Gemeinsam mit Polizeipräsident Bernd Merbitz (CDU) und Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) am Montagnachmittag die sogenannte Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße eingerichtet. Ab sofort ist es dort nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, angeblich gefährliche Gegenstände wie Messer, Reizgas und Baseballschläger zu tragen. Bei Verstößen drohen hohe Geldbußen. Etwa 100 Personen protestierten mit kreativen Aktionen gegen die Einrichtung.

Ab sofort dürfen sich Frauen rund um die Eisenbahnstraße nicht mehr mit Reizgas gegen nächtliche Übergriffe wehren. Das ist eine Konsequenz der am Montag, den 5. November, eingerichteten Waffenverbotszone. Wer in dem laut Innenministerium „rund 70 Fußballfelder großen Areal“ mit Schusswaffen, Messern oder anderen „gefährlichen Gegenständen“ erwischt wird, muss mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro rechnen. Zu den „gefährlichen Gegenständen“ zählen laut Innenministerium beispielsweise auch Baseballschläger.

„Wir müssen die Sicherheit der Einwohner und Touristen gewährleisten“, begründete Innenminister Roland Wöller (CDU) bei einem Vor-Ort-Termin am Montag die umfangreiche Maßnahme. Die Eisenbahnstraße sei „besonders von einer Kriminalitätsbelastung betroffen“. Zusätzliche Polizeikontrollen sollen sicherstellen, dass die Verbote wirken. Kritiker befürchten, dass sich die Maßnahmen vor allem gegen Migranten beziehungsweise Personen mit dunkler Hautfarbe richten werden.

Sowohl Polizeipräsident Bernd Merbitz als auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) betonten, dass es sich um vorübergehende Einschränkungen handeln soll. „Es ist ein Versuch“, sagte Jung. „Ich weiß selbst nicht, wie er ausgeht.“

Die offizielle Einrichtung wurde von einem großen Medienaufgebot begleitet – ähnlich wie vor fast genau einem Jahr, als Jung, Merbitz und der damalige Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Waffenverbotszone angekündigt hatten. Mehrere politische Parteien wie Linke, Grüne und FDP kritisierten das Vorhaben als wirkungslos. Ein Argument lautet, dass sich dadurch niemand von Straftaten mit Waffen abschrecken lasse.

Ende Oktober hatten mehr als zehn Kultureinrichtungen im Leipziger Osten einen gemeinsamen Brief veröffentlicht, darunter das Ost-Passage-Theater, das Pöge-Haus und das Kino der Jugend. Darin heißt es, dass die Waffenverbotszone „Teil einer politischen Stimmungskampagne in Vorbereitung auf den sächsischen Landtagswahlkampf 2019“ sei. Gemeinsam mit den Gruppen „Prisma“, „inEUmanity“ und „Solidarische Jugend Leipzig“ führte das Ost-Passage-Theater am Montagnachmittag eine Protestkundgebung im Rabet durch.

Einige Gegendemonstranten tauchten zudem in unmittelbarer Nähe zur offiziellen Einrichtung der Waffenverbotszone auf. Eine kleine Gruppe protestierte auf künstlerische Weise mit Pappschildern, die Handgranaten darstellen sollten. Später kamen Menschen mit Bannern und Sprechchören dazu. Diese begleiteten Wöller, Merbitz und Jung auch bei einem kleinen Abstecher zu einem Messergeschäft in der Eisenbahnstraße. Zwischenfälle waren nicht zu beobachten.

Am Ende versammelten sich die Gegendemonstranten um das kurz zuvor enthüllte „Waffen verboten“-Schild am Otto-Runki-Platz und hielten unter anderem eine Kettensäge aus Pappe daran. Als jemand einen Zettel mit der Aufschrift „Hier entsteht eine rassistische Kontrollzone“ anbringen wollte, drohte ein Polizist mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren. Auf Twitter kursierten am Montag bereits Spekulationen, wie lange es dauern würde, bis jemand das „Waffen verboten“-Schild entfernt oder übermalt.

Andere konfrontierten die Social-Media-Abteilung der Polizei mit der Frage, wie sie sich schützen könnten, da Pfefferspray und ähnliche Schutzwaffen nun verboten sind. Der Polizeiaccount antwortete, dass das Gebiet „kein unsicherer Bereich für Frauen“ sei. Wenig Verständnis für eine solche Frage wäre wohl auch von Polizeipräsident Merbitz zu erwarten. Dieser hatte in Bezug auf die verbotenen Gegenstände, also auch Reizgas, gesagt: „Solche Waffen mit sich zu führen, ist ein Ausdruck von Gewalt.“

Ein Offener Brief gegen eine verbohrte Politik: Die Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße stigmatisiert das ganze Quartier

Die Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße stigmatisiert das ganze Quartier

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 4 Kommentare

Manchmal glaube ich, die Veranlasser der Waffenverbotszone sind am Ende mit ihrem Latein. Was wollen sie bewirken? Mir fällt immer wieder der Bericht vom letztens bei einer Zufallskontrolle gestellte Kleintransporter mit den schlecht auf eine Holzpalette verpackten Drogen ein. Kriminelle denken schon gar nicht mehr dran Dinge zu verbergen.

Was für eine grandiose Idee. Ich stell einfach ein Schild mit der Aufschrift “Einbruch verboten” vor meine Tür. Ich seh die enttäuschten Einbrecher schon frustriert wieder abdackeln.
Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin…

Schreiben Sie einen Kommentar