Dass Leipzig das Jahr 2020 wahrscheinlich mit einem Minus von über 100 Millionen Euro verlässt, hat auch damit zu tun, dass die Stadt ihre eigenen Unternehmen, Eigenbetriebe und Stiftungen stützen muss, denen es im Corona-Jahr reihenweise die Arbeit fast unmöglich gemacht hat. Am 16. Dezember diskutierte der Stadtrat mit dem OBM dazu im Livestream. Am 18. Dezember stimmte er der Kreditaufnahme von fast 68 Millionen Euro zu, mit denen diese Ausfälle ausgeglichen werden.

Wirklich Gegenrede gab es zu dieser Vorlage der Stadtverwaltung nicht, denn die Stadt ist ja regelrecht dazu verdonnert, ihre eigenen Unternehmen auch über die Lockdown-Zeit zu bringen, in denen sie selbst keine Einnahmen erwirtschaften können. Und am heftigsten hat es ja die Leipziger Messe getroffen, der ja ab März praktisch das komplette Messe- und Kongressgeschäft weggebrochen ist.

Und dabei stand die Messegesellschaft noch gut da, hatte ihre Geschäftsfelder in den Vorjahren immer weiter diversifiziert und sich mehrere Standbeine erarbeitet. Allein mit Messen hätte Leipzig als Standort schon lange nicht mehr bestehen können.

Aber allen Arbeitsfeldern der Messe ist gemein, dass sie nur mit Publikum funktionieren. Mit viel Publikum. Und so hagelte es mit der Buchmesse im März beginnend eine Veranstaltungsabsage nach der anderen. Die Messe blieb auf einem zweistelligen Minus sitzen, von dem Teilhaber Leipzig jetzt 30 Millionen Euro übernommen hat, was für 2020 Ausfälle von 15 Millionen Euro abdeckt und den gleichen Betrag noch einmal für 2021, von dem ja noch keiner weiß, wie es laufen wird und wann man die Corona-Pandemie mit den Impfungen endlich so weit in den Griff bekommen wird, dass auch Messen und Kongresse wieder möglich sind.

Was dann den Punkt berührt, der die Stadtratsfraktionen tatsächlich noch einmal diskutieren ließ. CDU-Stadtrat Falk Dossin sprach das Thema an (während sein Kind im Hintergrund dafür sorgte, dass es im Livestream noch ein bisschen lebendiger wurde). Denn unter welchen Bedingungen bekommen die Eigenbetriebe das Geld?

Eine Aktennotiz des OBM beinhaltet zumindest den Wunsch, dass jedes einzelne Unternehmen sehen muss, dass es seine Arbeit künftig so optimiert, dass solche Ausfälle minimiert werden können. Denn vor einem geht logischerweise die berechtigte Angst um: Dass Leipzig auch nach 2021 wieder eine Summe in dieser Größenordnung zuschießen muss, dass also das Löcherstopfen immer so weitergeht. Das kann auch eine Stadt wie Leipzig nicht lange tragen.

Den zweitgrößten Finanzbedarf von zusammen 19 Millionen Euro meldete dann ausgerechnet das Krankenhaus St. Georg an, wo man doch eigentlich davon ausgehen kann, dass alle Krankenhäuser in Sachsen vollauf zu tun haben und die Kosten über die Versichertenbeiträge eigentlich abgedeckt sind. Aber Corona hat auch unbarmherzig die Schieflage in der deutschen Finanzierung des Gesundheitssystems offengelegt.

Gerade die allgemeinen Krankenhäuser vor Ort, die die ganze normale Versorgung der Bevölkerung absichern müssen, sind durch die Reihe unterfinanziert. Die sogenannten Fallpauschalen decken diese Grundversorgung schlichtweg nicht ab, die Krankenhäuser können sich nicht einfach die lukrativen Fälle herauspicken und die schlechter honorierten einfach abweisen.

Ergebnis ist dann gerade in einer Pandemiesituation wie jetzt, dass die ungedeckten Kosten steigen. Die Kommunen zahlen also auch hier wieder für eine falsche Gesundheitspolitik im Bund.

Da sehen die angemeldeten Fehlbeträge von 8,5 Millionen Euro aus dem Zoo Leipzig geradezu bescheiden aus, die nun tatsächlich dadurch entstehen, dass dem Zoo Millionen Euro an Eintrittsgeldern verloren gingen, die für gewöhnlich den größten Teil des Zoo-Budgets ausmachen.

Dass dann auch noch der Flughafen Leipzig/Halle mit knapp einer halben Million Euro auftaucht, beschämt eher, weil gerade dieser Flughafen im Corona-Jahr als einziger deutschlandweit massiv wachsende Güterumschläge verzeichnen konnte.

Aber selbst diese mickrige Summe zeigt, dass das Frachtgeschäft des Flughafens ein reines Zuschussgeschäft ist, dessen Kosten bislang auch durch den Passagierflug querfinanziert wurden. Doch der fiel ja ab März weitgehend flach. Zumindest ist von einem Rückgang der Passagierzahlen um 80 Prozent die Rede. Womit bloß noch der Billig-Frachtflughafen übrig blieb, der aber das bis zum Jahresende entstehende Minus von über 19 Millionen Euro nicht ausgeglichen hat.

Den größten Teil dieses Fehlbetrages gleicht der Haupteigentümer Freistaat Sachsen aus, immerhin 14,96 Millionen Euro. Da Leipzig „nur“ 2,1 Prozent der Anteile an der Mitteldeutschen Flughafen AG hält, kommt der deutlich kleinere Zuschussanteil heraus. Vielleicht gibt es das Geld ja sogar zurück, da sich der Bund ja rührend um den deutschen Luftverkehr kümmert.

Das sächsische Finanzministerium jedenfalls hegt diese Hoffnung. Am 16. Dezember meldete es: „Im Sinne der Sicherung der Daseinsfürsorge hatte der Freistaat mit Zustimmung des Sächsischen Landtages bereits Anfang Mai seinen Beteiligungen Unterstützung durch Mittel aus dem Coronabewältigungsfonds zugesagt. Die jetzige Auszahlung erfolgt im Vorgriff auf die seitens des Bundes im Rahmen des am 6. November 2020 durchgeführten Luftverkehrsgipfels angekündigte finanzielle Unterstützung der deutschen Flughäfen.“

Von den Kulturbetrieben besonders gebeutelt sind Gewandhaus und Oper, die ja reihenweise Veranstaltungen und auch Gastspiele absagen mussten. Sie haben Fehlbeträge für beide Jahre in Höhe von rund 3 bzw. 1,5 Millionen Euro angemeldet, Schauspiel, Musikschule und Theater der Jungen Welt etwas weniger.

Aber beim Bach-Archiv (das unter Stiftungen geführt wird) hat auch das abgesagte Bachfest ins Kontor geschlagen. Was für Leipzig einen wahrscheinlichen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro bedeutet.

Insgesamt beziffert sich der von Finanzbürgermeister Torsten Bonew aufgelistete Zuschussbedarf für die Leipziger Unternehmen, Eigenbetriebe und Stiftungen für die Jahre 2020 und 2021 auf 67,583 Millionen Euro, die am Kapitalmarkt unter den Prämissen „drei tilgungsfreie Jahre“ und „Gesamtlaufzeit 18 Jahre“ aufgenommen werden. „Die Deckung erfolgt über die Kreditermächtigung der Stadt Leipzig im Doppelhaushalt 2019/2020.“

Die Linksfraktion hatte noch beantragt, über diese Gelder regelmäßig im Stadtrat zu berichten. Den Antrag übernahm OBM Burkhard Jung mit in die Vorlage, die dann am Freitag, 18. Dezember, in der Eilsitzung des Stadtrats beschlossen wurde – einhellig, wie man am Ergebnis von 49 „Ja“-Stimmen und null „Nein“-Stimmen sah.

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