Wie kommen wir da finanziell raus? Die Frage bewegt auch Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew. Am Freitag, 4. Dezember, legte er den neuen Finanz(zwischen)bericht für das Corona-Jahr 2020 vor. Und wahrscheinlich wird Leipzig dieses Jahr mit einem Fehlbetrag von knapp 103 Millionen Euro verlassen. Aber Corona allein ist an diesem Minus nicht schuld. Und wenn man es genau bedenkt, sind es vor allem steuerliche Mindereinnahmen, die nicht zum Ausgleich der Schäden zur Verfügung stehen.

Auch wenn die Steuerausfälle wohl nicht so hoch sein werden, wie noch im Frühjahr befürchtet. Denn einerseits hat ein Großteil der Betriebe seine Arbeit (bislang) aufrechterhalten können. Die Wirtschaft funktioniert in den meisten Branchen auch trotz Corona-Auflagen weiter und die Arbeitslosenzahlen sind andererseits nicht so stark gestiegen wie befürchtet.

Trotzdem bedeutet das natürlich Ausfälle bei Gewerbe-und Einkommensteuer. Wie sich das auswirkt, beschreibt das Finanzdezernat in seiner Vorlage so: „Neben prognostizierten Steuermindererträgen, insbesondere der Gewerbesteuer sowie den Gemeindeanteilen an der Einkommens- und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 138 Mio. EUR schätzt die Stadt Leipzig zum Stand 30.09.2020 coronabedingte Mehrbedarfe in Höhe von insgesamt ca. 108 Mio. EUR ein.“

Geplant hatte der Finanzbürgermeister den Haushalt 2020 ursprünglich mit Steuereinnahmen von 674,68 Millionen Euro. Nach aktuellen Prognosen werden es aber wohl nur 554,49 Millionen Euro, was logischerweise zu einer Differenz von 120 Millionen Euro führt.

Der größte Teil dieser Mindereinnahmen geht auf die Gewerbesteuer zurück, wo Leipzig mit 340 Millionen Euro gerechnet hat, aber wohl nur 238 Millionen Euro einnehmen wird, was allein Mindereinnahmen von 102 Millionen Euro sind.

Bei der Einkommenssteuer, an der die Kommunen ja nur anteilig partizipieren, geht das Finanzdezernat von einer Einnahme in Höhe von 171 Millionen Euro (statt 202 Millionen Euro) aus, also rund 30 Millionen Euro weniger.

Ein Haufen ungeplanter Mehrausgaben

Und auf der anderen Seite standen natürlich Ausgaben, die so vorher nicht kalkuliert waren. Die ungeplanten Mehrausgaben summieren sich bislang auf rund 124 Millionen Euro. Dazu gehören zum Beispiel die Mindereinnahmen der städtischen Gesellschaften und Betriebe, die durch die Stadt irgendwie ausgeglichen werden müssen.

Zum Beispiel die Tatsache, dass die Leipziger Messe in diesem Jahr fast alle Veranstaltungen absagen musste und damit logischerweise ihre Einnahmequelle verlor. Das steckt in den 14 Millionen Euro, die allein im OBM-Bereich als Zusatzkosten anfielen.

„Ohne Zuordnung“ zu einem Dezernat findet man dann den mit 56 Millionen Euro sehr großen Posten von „Ausgleich pandemiebedingter Verluste städtischer Unternehmen“. Auch die Kulturbetriebe von Oper und Gewandhaus und Musikschule bis hin zu den städtischen Museen hatten ja massive Einnahmeausfälle, weil sie ihre Häuser oft über viele Monate schließen mussten.

Freilich fällt auch das Amt für Jugend, Familie und Bildung auf, das wieder einmal deutlich höhere Kosten verursachte, als ursprünglich geplant wurden,

Was der Bericht des Finanzbürgermeisters auch besonders hervorhebt: „Bei den Hilfen zur Erziehung wird sich eine Budgetüberschreitung von insgesamt 36,5 Mio. EUR ergeben. Mit dem VIST per 30.09.2020 wird von Aufwendungen in Höhe von insgesamt 150,4 Mio. EUR in diesem Bereich ausgegangen. Das Ergebnis für 2019 beträgt voraussichtlich 133,5 Mio. EUR, womit sich der Mehrbedarf im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019 auf 16,9 Mio. EUR beläuft. Mit der Vorlage VII-DS-00080 wurde mit einem VIST per 30.09.2019 in Höhe von 134,6 Mio. EUR gerechnet.

Bereits Ende 2018 zeichnete sich ein erheblicher Anstieg der Fallzahlen ab, welcher allerdings nicht mehr im Rahmen der Haushaltsplanung 2019/2020 berücksichtigt werden konnte. Für die Prognose 2020 wurden nunmehr die Fallzahlenentwicklung 2019 sowie die aktuellen durchschnittlichen Ist-Fallzahlen zugrunde gelegt. Hieraus ergibt sich nochmals eine Planüberschreitung. Daneben kommt es ebenfalls zur Erhöhung der ursprünglich angenommenen Fall- sowie Personalkostensteigerung.“

Ein Thema, bei dem ja die Grünen-Fraktion davon ausgeht, dass das auch auch so einiges mit den Strukturen im Amt zu tun hat. Mit einer Strukturänderung erhoffen sie sich hier eine deutliche Kostenreduktion in Zukunft.

Spannend sind auch zwei völlig gegenläufige Entwicklungen im Sozialamt.

„Im Bereich ,Grundversorgung und Hilfen nach SGB XII‘ kommt es zu einer Budgetüberschreitung in Höhe von 13,5 Mio. EUR, resultierend aus verschiedenen Mehraufwendungen und Mehr-/Mindererträgen, deren Deckung teilweise aus Minderaufwendungen in anderen Bereichen des Sozialamtes vorgesehen ist“, kann man da lesen. Eine Vorlage zu diesen Mehrausgaben gab es im August.

Und gleichzeitig hatte das Sozialamt sogar mehr Geld zur Verfügung, wie das Finanzdezernat feststellt: „Die Budgetunterschreitung bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II in Höhe von 29,4 Mio. EUR setzt sich aus Mehrerträgen von insgesamt 23 Mio. EUR sowie Minderaufwendungen von knapp 6,4 Mio. EUR zusammen. Die Mehrerträge ergeben sich hauptsächlich aus der höheren Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft aufgrund der Corona-Pandemie. Daneben war auch in 2020 die Fallzahlenentwicklung an Bedarfsgemeinschaften bisher rückläufig, was zu entsprechenden Minderaufwendungen führen würde.“

Das heißt: Die zusätzlichen Gelder für die Kosten der Unterkunft vom Bund haben hier gewaltig geholfen. Genauso wie die Kompensation der Steuermindereinnahmen durch den Freistaat in Höhe von 34 Millionen Euro.

Wieder hunderte Personalstellen nicht besetzt

Und noch etwas hat geholfen, auch wenn das eigentlich keine gute Nachricht ist: Die Stadt hat bei den Personalkosten rund 24,5 Millionen Euro „gespart“.

Dass dahinter eben leider auch Nicht-Leistungen durch die Kommune stehen, beschreibt das Finanzdezernat ganz nüchtern: „Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Personalamt die zentralen Personalaufwendungen zugeordnet sind, bei denen von einem zahlungswirksamen Minderaufwand in Höhe von insgesamt 24,6 Mio. EUR ausgegangen wird. Dieser resultiert mit 19 Mio. EUR im Wesentlichen aus nicht besetzten Stellen. Durch Verzögerungen bei der Inbetriebnahme von Kindertagesstätten (Kita) kommt es zu Minderaufwendungen für Erzieherstellen.

Auch die verzögerte Besetzung von Beamtenstellen, insbesondere bei der Integrierten Regionalleitstelle (IRLS) und im Rettungsdienst führt zu Minderaufwendungen, wobei entsprechende Mindererträge in den Budgets der Branddirektion entstehen. Daneben führen eine voraussichtlich höhere Ausfallquote sowie die Besetzung von Beamtenstellen mit tariflich Beschäftigten zu Minderaufwendungen von insgesamt 6,7 Mio. EUR.“

Das sind eben nicht nur viele nicht besetzte Stellen in Kindertagesstätten, sondern auch viele nicht besetzte Stellen in wichtigen Ämtern der Verwaltung, die dann die ihnen übertragenen Aufgaben nur mit enormem Rückstau abarbeiten können. Aber das zeigt eben auch, wie schwer es der Stadt Leipzig mittlerweile fällt, das benötigte qualifizierte Personal zu bekommen.

Das machte zumindest die Gelder frei zur Besetzung der Taskforce im Gesundheitsamt: „Neben Minderbedarfen im Personalamt ergibt sich vor allem eine Budgetüberschreitung im Dezernat Allgemeine Verwaltung selbst von 6 Mio. EUR. Die außerordentlichen Mehraufwendungen entstehen aufgrund des Sonderbudgets, welches zur Gefahrenabwehr der Corona-Pandemie eingerichtet wurde.“

Alles in allem ein fetter Brocken, der da trotzdem übrig bleibt mit 102 Millionen Euro, die (nach den Prognosen vom September) die Stadt am Jahresende belasten werden.

Der Schuldenberg wächst

Nach Rechnung des Finanzdezernats wird der Schuldenstand der Stadt Leipzig schon jetzt massiv steigen: „Zum jetzigen Zeitpunkt wird prognostiziert, dass Kreditaufnahmen in Höhe von 242,3 Mio. EUR notwendig sind, um den gesamten Finanzierungsbedarf der Stadt Leipzig für 2020 zu decken. Hierfür stehen zum einen die voran genannten Kreditermächtigungen für Investitionen zur Verfügung.

Zum anderen können in 2020 Kredite nach § 82 Abs. 1 SächsGemO auch für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Pandemie aufgenommen werden. Da die Prognose der Kreditaufnahme pandemiebedingt einer sehr hohen Unsicherheit unterliegt, wird zum Ende des Haushaltsjahres operativ entschieden, in welchem Rahmen Kreditaufnahmen erforderlich sein werden.“

Was im Klartext heißt: Schon zum Jahresende steigt die Schuldenlast der Stadt Leipzig von 478 Millionen Euro (Ende 2019) auf 670 Millionen Euro. Die Corona-Folgen könnten also binnen drei Jahren alle Sparanstrengungen seit 2005 wieder zunichte machen.

Und wie steht es um die Investitionen? Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

Der Stadtrat tagte: Vorbild München – Braucht Leipzig eine Stadtanleihe zur Bewältigung der Coronakrise? + Video

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