Im Corona-Shutdown kam auch ein Großteil des Leipziger Verkehrs zum Erliegen. Auch die Bahnen und Busse der LVB leerten sich, weil die Leipziger/-innen zu Hause blieben oder lieber aufs Fahrrad umstiegen. Gleichzeitig trommelten die Umweltverbände für eine deutliche Verbesserung der Radwegesituation, während die AfD geradezu das Gegenteil beantragte: die Aufhebung der Umweltzone. Ein Antrag, der selbst aus epidemologischer Sicht Quatsch ist, wie das Umweltdezernat jetzt feststellt.

Eingeführt hat Leipzig die Umweltzone 2011, um die Einfahrt von Kraftfahrzeugen, die die Grüne Plakette nicht haben, zu unterbinden und damit langfristig die Ruß-Last in der Stadt zu senken. Ein Effekt, der tatsächlich eingetreten ist, wenn auch mit Verzögerung: Seit zwei Jahren kann Leipzig die von der EU vorgegebenen Grenzwerte zur Luftreinhaltung einhalten.

Schon aus dieser Sicht wäre eine auch nur temporäre Aufhebung der Umweltzone, wie sie die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat beantragt hat, völlig kontraproduktiv.

Aber selbst die Argumente, die die AfD-Fraktion für ihren Antrag benannte, funktionieren nicht, wie das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport jetzt in seiner ablehnenden Stellungnahme zum AfD-Antrag recht ausführlich erklärt.

Mal abgesehen davon, wie das Dezernat kurz andeutet, dass der Aufwand, alle Schilder wieder abzubauen, in keinem Verhältnis zum gemutmaßten Nutzen steht: „Die Umweltzone in Leipzig erstreckt sich auf einer Fläche von 184 km². Die am Straßenverkehr teilnehmenden Personen werden über die Einfahrt in die Umweltzone und über das Verlassen der Umweltzone mittels Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 sowie entsprechenden Zusatzzeichen informiert.

Insgesamt wurden zur Kennzeichnung der Umweltzone mehr als 200 Verkehrszeichen nach § 45 Abs. 1 f der Straßenverkehrsordnung angeordnet und aufgestellt. Eine temporäre Aussetzung der Umweltzone würde es erforderlich machen, die Anordnung der Umweltzone aufzuheben und die vorhandene Beschilderung durch geeignete Maßnahmen (z. B. Demontage, Wegdrehen, Verdecken, Auskreuzen) außer Kraft zu setzen.“

Und woher kämen eigentlich die Autos, von denen die AfD-Fraktion vermutete, dass sie die Leipziger jetzt unbedingt aus der Garage holen wollten, um den auch so gefährlichen ÖPNV zu meiden?

Das fragte sich auch das Umweltdezernat: „Der Antrag impliziert, dass es unter den Nutzern des ÖPNV eine relevante Personenzahl gibt, die über ein Fahrzeug ohne grüne Plakette verfügt und aufgrund der Regelungen zur Umweltzone daran gehindert sei, dieses alternativ zum ÖPNV zu nutzen, um das persönliche Infektionsrisiko mit dem Coronavirus SARS-COV-2 wirksam zu mindern.“

Aber nach neun Jahren Umweltzone gibt es solche Autos kaum noch. Und die wenigen, die in Leipzig noch fahren, haben schon alle eine Sondergenehmigung. Ergebnis, so das Umweltdezernat: „Seit der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland bzw. einer ersten bekannt gewordenen Infektion in Leipzig (Anfang März) sind bei der Stadt Leipzig keine Anfragen hinsichtlich möglicher Ausnahmen vom Fahrverbot eingegangen. Dies lässt darauf schließen, dass es keinen Bedarf gibt, auf welchen ein Tätigwerden der Stadtverwaltung gestützt werden könnte.

Im Übrigen gelten die bisherigen Regelungen zur Erteilung einer Ausnahme vom Fahrverbot in der Umweltzone zwecks Vermeidung sozialer oder wirtschaftlicher Härten unverändert fort (vgl. Information auf der Webseite der Stadt Leipzig). Gegenwärtig gibt es noch zwei Einzelausnahmegenehmigungen, die für Pkw zum Befahren der Umweltzone erteilt sind.“

Wer umsteigt, steigt also in der Regel auf ein jüngeres Fahrzeug um, das die Grüne Plakette hat. Diese Fahrzeuge dominieren längst den Leipziger Fahrzeugpark.

Aber da ist ja auch noch die heiß diskutierte Frage, welche Rolle eigentlich die dauerhaft hohe Luftbelastung bei der Ausbreitung und der Gefährlichkeit der Corona-Infektionen spielen könnte. Gerade im April heiß diskutiert, als auch ein Hallenser Forscher die Zahlen aus den Corona-Infektionen mit denen der Luftschadstoffbelastung in Norditalien verglich. Denn dass die Luftschadstoffe für vermehrte Lungenerkrankungen sorgen, ist bekannt. Können solche Vorerkrankungen die Infektion mit dem Corona-Virus befördern?

Eine Frage, die sich auch das Leipziger Umweltdezernat stellt.

„Grundlage für die Anordnung der Beschilderung zur Umweltzone ist der Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig. Die Maßnahmen des Luftreinhalteplans, so auch die Umweltzone, dienen dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Eine temporäre Aufhebung des Fahrverbotes würde zunächst eine Verringerung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung bedeuten, zumal nicht absehbar ist, für welchen Zeitraum das Fahrverbot auszusetzen wäre“, stellt es fest.

„Denn weder gibt es in Bezug auf das Virus derzeit einen Impfstoff noch ist davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit einen Impfstoff geben wird (vgl. Information auf der Webseite des Robert Koch Instituts mit Stand vom 27.04.2020). Zudem wird in der Wissenschaft derzeit noch darüber diskutiert, welchen nachteiligen Einfluss die Luftverschmutzung auf das Infektionsrisiko bzw. den Krankheitsverlauf hat (vgl. Information auf der Webseite des Umweltbundesamtes mit Stand vom 16.04.2020).“

Das Fazit, das das Umweltdezernat zieht: „Die Aufhebung der Fahrverbote erscheint in diesem Zusammenhang zumindest derzeit nicht als das richtige Signal. Zudem ist die Verhältnismäßigkeit hinsichtlich des Aufwandes zur Aufhebung des angeordneten Fahrverbotes einerseits und der offenbar fehlenden Betroffenheit andererseits nicht gegeben.“

Wird Covid-19 gerade in jenen Regionen tödlich, wo es vorher schon hohe Luftbelastung durch Industrie und Verkehr gab?

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