Leipzig, bis vor wenigen Jahren noch ein soziokulturell einmaliger Möglichkeitsraum, wird mittlerweile vor allem vom zunehmenden Mangel bezahlbarer Wohnungen geprägt. Debattiert wird häufig, wie Investoren, Hausverwaltungen und andere Besitzende vom andauernden Immobilienboom profitieren, während Mietende mit mangelnder Instandhaltung, Mieterhöhungen und Verdrängungsdruck zu rechnen haben. Geograph Michael Janoschka erklärt im Gespräch mit der Leipziger Zeitung (LZ): „Wir hatten in den letzten zehn bis 15 Jahren dramatische Verschiebungen auf dem Leipziger Wohnungsmarkt.“

Wenig Beachtung in der öffentlichen Diskussion haben bisher aber die Erfahrungen der von diesen Veränderungen betroffenen Mieter/-innen erhalten. Das Forschungsprojekt „Wem gehört Connewitz?“ ist am Institut für Geographie angegliedert und soll diese Forschungslücke beseitigen. „Studien, die bisher schon existieren, beleuchten die grundlegenden Strukturen, haben aber nicht so eine tiefgründige empirische Vorgehensweise“, so Janoschka. Beginnend mit Leipzig-Connewitz gehen die sieben Mitarbeiter/-innen der Universität der Frage nach, wie sich die Eigentumsstrukturen auf die Wohn- und Lebensbedingungen der Menschen vor Ort auswirken. Dazu wurden jetzt in einem ersten Schritt Immobilienangebotsdaten gesammelt und die Bestandsimmobilien kartiert.

Bis in den Herbst hinein führen die Forschenden Expert/-innenworkshops sowie Einzelinterviews mit den Connewitzer/-innen durch und sammeln Informationen zu Eigentümer/-innen. Im Anschluss werden die drängendsten Wohnungsprobleme und -fragen aufbereitet. Mit ersten Ergebnissen und Publikationen könne Anfang 2022 gerechnet werden.

Das Projekt soll perspektivisch auch auf andere Stadtteile ausgeweitet werden und will sich über das reine Forschungsinteresse hinaus auch dezidiert in aktuelle stadtpolitische Debatten um den Erhalt bezahlbarer Wohn- und Freiräume einbringen. „Wir wollen mit dem Projekt zunächst einen fundierten Diskussionsrahmen schaffen“, sagt Janoschka.

„In einigen Wochen werden außerdem durch die Bundestagswahl auch nochmal entscheidende Weichen für die Wohnungspolitik gestellt.“ Wohnungspolitik sei zu großen Teilen auf Landes- und Bundesebene organisiert und zeige nicht nur in Leipzig, sondern flächendeckend Probleme auf. Deshalb wolle man mit den Ergebnissen vor allem hier an politische Entscheidungsträger und die bundesweite Öffentlichkeit herantreten.

Im Moment ist die Forschungsgruppe auf der Suche nach Interviewpartner/-innen – sowohl aus Connewitz als auch allen anderen Stadtteilen Leipzigs. „Wir möchten mit den Interviews ein möglichst breites Stimmungsbild erfassen, deshalb können sich Leute melden, die Probleme mit ihrer Wohnsituation haben, aber auch solche, die zufrieden sind“, so Dennis Hof, einer der Forschenden.

Die Unterhaltungen sollen rund eine Stunde gehen und können sowohl digital als auch analog abgehalten werden. Interessierte können sich über die Mailadresse wem-gehoert-leipzig@posteo.de an die Forschenden wenden.

„Wem gehört Connewitz?“ erschien erstmals am 3. September 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 94 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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