Das Leipziger Jugendparlament kann ja über den Jugendbeirat nur Anträge stellen, die die Erwachsenen im Stadtrat dann aufgreifen können oder auch nicht. Was sich oft daran entscheidet, wie die Verwaltung auf die Anträge der Jugendlichen reagiert. Und dieser Antrag hier dürfte es schwer haben: Leipzig will ja Geld verdienen damit, dass die Stadt als Werbeträger verkauft wird. Und da wollen die jungen Leute nun Platz für richtige Kunst schaffen ...

Was einen an die zähe Diskussion um die Leipziger Graffiti-Szene erinnert, eine Diskussion, die jetzt ungefähr 15 Jahre zurückliegt und einer der ersten Schritte der städtischen Behörden war, die Ordnungspolitik zu verschärfen und die zumeist jugendlichen Sprayer nicht nur zu kriminalisieren (ihr Sprayen gilt ja schon von Gesetzes wegen als Sachbeschädigung), sondern regelrecht aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Der Höhepunkt war die Schließung der „Wall of fame“ am Karl-Heine-Kanal, wo sich zuvor – halb legal – Sprayer-Teams auch aus anderen Städten der Republik verwirklichten.

Und wer die Diskussionen in der Szene verfolgt weiß, dass Sprayen immer auch eine Rebellion gegen entfremdete Räume ist. Ein Argument, das erst kürzlich wieder die Runde machte: Wer will den Sprayern ihre Tags verbieten, wenn die großen Konzerne die Stadt mit ihrer sinnlosen Werbung zupflastern dürfen? Warum werden die Einwohner genötigt, den ganzen Werbemüll zu erdulden, die Sprayer aber werden von der Polizei gejagt? Entscheidet also auch hier wieder nur das Geld darüber, wer den öffentlichen Raum besetzen darf und wer nicht?

Augenscheinlich ja.

Aber welche Lösung sehen da die Jugendparlamentarier?

Sie schlagen vor: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ab dem 1. Quartal 2020 ihre Kontingente bei öffentlichen Leipziger Werbeflächen für vier Kunstwerke über je zwei Wochen freizuhalten. Der Leipziger Kulturrat wird damit beauftragt, rechtzeitig Kunstwerke zu empfehlen, welche ausgestellt werden sollen.“

Sie begründen es sogar mit einem Ausflug nach New York: „In New York, schätzen Statistiker, sieht der durchschnittliche Einwohner bis zu 5.000 Werbebotschaften am Tag. In Leipzig wird es stark weniger sein, aber die Vielfalt von Werbebotschaften und diesbezüglichen Trägern von Werbung ist durchaus immens. Wir sind es schon gar nicht mehr gewohnt, dass solche Vitrinen keine Werbung tragen. Durch die Schaffung einer werbefreien Kunstvitrine können die Einwohner der Stadt in ihrem Gang durch die Innenstadt davon überrascht werden, dass es auch Vitrinen gibt die nicht nur für kommerzielle Werbung da sind. Der Überraschungseffekt würde eine positive Bewertung der Stadt Leipzig bedeuten und eventuell auch dazu führen, dass mehr Menschen in die Museen der Stadt gehen. Für Kunst haben Menschen immer ein offenes Auge, da diese sich von den normalen Botschaften die in der Stadt optisch vermittelt werden, abhebt. Darüber hinaus bedeutet es Vielfalt, wenn nicht nur kommerzielle Botschaften einen Träger erhalten.“

Und da denkt man dann unwillkürlich an die digitalen Werbedisplays, die die Firma JCDecaux 2016 in der Leipziger Innenstadt aufgestellt hat als Pilotprojekt. Das Projekt läuft in diesem Jahr aus – aber da die Säulen digital sind, könnten sie relativ unaufwendig mit anderen Inhalten bespielt werden – zum Beispiel richtiger Kunst oder mal einer richtigen Werbung für alle Leipziger Kunstorte.

Ist nur so ein Gedanke. Die jungen Leute denken ja noch und lassen sich was einfallen und betrachten die Stadt nicht mit der sturen Saubermannbrille der meisten älteren Politikmacher.

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