Dass das Bauen und Wohnen in deutschen Großstädten so teuer geworden ist, hat auch damit zu tun, dass den Kommunen schlicht das Bauland fehlt. Und die Gesetzgebung hat in den vergangenen Jahrzehnten massiv verhindert, dass die Städte die benötigten Flächen einfach kaufen konnten oder die Grundstücksbesitzer zur Wohnbebauung verpflichten konnten. Seit dem Sommer könnte es etwas anders sein. Aber Sachsens Regierung mauert, kritisiert die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel.

Seit der Novellierung des Baugesetzbuches vom 14. Juni 2021 („Baulandmobilisierungsgesetz“) haben die Kommunen neue wohnungspolitische Möglichkeiten. Städte und Gemeinden mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ – wie Dresden und Leipzig – können nunmehr mit einem erweiterten Vorkaufsrecht unbebaute Grundstücke preislimitiert ankaufen, um Boden zu bevorraten.Außerdem können sie mittels einer neuen Regelung zu Baugeboten dort Wohnungsbau anordnen, wo er planungsrechtlich zulässig, von Eigentümerinnen und Eigentümern aber nicht gewollt ist. Zudem kann die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen jetzt erschwert werden.

Allerdings müssen die Länder den betroffenen Kommunen diese neuen Möglichkeiten freigeben, indem per Rechtsverordnung ein „angespannter Wohnungsmarkt“ festgestellt wird. Die Stadt Leipzig hat dies bei der Staatsregierung bereits beantragt, wie eine Kleine Anfrage der wohnungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Juliane Nagel, zeigt (Drucksache 7/7477).

Und zwar am 10. September, wie der Minister für Regionalentwicklung Thomas Schmidt (CDU) mitteilt. Ob und wie sich die Staatsregierung nun zum neuen Gesetz eine Meinung bilden wird, will er freilich nicht mitteilen. Das berühre den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“. Was eigentlich nur heißt: Irgendjemand in der Regierung sperrt sich noch, das Gesetz in Sachsen in Kraft zu setzen.

Zwar bleibt das Baulandmobilisierungsgesetz hinter unseren Erwartungen zurück, insbesondere die erneute Bestimmung der Gebiete mit ‚angespanntem Wohnungsmarkt‘ ist überflüssig“, stellt Juliane Nagel fest.

Aber: „Diese Feststellung ist für Dresden und Leipzig im Zusammenhang mit der Kappungsgrenzenverordnung und den Voraussetzungen für die soziale Wohnraumförderung bereits getroffen worden. Trotzdem signalisiert die Staatsregierung, dass sie zu einer schnellen Freigabe für die neuen Regulierungsmöglichkeiten nicht bereit ist. Eine solche Verhinderungshaltung, wie wir sie auch bei der Mietpreisbremse beobachten müssen, geht zulasten der Mieterinnen und Mieter!“

Staatsregierung zögert

Sowohl in Dresden als auch in Leipzig müssen viele Menschen gerade mit niedrigen Einkommen zu viel Geld für die Miete ausgeben. In Leipzig liegt die Mietbelastungsquote bei Alleinerziehenden sowie bei Rentnerinnen und Rentnern weit über der Schmerzgrenze, stellt die Landtagsabgeordnete fest: „Sie müssen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens dafür aufwenden. Es fehlen bezahlbare Wohnungen vor allem für ökonomisch Benachteiligte. Ein gewichtiger Grund für die Mietaufwärtsspirale sind explodierende Bodenpreise: In Sachsen haben sie sich innerhalb der letzten zehn Jahre durchschnittlich um das 2,5-fache erhöht. Die höchsten Baulandpreise müssen derzeit in Dresden (265 Euro je m2) und Leipzig (188 Euro) gezahlt werden.“

Die Linksfraktion im Landtag appelliert deshalb an die Staatsregierung, per Rechtsverordnung schleunigst den Weg freizumachen, damit die Kommunen die neuen Möglichkeiten für die Aktivierung von Bauland und die Sicherung sowie Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zügig nutzen können.

Die Entwicklung in Leipzig

Im Leipziger Stadtrat hat die Fraktion der Linken mittlerweile gemeinsam mit den Fraktionen von Grünen und SPD Position zu einer Vorlage der Verwaltung zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt bezogen und einen Änderungsantrag eingereicht.

Darin unterbinden sie vor allem den Versuch der Verwaltung, bei Vorkaufsrecht wieder private Dritte zum Zug kommen zu lassen, also jene Bieter und Investoren, die in Leipzig sowieso schon alles aufgekauft haben, was etwa von Treuhand und Deutscher Bahn auf den Markt kam. Mögliche Dritte dürfen nach Ansicht der Fraktionen nur bestimmte Akteure sein: „Der vorliegende Pool vorkaufsbegünstigter Dritter wird auf LWB, Genossenschaften, Vereine und Unternehmen (GmbH) beschränkt.“

Und der Stadtrat soll auch nicht nur alle drei Jahre informiert werden, sondern jedes Jahr. Auch wenn die Sache aus Sicht gut bezahlter Rathausangestellter überhaupt nicht brennt, sind gerade Leipziger/-innen mit kleinen Einkommen jetzt schon massiv unter Druck.

Was die drei Fraktionen noch zu einigen deutlich weitergehenden Antragspunkten bringt, die auch den betroffenen Mieter/-innen deutlich mehr Mitsprachemöglichkeiten geben:

„Der Oberbürgermeister stellt sicher, dass alle zum Pool zählenden Dritten unverzüglich über einen Vorkaufsfall informiert werden, um ihr Interesse zur Ausübung des Vorkaufsrechts anmelden zu können. Alle zum Pool zählenden Dritten, die ein Interesse anmelden, erhalten die erforderlichen Unterlagen, um sich für einen Erwerb im Vorkaufsfall zu bewerben.

Der Oberbürgermeister stellt sicher, dass die Mieter/-innen unverzüglich über einen Vorkaufsfall informiert werden und ihnen die Unterlagen der Bewerber zur Verfügung gestellt werden. Sofern sich mehrere zum Pool zählenden Dritte für einen Erwerb im Vorkaufsfall bewerben, ist das Votum der Mieter/-innen ausschlaggebend.

Der Oberbürgermeister legt dem Stadtrat bis Ende 2021 das Ergebnis der beihilferechtlichen Prüfung bzw. eine Vorlage für Unterstützung an die LWB, Wohnungsgenossenschaften und genossenschaftsähnlichen Rechtsformen im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechtes zugunsten o. g. Dritter vor.“

Und da die drei Fraktionen sich da einig sind, dürfte die Vorlage in der Ratsversammlung wohl nur mit diesen deutlichen Änderungen durchgehen, die auch zeigen, wie sehr unser bisheriges Denken über den „Wohnungsmarkt“ die Hauptbetroffenen immer wieder ausschließt.

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