Das dürfte für einen kleinen Zoff zwischen zwei Männern sorgen, die sonst eigentlich immer am selben Strick ziehen, wenn es um den Kampf gegen den Fluglärm am Flughafen Leipzig/Halle geht. Immerhin stand am Mittwoch, 31. März, in der Haushaltssitzung des Stadtrates auch der Grünen-Antrag zur Abstimmung, fünf eigene Lärmmessstellen für Leipzig anzuschaffen.

Die Verwaltung hatte diesen Grünen-Antrag mit folgender Begründung abgelehnt: „Der Änderungsantrag wird abgelehnt, da die Daten von eigenen Fluglärmmessstationen der Stadt Leipzig nur informativen Charakter hätten und eine amtliche Messung nicht ersetzen können. Zudem fehlt es an qualifiziertem Personal zur Installation und Wartung der Messstation sowie zur Auswertung der gemessenen Daten. Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH betreibt eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Fluglärmmessanlage mit zehn stationären Messstationen.“„Die Auswertung der Aufzeichnungen der Fluglärmmessstationen des Flughafens Leipzig/Halle werden regelmäßig durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Referat Luftverkehr unter Einbeziehung eines unabhängigen Ingenieurbüros kontrolliert“, hatte die Verwaltung noch versucht, die Sache als geregelt darzustellen.

Doch das Sächsische Verkehrsministerium ist als Vertreter des Haupteigentümers Freistaat Sachsen mitnichten eine unabhängige Instanz. Gerade die Vorgänge um die unbeschränkte Nachtflugerlaubnis für Frachtflieger und die fortgesetzten Weigerungen, die Lärmbelastung wirklich durch höhere Startentgelte oder ein Verbort der Südabkurvung zu mindern, machen das Agieren des Freistaats sehr suspekt.

Die Messergebnisse der Messstationen des Flughafens bezweifeln die Grünen gar nicht. Und darum ginge es auch nicht, erklärte Bert Sander bei Einbringung des Antrags, den die Grünen sogar noch entschärft hatten. Statt fünf stadteigenen Messstellen für 100.000 Euro beantragten sie jetzt nur noch drei mit Kosten von 60.000 Euro.

Und dass das keine abwegige Forderung sei, belegte Sander mit Verweis auf Frankfurt am Main, wo die Stadt sogar vier eigene Messstellen angeschafft hat – und das, obwohl am Flughafen Frankfurt tatsächlich ein Nachtflugverbot gilt. Und sogar die westlich des Flughafens gelegene Stadt Leuna hat inzwischen drei eigene Messstellen angeschafft, weil auch dort die nächtliche Fliegerei Wohngebiete tangiert, in denen der Flughafen keine Messstellen betreibt.

Sander sprach es nicht aus, aber der Verdacht liegt nahe, dass die festen Messstellen des Flughafens so angeordnet sind, dass sie überhaupt nicht in der Lage sind, den nächtlichen Fluglärm adäquat zu messen, der dadurch entsteht, dass über 90 Prozent der nächtlichen Flugbewegungen über die stadtnahe Startbahn Süd erfolgen.

Dadurch sind gerade die nördlichen und nordwestlichen Leipziger Ortsteile betroffen, was die temporären Lärmmessungen in Lützschena-Stahmeln 2019/2020 augenscheinlich deutlich belegten. „Die Messergebnisse sind bis heute nicht veröffentlicht“, sagte Sander. Und in der Fluglärmkommission werden diese Messungen, die augenscheinlich eine hohe Lärmbelastung belegen, behandelt wie ein unerwarteter Ausreißer, ein „Lärmphänomen“.

Doch nicht der Grünen-Antrag kam zur Abstimmung, sondern ein Antrag von SPD-Stadtrat Andreas Geisler, der den Antrag der Grünen ins Verfahren verwiesen sehen wollte. Denn natürlich ist das Phänomen größer und betrifft nicht nur Lützschena-Stahmeln, Böhlitz-Ehrenberg oder Lindenthal, sondern alle Kommunen rund um den Flughafen. Delitzsch zum Beispiel leidet unter der Kurzen Nordabkurvung und besitzt ebenfalls keine eigene Messstelle. Man müsse also gemeinsam mit den anderen Kommunen ein Konzept entwickeln und auch das Dialogforum Flughafen nutzen, gemeinsame Lösungen zu finden, so Geisler.

Aber auch das wird wieder Zeit kosten. Sander betonte also, dass eine Verweisung auch wieder nur eine Verzögerung sei. „Ich möchte, dass wir hier Farbe bekennen“, sagte er.

Aber mit knapper Mehrheit von 29:24:10 Stimmen befürwortete die Ratsversammlung dann doch den Antrag von Andreas Geisler: Der Grünen-Antrag geht zurück ins Verfahren und muss in den Gremien des Stadtrates noch einmal extra beraten werden.

Die Debatte vom 31. März 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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