Es ist ein ganz schöner Drahtseilakt, den Oberbürgermeister Burkhard Jung jetzt versucht. Während der Stadtrat am Mittwoch, 20. Mai, tagte, ließ er eine Meldung veröffentlichen, in der er schon einmal beschreibt, wie eine neue Verwaltungsstruktur aussehen könnte, wenn Leipzig mit der neuen sächsischen Gemeindeordnung acht Bürgermeisterstellen besetzen darf. Bislang durften es nur sieben sein. Und die Wahl des Wirtschaftsbürgermeisters im September fällt erst einmal aus.

Angekündigt, dass er sich mehr Bürgermeister wünscht, hatte Burkhard Jung ja schon im OBM-Wahlkampf. Und die neue Sächsische Gemeindeordnung soll es möglich machen. Die ist zwar angekündigt. Aber sie liegt bislang im Sächsischen Landtag noch nicht vor. Denn damit Leipzig mehr Bürgermeisterstellen einrichten kann, ist Voraussetzung, dass der Landtag des Freistaates mit einer Novellierung der Gemeindeordnung den Weg ebnet: Die Sächsische Gemeindeordnung soll künftig ermöglichen, in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern ihre Verwaltung in acht Dezernate gliedern können. Dies ist für Anfang 2021 geplant. Bisher liegt die Obergrenze bei sieben Dezernaten für Städte mit mehr als 400.000 Einwohnern.

Dabei hat eine wachsende Stadt wie Leipzig immer mehr Aufgaben zu bewältigen, die sich dann oft genug in einigen wenigen (Super-)Dezernaten bündeln. Aus der Perspektive des Oberbürgermeisterbüros: „Rasantes Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Aufschwung, Klimawandel und Demokratieförderung und nicht zuletzt die Corona-Pandemie – neue Aufgaben haben die Verwaltung Leipzigs in den letzten Jahren vor neue Herausforderungen gestellt. Insbesondere im Bereich Jugend, Schule, Bauverwaltung, Wohnen, Soziales und Gesundheit ist die Aufgabendichte stark gewachsen. Um diese professionell und schnell beherrschen zu können, soll die Struktur der Verwaltung angepasst und umgestaltet werden.“

Eine Verwaltung mit acht Dezernaten erlaube eine noch passgenauere Aufteilung der Themen und Arbeitsgebiete, so das OBM-Büro. So soll das Dezernat V – mit dem bisher größten Einzelbudget und zuständig unter anderem für alle Sozial-und Bildungsfragen – in zwei Dezernate aufgeteilt werden,

1) in ein Dezernat Soziales und Gesundheit und

2) in ein Dezernat Jugend, Schule und Demokratie.

Oberbürgermeister Burkhard Jung sagt dazu: „Die Sozial- und Bildungsthemen sollen in der Verwaltung künftig auf zwei Schultern lagern; ich erhoffe mir hiervon vor allem mehr Raum, um sich noch besser um Menschen und die Aufgaben kümmern zu können. Zweitens soll die Bedeutung des Themas Klimaschutz im Titel des Dezernates III und mit einem neuen Klimareferat höher gewichtet werden.“

Das ist eine durchaus diffizile Frage. Denn im OBM-Wahlkampf hatten die Grünen schon einmal deutlich gemacht, dass sie Interesse an der Besetzung des seit 2006 von Thomas Fabian (SPD) geführten Sozialdezernats hätten. Fabian hat das 65. Lebensjahr erreicht. Die Grünen sind bislang nur mit einem Dezernat in der Stadtspitze vertreten – dem für Stadtentwicklung und Bau. Das soll schon im August neu besetzt werden, denn Dorothee Dubrau, die das Dezernat seit 2013 führt, hört auf. Nachfolgekandidaten konnten sich bis zum März bewerben.

Das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule steht genauso wie die Dezernate Umwelt, Ordnung und Sport und Wirtschaft, Arbeit und Digitales im September zur Wahl an. Während die Linke wohl wieder mit Heiko Rosenthal für das Umweltdezernat ins Rennen geht, soll nach Vorstellung von Burkhard Jung die Wahl eines neuen Wirtschaftsbürgermeisters erst einmal ausfallen, um Spielraum für die Aufspaltung des riesigen Sozialdezernats zu bekommen.

Sozialdezernent Thomas Fabian (SPD) am 20. Mai 2020 im Stadtrat. Foto: L-IZ.de
Sozialdezernent Thomas Fabian (SPD) am 20. Mai 2020 im Stadtrat. Foto: L-IZ.de

Bis zur Gesetzesänderung auf Landesebene – bis dato bleiben nur sieben Dezernate zulässig – soll nämlich eine Interimslösung ab September 2020 gelten: Die Ämter des bisherigen Wirtschaftsdezernats werden intern temporär dem Oberbürgermeister und bestehenden Dezernaten zugeteilt. So soll das Amt für Wirtschaftsförderung wegen seiner herausragenden Bedeutung für die Entwicklung der Stadt (gerade in Corona-Krisenzeiten) dem Oberbürgermeister direkt unterstellt werden. Das Thema Arbeit wird für die Übergangszeit dem Dezernat Soziales und Gesundheit zugeordnet, das Referat Digitale Stadt wechselt interimistisch zum Dezernat Allgemeine Verwaltung.

Erst mit der Gesetzesänderung im Land soll dann die Beigeordnetenstelle für Wirtschaft, Arbeit und Digitales ausgeschrieben werden. Nach Besetzung gehen die ausgegliederten Ämter dann zurück in das neue Dezernat VIII für Wirtschaft, Arbeit und Digitales.

Da ist dann durchaus spannend, welche Fraktionen sich neben den Grünen für die beiden Bürgermeisterstellen, die aus dem alten Dezernat V hervorgehen, bewerben werden. Immerhin war der Kampf um die Dezernate schon 2013 ein Krimi, in dem die Grünen lieber das Baudezernat beanspruchten, als sich auf ein Kräftemessen um das Umwelt- oder das Sozialdezernat einzulassen.

Die Kräfteverhältnisse sind seit der Stadtratswahl 2019 deutlich andere. Linke und Grüne stellen die stärksten Fraktionen. Und der einst starken SPD-Fraktion dürfte es schwerfallen, neben dem Verwaltungsbürgermeister und dem OBM ein weiteres Dezernat zu beanspruchen.

Die Neustrukturierung der Verwaltung könnte also schon vor der geplanten Gesetzesänderung im Freistaat voraussichtlich bis zum 1.Quartal 2021 in Angriff genommen werden. Die Bürgermeisterstellen können so bereits mit dem neuen Zuschnitt ausgeschrieben werden und müssen nicht im Nachhinein geändert werden.

Aber diesem Vorschlag des Oberbürgermeisters muss auch erst einmal der Stadtrat zustimmen: Dazu soll der Stadtrat zunächst am 28. Mai einen Grundsatzbeschluss zur Zielstruktur mit acht Dezernaten fassen. Auf dieser Basis könnten die neuen Themenzuordnungen der Dezernate bereits vorgenommen werden.

Der Stadtrat tagt: Die Mai-Sitzung im Livestream und als Aufzeichnung

Der Stadtrat tagt: Die Mai-Sitzung im Livestream und als Aufzeichnung

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Das scheint nicht nur ein Drahtseilakt, sondern noch dazu recht clever. Interessant am Artikel ist, dass hier ein Amt des Wirtschaftsdezernats völlig unerwähnt bleibt und wo es übergangsweise verortet werden soll.

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