Einer der letzten Anträge, den ich als Stadtrat, gemeinsam mit Sören Pellmann (Linke) und Bert Sander (Bündnis 90/Die Grünen) stellte, trug den Titel „Faire Bezahlung für nichtärztliches Personal im Klinikum St. Georg gGmbH“. Ich zitiere hier, der Einfachheit halber, die Begründung des Antrags.

„Die Begründung für den Austritt der 2006 gegründeten Klinikum St. Georg gGmbH aus dem VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) im Jahre 2009 und der damit verbundene Abschluss eines Haustarifvertrags bedeutete eine Verbesserung der Bezahlung des ärztlichen Personals.“

Und weiter: „Dieses war mit der vorherigen Vergütung nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) schlechter gestellt als in vergleichbaren Kliniken und Krankenhäusern. Aktuell ist somit jedoch das nichtärztliche Personal, besonders das Pflegepersonal, schlechter gestellt als das Personal, für das der TVöD gilt. Eine Erhöhung der Vergütung im TVöD bedarf allerdings einer Änderung des Haustarifvertrages, um für diese Beschäftigten wirksam zu werden, insofern entsteht also ein Zeitverzug.

Der Antrag der Freibeuter-Fraktion.

Es ist auch anzumerken, dass durch die Gesamtstruktur der St. Georg Unternehmensgruppe Unterschiede in der Vergütung vergleichbarer Tätigkeiten beim nichtärztlichen Personal bestehen. Nach Zugehörigkeit zu Teilen der Unternehmensgruppe erfolgt eine abweichende Vergütung nach TVöD oder Haustarifvertrag.“

Der Antragsinhalt

Wir beantragten also die Gleichstellung aller nichtärztlichen Beschäftigten in der Unternehmensgruppe St. Georg, indem entweder der Haustarifvertrag der St. Georg gGmbH dauerhaft an den TVöD gekoppelt wird oder das Klinikum St. Georg gGmBH wieder dem VKA beitritt.

Widerspruch durch ver.di

Nach der Veröffentlichung des Antrags hatte ich unter anderem ein Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter von ver.di, der den Antrag nicht gut fand. Er meinte, der Haustarifvertrag wäre ja fast besser als der TVÖD und eine Angleichung brächte den Beschäftigten eher Nachteile. Gespräche mit einigen Mitarbeitern besagten aber das Gegenteil.

Weiterer Verlauf

Ich vereinbarte mit dem ver.di-Mitarbeiter weitere Gespräche; wir stellten den Antrag auf „ruhend“. Ich schied dann aus dem Stadtrat aus und bat Sören Pellmann, das zu übernehmen. Über eventuelle weitere Konsultationen ist mir nichts bekannt.

Der Verwaltungsstandpunkt

Die Stadtverwaltung machte ihre Arbeit und erarbeitete einen Verwaltungsstandpunkt, der erwartbar ablehnend ist.

Der Verwaltungsstandpunkt.

Ohne die rechtliche Begründung, also Zuständigkeit der Stadt Leipzig, kritisieren zu wollen, gibt es aber in der Begründung interessante Punkte.

1. wirtschaftliche Gründe

Es wird einerseits ausgeführt, dass:

„Ferner besteht bei der Klinikum St. Georg Unternehmensgruppe für den nichtärztlichen Dienst ein Haustarifvertrag, dessen Tariflohnniveau unter Beachtung des letzten Abschlusses (Laufzeit bis zum 31.03.2023) bereits das Tariflohnniveau des TVöD erreicht hat.“

Also kein Bedarf, etwas für die Beschäftigten zu tun.

Andererseits gibt es wirtschaftliche Auswirkungen:

„Langfristig sind die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen einer wie im Antrag formulierten dauerhaften Kopplung des Haustarifvertrags an den TVöD nicht abschätzbar. Eine damit einhergehende Kostenerhöhung müsste vom Klinikum getragen werden, deren Refinanzierung offen ist und die Klinikum St. Georg gGmbH an den Rand der finanziellen Handlungsfähigkeit bringt.“

Das bedeutet für mich, dass zwar momentan die Differenz zwischen TVöD und Haustarifvertrag nur marginal ist, eine Erhöhung im TVöD (ver.di fordert 10,5 % Erhöhung für 2023) aber sich nicht automatisch im Haustarifvertrag widerspiegeln wird. Dieser wird nach dem 30.03.2023 (Laufzeitende) neu verhandelt. Das kann dauern.

2. Steuerungsflexibilität

Besonders seltsam erscheint mir aber der Passus „Steuerungsflexibilität“ im Verwaltungsstandpunkt. Dort heißt es:

„Die Koppelung an den TVöD bzw. die Rückkehr in den VKA würde die erforderliche und bestehende Flexibilität hinsichtlich der Bedarfe des Klinikums stark einengen. Dies bezieht sich u.a. auf die Planung und Organisation der Schichtdienste und Dienstzeiten. In einem Klinikum wie dem St. Georg sind Dienste und Schichtarbeit zur Erbringung der medizinischen Versorgung der Patienten zwingend erforderlich und dem Krankenhausbetrieb immanent (z.B. Drei-Schichtsystem).

Der aktuelle Haustarifvertrag gewährt dem Klinikum die hierfür erforderliche Flexibilität. Dem TVöD sind solche flexiblen arbeitszeitlichen Regelungen grundsätzlich fremd. Die Rückkehr in den TVöD würde zu einer Einschränkung eines reibungslosen, flexiblen Krankenhausbetriebes führen und die bestehenden Prozesse nachhaltig negativ beeinflussen.“

Es steht dort also geschrieben, dass ein Krankenhaus nicht mit dem TVöD arbeiten kann, weil die besonderen Bedarfe dort nicht berücksichtigt werden.

Nun ja, da gäbe es ja den TvöD-K, speziell für den besonderen Teil der Kliniken und Krankenhäuser (BT-K). Dieser wird z.B. in der Charité Berlin und in den Kliniken Dortmund und Nürnberg angewandt. Ich gehe davon aus, dass dort die Bedingungen für einen reibungslosen, flexiblen Krankenhausbetrieb enthalten sind.

Fazit

Ich gehe davon aus, dass der Antrag nach wie vor seine Berechtigung hat. Mir sind natürlich nicht mehr alle erforderlichen Informationen zugänglich, aber ich hoffe, dass die damaligen Mitantragsteller, besonders Sören Pellmann, sich diese einholen und entsprechend verarbeiten.

Die Stadtverwaltung macht es sich mit dem Verwaltungsstandpunkt meiner Meinung nach zu einfach. Da ist wohl noch Nacharbeit erforderlich.

Wenn 2023, eventuell nach Ablauf des Haustarifvertrags, der TVöD wirklich um 10,5 % angehoben wird, dann hätten die nichtärztlichen Beschäftigten im Klinikum St. Georg gGmbH bis zum Abschluss eines neuen Haustarifvertrages finanzielle Nachteile.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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