Am 18. Oktober wurde der Leipziger Kulturrat beerdigt. Das klingt jetzt etwas hart, war aber so. Und es war Zeit. Gremien, die an ihrem Beginn eine wichtige Rolle spielen für die Stadt, können sich auch überleben. Und so ein Gremium war der Kulturrat, der vom Leipziger Stadtrat 2016 beschlossen wurde und 2017 seine Arbeit aufnahm. Und dann irgendwie den Zeitpunkt verpasste, an dem seine Arbeit eigentlich getan war.

Er war groß gedacht und es saß so ungefähr auch jede Institution mit Vertretern drin, die in Leipzig irgendwas mit Kultur machte.

In der Beschreibung der„Beerdigungs“-Vorlage las sich das zum Beispiel so: „Am 26.10.2016 beauftragte der Leipziger Stadtrat den Oberbürgermeister damit, einen Kulturrat in Leipzig einzurichten. Die konstituierende Sitzung fand am 2. Mai 2017 statt. Zwischen 2017 und 2023 fanden 28 Sitzungen des Kulturrates statt. (…)

Ziel des Leipziger Kulturrates war es, als Beratungsgremium Einfluss auf kulturpolitische, stadtweite Themen zu nehmen und Akteur/-innen aus der kommunalen wie freien Kunst und Kultur mit Akteur/-innen der Kultur- und Kreativwirtschaft, der regionalen Wirtschaft und weiteren relevanten Stakeholdern aus Gesellschaft und vor allem Kommunalpolitik zu vernetzen.

Dabei sollten gemeinsame Standpunkte und Thesen entwickelt werden. Der Leipziger Kulturrat erarbeitete Stellungnahmen und Thesenpapiere zu verschiedenen Themen, u. a. zur inhaltlichen Ausgestaltung der Themenjahre, zur Erinnerungskultur und zur sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit.

Insgesamt waren seit seiner Gründung 31 Personen aus der Leipziger Akteurslandschaft Mitglied des Kulturrates.“

Denn damals ging es noch um eine ziemlich spürbare kulturpolitische Sprachlosigkeit. In etlichen Fraktionen herrschte gnadenlose Unkenntnis über einige „Schatten“-Bereiche der Kulturlandschaft – angefangen mit der Freien Szene, den Bands und den bildenden Künstlern. Und diese wiederum redeten auch nicht miteinander, eher übereinander, wenn es um Förderungen ging, zum Beispiel, wer eine solche bekam und die anderen nicht.

Drei Jahre erfolgreiche Arbeit

Aber das Wesentliche wurde eigentlich in den ersten drei Jahren gesagt, aufgeschrieben und dann in Teilen auch in neue Strukturen gegossen oder gar zum Stadtratsbeschluss.

Im Tonfall der Vorlage: „Während seiner aktiven Arbeitsphase hat der Leipziger Kulturrat wichtige Impulse für die Kulturpolitik in Leipzig formuliert. Angefangen mit einem Positionspapier zur Situation der Freien Szene in Leipzig unterstützte der Rat danach die Stadt Leipzig bei der Findung von Kriterien für Großveranstaltungen, durch das Einbringen von Leitlinien, die in die Beschlussfassung aufgenommen wurden.

Auch in der Erarbeitung und Weiterentwicklung der Jubiläen und Themenjahre der Stadt Leipzig war der Kulturrat intensiv eingebunden und hat an der Verfassung der Ratsvorlage (VI-DS-07998) mitgewirkt.“

Mit der Freien Szene war im Grunde schon der wichtigste Akteur benannt, der dringend eine bessere Kooperation von Seiten der Stadt brauchte. Aber 2020 war dann eigentlich schon die Luft raus. Alles war gesagt. Man traf sich zwar noch – aber kam zu keinen zielgerichteten Diskussionen mehr.

Langwierige Debatten

„In der Evaluation 2020 wurde festgehalten, dass die Arbeit des Rates von vergleichsweise langwierigen Debatten und dem sehr heterogenen Mitgliederkreis gehemmt wird. Die Beteiligung an den Prozessen muss weiterhin seit Gründung des Rates als gering eingeschätzt werden, sodass die Arbeit meist auf nur wenigen Schultern verteilt werden konnte“, bringt die Vorlage das Ganze auf den Punkt. Man hätte eigentlich schon 2020 den Stecker ziehen können.

Aber dazu war dann wieder der Ärger bei den Vertretern aus den Kulturbereichen zu groß, denn ganz offensichtlich schwänzten einige Vertreter/-innen aus den Ratsfraktionen die Sitzungen immer öfter. Auch so kann man Interesselosigkeit ausdrücken.

„Auch eine fehlende Wahrnehmung des Leipziger Kulturrates sowohl in der Kommunalpolitik als auch öffentlichen Debatten musste konstatiert werden“, liest man in der Vorlage. Aber eben auch, dass sich mittlerweile andere Strukturen herausbildeten, mit denen wesentlich besser gearbeitet werden konnte.

„Auch in Zeiten der Corona-Pandemie wurde der Rat nicht als Impulsgeber angerufen, sondern flexiblere Formate wie der Jour Fixe Freie Kunst und Kultur sowie Kreativwirtschaft genutzt, da diese schneller Ergebnisse und praktische Erleichterungen für die Kunst und Kultur mit der Verwaltung abstimmen und umsetzen konnten.“

Drei Jahre Nachspielzeit

Da wäre 2020 tatsächlich das richtige Jahr für einen feierlichen Abschied gewesen. Vor allem auch, weil es auch ein Moment gewesen wäre zu zeigen, dass auch ein nur für drei Jahre arbeitendes Gremium seine Arbeit getan hatte. Und das eigentlich mit Erfolg.

„Bereits im September 2020 wurde die Arbeit des Kulturrates in seiner Ausformung von der Vorsitzenden des Kulturrats, der Kulturbürgermeisterin, der Kulturamtsleiterin und der damaligen Geschäftsführung, gemessen an Anspruch, Zielen und Aufwand, als nicht zufriedenstellend bewertet. Weiterhin ist ein deutlicher Rückzug der kulturpolitischen Sprecher/-innen der Stadtratsfraktionen zu verzeichnen“, fasst die Vorlage zusammen.

Man hat dann noch drei Jahre mit jährlichen Treffen weitergemacht. Aber das brachte keinen neuen Aufschwung. Nur das Gefühl, dass an dieser Form der Zusammenarbeit vielleicht doch etwas ist, was man irgendwie fortführen sollte. Aber in anderen Formaten.

Das sprach in der Ratsversammlung am 18. Oktober Grünen-Stadträtin Anna Kaleri-Schneider an und wünschte sich, dass der letzte Passus aus der Begründung des Auflösungs-Beschlusses selbst Teil der Beschlussfassung würde: „Die Verwaltung wird prüfen, inwiefern ein Nachfolgeformat im Bereich des Austausches zwischen Verwaltung, Akteuren aus Kunst und Kultur sowie (Kreativ-)Wirtschaft und der Kommunalpolitik notwendig ist und falls eine Notwendigkeit besteht, welchen Kriterien und Zielen ein Nachfolgeszenario folgen sollte. Die Prüfung soll bis zum II. Quartal 2024 abgeschlossen sein.“

Das sagte Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke auch zu.

Und so konnten auch die Grünen der Vorlage, die das Ende des Kulturrates zum Inhalt hatte, zustimmen. Der Auflösungsbeschluss war dann einhellig, mit den Stimmen aller 53 Anwesenden für die Vorlage.

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