Als der Stadtrat am 24. Oktober den ersten Forstwirtschaftsplan in seiner Geschichte beschloss, stand in dem dicken Papier auch, dass die Baumfällungen im Auenwald künftig von einem Experten begleitet werden sollen, möglichst einem naturschutzkompetenten Menschen. Nur: Das Geld für so einen Naturschutzbegleiter hat man im Doppelhaushalt gar nicht vorgesehen. Zumindest die Grünen haben das gemerkt.

Aber es stimmt so einiges nicht am neuen Doppelhaushalt. Eigentlich erwartet man sogar fast täglich, dass die Mitarbeiter der Leipziger Naturschutzverbände schreiend über die Flure laufen, weil sie wieder einmal die wichtigen Posten nicht finden können im Entwurf. Naturschutz ist in Leipzig immer noch ein Findelkind, nicht so wichtig, jedenfalls nicht so wichtig, als wenn (Forst-)Wirtschaft da steht oder Tourismus(-wirtschaft).

Der Ökolöwe hat einmal benannt, was aus seiner Sicht alles fehlt im Doppelhaushalt 2019/2020.

So enthalte der Haushaltsplan an keiner Stelle die Erstpflanzung von jährlich 1.000 neuen Straßenbäumen. Dies ist als verbindliche Maßnahme im Luftreinhalteplan festgelegt. Die Verwaltung behauptet zwar gern, die meisten Maßnahmen im Luftreinhalteplan seien umgesetzt. Aber das betrifft zumeist nur die kosmetischen Maßnahmen. Nicht die, wo es um Geld geht wie bei der Pflanzung von 1.000 Straßenbäumen jährlich. Maximal ein Drittel wird geschafft. Für mehr reicht das Geld nicht.

„Bereits seit 2009 verfehlt die Stadt Leipzig die Zielvorgabe, 1.000 neue Straßenbäume pro Jahr zu pflanzen. Das zugehörige Straßenbaumkonzept, das seit Anfang 2017 beschlussfertig ist, muss endlich dem Stadtrat vorgelegt werden“, betont Friederike Lägel, umweltpolitische Sprecherin des Ökolöwen. „Es kann nicht sein, dass die Haushaltsposition für Investitionen für zusätzliche Bäume (Erstpflanzungen) 0 Euro beträgt.“

Was dann einen der „teuren“ Änderungsanträge der Grünen ergab, über die sich einige Leipziger Medien so echauffierten. Die Grünen beantragten die notwendigen 560.000 Euro für 2019 und 1,12 Millionen Euro für 2020.

Auch für das Leipziger Auensystem fehlen im Haushaltsplan die Mittel, um dringend notwendige Kartierungen sowie eine FFH-Verträglichkeitsprüfung finanziell abzusichern. Damit die Leipziger Auenlandschaft überlebt, wirksam geschützt und revitalisiert werden kann, benötigt es aus Sicht der Ökolöwen zudem eine Koordinationsstelle auf Dezernatsebene in Form einer/s Auwald-Entwicklungs-Beauftragten.

Der Haushaltsplan sieht aktuell auch kein Budget zur insektenfreundlichen Grünflächenpflege vor. Angesichts des massiven Insektensterbens braucht es auch in Leipzig dringend Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt.

Womit dann auch die ganzen Beschlüsse des Stadtrates zu Schmetterlingswiesen in den Sternen stehen. Erstaunlich, dass sich die Ratsfraktionen das immer wieder gefallen lassen. Was dann die Grünen aufzufangen versuchen, indem sie zum Beispiel eine Koordinierungsstelle „LeipzigGrün“ beantragen – mit 82.000 Euro pro Jahr dotiert.

Aber sie haben auch registriert, dass der Forstwirtschaftsplan seine Akzeptanz nur daraus speist, dass die Abteilung Stadtforsten zusichert, dass vor jedem Holzeinschlag ein unabhängiger Gutachter mitgeht und noch einmal jeden einzelnen Baum darauf kontrolliert, wie wertvoll er im Wald ist – zum Beispiel als Heimstatt vieler kleiner Tierarten. Die Rolle soll irgendwie jemand aus den Naturschutzverbänden spielen.

Deswegen beantragen die Grünen hier keine volle Stelle, sondern nur ein Budget, um so einen Fachmann oder eine Fachfrau in der Einschlagsaison zu beschäftigen: „Um in Umsetzung des Forstwirtschaftsplanes eine ökologische Begleitung abzusichern, wird dem Amt für Stadtgrün für 2019 und 2020 als auch für die kommenden Jahre, ein Budget in Höhe von 20.000 € p.a. für Honorar zusätzlich zur Verfügung gestellt.“

Und dass die Stadt hier einfach auch mal Geld ausgeben muss, damit nicht wieder lauter unersetzliche Baumhabitate gefällt werden, begründen die Grünen so: „Im Zusammenhang mit der Vorlage VI-DS-05105 hat sich die Stadtverwaltung verpflichtet, dass die forstlichen Maßnahmen durch eine fachlich geeignete und auf Waldökologie spezialisierte ökologische Begleitung abgesichert werden, die eine fachliche Einweisung der Ausführenden vornimmt und die Durchführung der Fällungen naturschutzfachlich begleitet.

Hierzu benötigt es in den kommenden Haushaltsjahren zusätzliche Mittel für die Abteilung Stadtforsten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer. Aufgabe der ökologischen Begleitung wird die Berücksichtigung von FFH- und Artenschutzbelangen und die ökologische Baubegleitung sein.

Hierzu gehört insbesondere die Vorbereitung und Einarbeitung, Vorabstimmung und Vorbegehung mit dem Förster, die Begehung zum Zweck der Umsetzung von Vermeidungsmaßnahmen (Markierung von Biotopbäumen, Ermittlung von Vorgaben für den Erhalt von Totholz, Ausgrenzung von Tabuflächen u. a.) sowie die eigentliche Begleitung der Rodungsmaßnahmen (Vorinformation und Einführung für Waldarbeiter und Kontrollbegehungen) von Oktober bis Februar.“

Da hilft dann eben kein Geschimpfe über den schieren Umfang des grünen Antragspakets. Im Gegenteil macht der Grünen-Antrag erst richtig klar, dass der bisherige Umgang mit dem FFH-Gebiet Leipziger Auenwald fast ausschließlich nur als Waldbewirtschaftung gedacht war. Eine wirkliche Einbettung in die Schutzgebietsstrategie fehlte und wird durch den saisonalen Einsatz von fachlichen Beratern nur ansatzweise ersetzt. Man rettet sozusagen im letzten Augenblick, was sonst einfach mit weggesägt worden wäre.

Nur beginnen die Sägearbeiten ja bekanntlich schon in Kürze, den genehmigten Haushalt aber gibt es ja meist erst im Frühsommer.

Vielleicht finden sich ja ein paar Ehrenamtliche, die zufällig noch ein paar Tage mit dem Förster im Wald verbringen können.

Welchen historischen Waldzustand in der Aue hätten wir denn gern?

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