Leipzig. Und Investoren kaufen ihr die benötigten Flächen vor der Nase weg und bauen dann – nichts. Sie lassen diese Gelände wie am Jahrtausendfeld oder am Bayerischen Bahnhof liegen.

Logisch, dass Bürgermeisterin Dorothee Dubrau wenigstens ein bisschen Hilfe darin sieht, dass einige Entwickler mit der Stadt kooperieren bei der Entwicklung großer innerstädtischer Entwicklungsgebiete. Darauf wolle sie künftig auch den Schwerpunkt setzen. Denn wenn es zu solchen Kooperationen kommt, entsteht zumindest ein Drittel geförderter Wohnraum – also in der Dimension von 6,50 Euro je Quadratmeter, was der damals zuständige sächsische Innenminister Markus Ulbig für „sozial verträglich“ hielt.

Zum Zweiten wolle sich die Stadt Leipzig aber auch mit Nachdruck beim Freistaat Sachsen für eine bessere Förderung des sozialen Wohnungsbaus einsetzen, betonte die Baubürgermeisterin auch noch. Denn die lächerlichen 20 Millionen, die der Freistaat unter rigiden bürokratischen Vorschriften aus den verfügbaren Bundesmitteln durchreicht, reichen in Leipzig hinten und vorne nicht.

Zur Sicherung von bezahlbarem Wohnraum konnten bisher über Sanierungsvorhaben für knapp 40 Wohneinheiten Förderverträge abgeschlossen werden, für weitere 75 Wohneinheiten lägen Interessensbekundung vor, berichtete Dubrau. Den weitaus größeren Anteil werde aber zukünftig die Neubauförderung ausmachen. Hier lägen für über 1.000 Wohnungen Förderanfragen vor.

Aber das wird nicht reichen. Einmal, weil Bauland in Leipzig rar ist – nicht weil es wirklich fehlt. Aber riesige Flächen werden noch immer gehortet. Die Stadt selbst hat noch bis vor wenigen Jahren wertvolle Flächen verkauft, obwohl der wachsende Bedarf bei Kitas, Schulen und Wohnungen absehbar war.

Was jetzt schon heißt, dass viele Menschen, die in Leipzig eine Arbeit gefunden haben, ihren Wohnsitz außerhalb der Stadt suchen müssen. Und das werde von Leipzig auch aus gutem Grund unterstützt, betonte Dubrau: Die Stadt schaue über ihre Grenzen hinaus. Um das Wohnbauflächenangebot optimal zu entwickeln, wurden Fördermittel eingeworben, um gemeinsam mit den benachbarten Landkreisen und dem Regionalen Planungsverband Westsachsen ein regionales Wohnbauflächenkonzept zu entwickeln. Was in Leipzig nicht gebaut werden kann, könnte – wenn es genug Fördergelder gibt – in Markranstädt, Torgau oder Delitzsch gebaut werden.

Es hängt immer am (fehlenden) Geld.

Aber wirklich geklärt ist das noch lange nicht, musste Dubrau denn auch zugestehen: Stadt und Investoren brauchen hier eine verlässliche Perspektive. Deshalb setze sich die Stadt beim Freistaat Sachsen für eine dauerhafte Fortführung und verbesserte Förderbedingungen ein.

Da hätten die Oberbürgermeister der Großen Städte viel früher viel mehr Druck ausüben müssen. Im Land und im Bund.

Leipzigs Stadtverwaltung unterstützt den SPD-Antrag zum Zweckentfremdungsverbot

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