Die Corona-Pandemie hat unsere Gesellschaft in ein riesiges Dilemma gestürzt. Das spüren vor allem jene Branchen, die jetzt schon vom zweiten Lockdown betroffen sind – wie die Leipziger Gastronomen. Entsprechend emotional ging es am Donnerstag, 12. November, im Stadtrat zur Sache, als der Freibeuter-Antrag „Temporäre Aufhebung der Beschränkung der Zahl der Heizstrahler auf Freisitzen“ diskutiert wurde. Mit erwartbar knappem Ergebnis.

Worüber sich hinterher besonders FDP-Stadtrat Sascha Matzke freute, denn auf Antrag der Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat beschloss die Ratsversammlung in der Sitzung am 12. November die Aufhebung der Beschränkung von Heizstrahlern auf Freisitzen im Stadtgebiet Leipzigs bis zum 31. März 2021.

Sascha Matzke, Vertreter der Fraktion Freibeuter im Fachausschuss Wirtschaft, Arbeit und Digitales, sieht die Aufhebung der Beschränkung der Zahl der Heizstrahler für Freisitze in der Stadt Leipzig nach dem zweiten Corona-Lockdown und angesichts der Absage des Weihnachtsmarktes durch den Oberbürgermeister als echte Chance:

„Restaurants und Bars sind aufgrund der Verordnung des Freistaates aktuell bedauerlicherweise geschlossen. Für die Wirte ein Schlag ins Gesicht, die die Hygienemaßnahmen umgesetzt haben. Sobald Restaurants und Bars wieder geöffnet werden, zählt jeder Gast. Und der Gast kommt und sitzt dort auf dem Freisitz am liebsten, wo es angenehm warm ist. Nach der Zeit des zweiten Lockdowns sollen Wirte ihren Gästen so viele Heizstrahler wie möglich und so viele wie nötig zur Verfügung stellen können – zumindest bis ins Frühjahr!“

Aus Sicht der Fraktion Freibeuter reicht dabei ein Heizstrahler je 20 Quadratmeter, wie er entsprechend der Sondernutzungssatzung auf Antrag Gastronomen gestattet wird, nicht aus. „Es macht im Winter eben doch einen Unterschied, ob man 2 Meter von einem Heizstrahler entfernt sitzt oder 5 Meter“, sagte Matzke in seiner Rede, mit der er den Antrag einbrachte und auch gegen die Einwände des Dezernats Umwelt, Klima, Ordnung und Sport verteidigte.

„Denn auch eine Fläche von 2 mal 10 Metern sind 20 Quadratmeter. Und wenn ich mir die Freisitze so anschaue, dann sind sie doch eher lang und schmal. Da wäre ein Heizstrahler zu wenig. Unter freiem Himmel können wir dem Infektionsschutz gerecht werden und trotzdem in Gesellschaft sein.“

Darüber hinaus sieht der Freidemokrat Matzke den Antrag seiner Fraktion im Sinne der Wirte nicht als Widerspruch zum Klimaschutz, verweist vielmehr auf den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, der Ende September im Rahmen einer Abwägung den Einsatz elektrischer Heizstrahler angesichts des erhöhten Risikos einer Ansteckung in geschlossen Räumen einer Gaststätte für eine Übergangszeit als vertretbar ansah.

Und am Thema Klimaschutz entzündete sich dann auch die Debatte. Insbesondere Jürgen Kasek für die Grünen und Franziska Riekewald für die Linke verwiesen auf die noch gar nicht lange zurückliegende Debatte im Stadtrat, in der es ursprünglich sogar um das Verbot der Heizpilze ging. Denn – so Kasek – ein solcher Heizpilz emittiere letztlich soviel CO2 wie ein Kleinwagen, der 15.000 Kilometer im Jahr fährt.

Zwar waren sich Linke und Grüne beim Klimaschutzthema einig. Aber die Perspektive der Gastronomen nahm diesmal vor allem SPD-Stadtrat Andreas Geisler ein, der als Bäckermeister weiß, was es für einen Unternehmer bedeuten muss, wenn er gleich zwei Mal in so einem Corona-Jahr die komplette verderbliche Kühlhausware entsorgen muss. Da würden auch 75 Prozent Ausfallerstattung vom Bund nicht helfen.

Und selbst AfD-Stadtrat Christian Kriegel wurde emotional und sagte diesmal auch nichts Falsches, als er an die Angestellten erinnerte, die durch den Lockdown im Gastgewerbe ihren Job verlieren und zum Jobcenter müssen. Was er dann zum Klimaschutz und dem „erfundenen“ Klimanotstand sagte, war freilich reiner Unfug.

Aber das Dilemma ist trotzdem da: Kann man den Leipziger Gastronomen dadurch helfen zu überleben, wenn man ihnen mehr Heizstrahler zugesteht, dadurch aber wieder das Klima schädigt?

Wobei Andreas Geisler auch darauf verwies, dass die Freibeuter das Wort Heizstrahler verwendet hatten in ihrem Antrag und nicht das Wort Heizpilze. Und moderne Heizstrahler würden deutlich weniger Energie verbrauchen. Und auch die Rolle der Gastronomen für Leipzigs lebendige Innenstadt dürfe man nicht vergessen.

Wie entscheidet man da, wenn man weiß, dass unser Klimabudget eigentlich längst aufgebraucht ist, wie Jürgen Kasek betonte? Wir also eigentlich kein weiteres CO2 in die Atmosphäre blasen dürfen? Das drohte schon zu einer neuen langen Debatte zu werden. Aber auf Antrag von Falk Dossin (CDU) wurde über einen Abbruch der Debatte abgestimmt, dem die Mehrheit des Stadtrats auch folgte.

Linke und Grüne stimmten bei dem eigentlichen Freibeuter-Antrag entsprechend konsequent mit Nein, CDU, SPD und AfD unterstützen den Freibeuter-Antrag, sodass es am Ende eine knappe Zustimmung mit 32:29 Stimmen gab.

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Kuschelwärme im Freisitz: Umweltdezernat lehnt Freibeuter-Antrag zu mehr Heizstrahlern ab

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