Am Ende gab es keinen neuen Paukenschlag. Genug war seit gut zehn Jahren über die künftige Verwaltungsunterbringung diskutiert worden, wie SPD-Stadtrat Prof. Getu Abraham zu Recht feststellte, als am Abend des 19. Januar endlich auch die Vorlage dazu zum Beschluss kam. Mit fünf Änderungsanträgen. Aber dass rund ums Technische Rathaus künftig ein kleines Verwaltungsviertel entsteht, das zog dann auch von den Rednern niemand mehr in Zweifel.

Auch wenn die Stadt jetzt verhandeln muss. Denn Auslöser für den Großauftrag zur Planung für die neue Verwaltung war ja das bekannte und feststehende Datum, wann der Mietvertrag für das jetzige Technische Rathaus an der Prager Straße ausläuft. Das wird 2029 sein. Das heißt: Bis dahin muss die Verwaltung unbedingt Lösungen finden für die Unterbringung jener Teile der Verwaltung, die künftig möglichst zentral gebündelt werden sollen. Das sind deutlich mehr als die heute schon im Technischen Rathaus untergebrachten Mitarbeiter/-innen.Was den Blick auf zwei Standorte in Nachbarschaft des Technischen Rathauses lenkt – die Prager Straße 116 und die Prager Spitze.

Die favorisierten Standorte für die Verwaltungsunterbringung. Grafik: Stadt Leipzig
Die favorisierten Standorte für die Verwaltungsunterbringung. Grafik: Stadt Leipzig

Trotzdem zog sich Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning den Unwillen von FDP-Stadtrat Sven Morlok zu, der sich in der Ratssitzung gewaltig darüber ärgerte, dass niemand aus der Verwaltung Kontakt zu den Freibeutern aufgenommen hatte, um schon im Vorfeld und nichtöffentlich zu klären, ob es zu deren Änderungsantrag auch eine frühzeitige Information im Planungsausschuss geben könnte.

Denn Morlok – als einstiger sächsischer Wirtschaftsminister erfahren –, weiß, dass sich Verhandlungen festfressen können und Wünsche gerade im Immobilienbereich manchmal nicht wahr werden.

Weshalb die Freibeuter-Fraktion zu dem Punkt aus der Stadtratsvorlage „Der Oberbürgermeister kann zusätzlich zu den unter dem Beschlusspunkt 2 genannten Standorten, die Standorte ‚Semmelweisstr. (ggü. Deutsche Nationalbibliothek)‘, ‚Witzgallstr./Prager Str. 69‘, ‚Deutscher Platz‘, sowie ‚Umfeld Kohlrabizirkus‘ in die Umsetzung einbeziehen, sofern eine Realisierung entsprechend dem Beschlusspunkt 2 nicht möglich bzw. wirtschaftlich ist.“ die Ergänzung beantragt hatte: „Für den Fall, dass die Anmietung oder der Erwerb des Technischen Rathauses weder möglich, noch wirtschaftlich ist, wird der Sachverhalt dem Stadtrat erneut zur Beschlussfassung vorgelegt.“

Morlok war dabei sehr bewusst, dass so ein Beschluss die Verhandlungsposition der Stadt schwächt. Denn wenn die Stadt keine Alternativstandorte in der Hinterhand hat, sitzt sie bei Verhandlungen mit dem Eigentümer des Technischen Rathauses am kürzeren Hebel.

Machbarkeitsstudien und Planungen drängen

Ein durchaus geharnischter Moment, der sich dann freilich als Protokollnotiz im Beschluss wiederfindet. Wobei freilich auch die Zeit drängt. Denn 2023 will die Verwaltung Machbarkeitsstudien zum eigenen Vorschlag vorlegen, 2024/2025 soll es die nötigen Baubeschlüsse geben. Und da müsste eigentlich auch schon klar sein, ob Leipzig das Technische Rathaus bekommt, oder ob an anderen Standorten neu gebaut werden muss. Bis 2029 muss nämlich alles fertig sein und möglichst auch jeder Umzug vollzogen sein.

Das war nur ein kleiner Clinch, aber es könnte durchaus sein, dass er noch einmal wichtig wird.

Prager Straße am Technischen Rathaus. Foto: Ralf Julke
Prager Straße am Technischen Rathaus. Foto: Ralf Julke

Wichtiger als der kleine Streit zwischen Grünen und Linken, ob die neuen Verwaltungsgebäude nun eine „herausragende Architekturgestaltung“ bekommen sollen oder nicht. Das hatten die Grünen beantragt und die Linken hatten die Streichung dieser Forderung beantragt.

Letztlich stimmte eine Stadtratsmehrheit für die Streichung. Vielleicht, weil die Passage wirklich zu viel „Muss“ enthielt.

Aber an dieser Stelle hat wohl Oberbürgermeister Burkhard Jung recht, der gerade für diesen Abschnitt der Prager Straße feststellte, dass das – städtebaulich betrachtet – ein Nicht-Ort ist und der Ortsteil gerade hier eine architektonische Aufwertung sehr benötigen würde. Man würde also beim Bauen auf eine herausragende Architektur trotzdem wert legen. Es wird dann wohl keine 08/15-Kästen geben, sondern Gebäude, die einerseits der untergebrachten Verwaltung ein Gesicht geben und andererseits einem derzeit sehr undefinierten Stadtraum etwas Kontur verleihen.

Comeback für die Ortsteil-Rathäuser

Ein Punkt, den Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning noch ansprach, wird wahrscheinlich genauso wichtig: Die Wiedernutzung und Wiederbelebung der einstigen Rathäuser in den Ortsteilen, die ja nicht nur für die Ortsteile identitätsstiftend sind, sondern auch Verwaltungsnähe ermöglichen. Das heißt: Es wird auch Verwaltungsteile geben, die dann in die heute zum Teil leer stehenden einstigen Ortsteil-Rathäuser einziehen.

Was dann auch einen Punkt unterstützt, den die Linksfraktion schon 2020 zum Stadtratsbeschluss hat machen können: die Erhöhung des Anteils der Verwaltungsunterbringung in stadteigenen Immobilien von derzeit 35 auf künftig 65 Prozent. Was die Stadt natürlich unabhängiger macht von Preissteigerungen und Mieterhöhungen.

Mit dem fast einstimmigen Beschluss der Ratsversammlung kann jetzt die Arbeit an der künftigen Verwaltungsunterbringung beginnen. Und insbesondere Sven Morlok wird gespannt sein, ob es zeitnah und rechtzeitig auch Rückmeldungen in den zuständigen Stadtratsausschüssen geben wird.

Die Debatte am 19.01.2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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