Die zweite Tarifrunde für den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVÖD) ist vorbei und die Arbeitgeber haben kein Angebot vorgelegt. So gab es am Freitag, 7. März, erneut einen Warnstreik in Kitas und Horten, zu dem die GEW aufgerufen hatte. Um 9.30 Uhr fand eine Kundgebung der GEW auf dem Richard-Wagner-Platz statt. Wir fragten Astrid Axmann, die Stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Sachsen für Jugendhilfe und Sozialarbeit, worum es der Gewerkschaft und den Streikenden geht?
„Die Gründe sind vielfältig. Wir streiken heute vor allen Dingen, weil die Arbeitgeber in der laufenden Verhandlungsrunde bisher kein akzeptables Angebot vorgelegt haben. Im Gegenteil: Zu unseren Forderungen, beispielsweise Entgelterhöhung im Volumen von 8 Prozent, gab’s nur die Ansagen: Ist zu teuer, ist nicht finanzierbar.
Zu unserer Forderung nach drei zusätzlichen freien Tagen, zur Entlastung der Beschäftigten: Unvorstellbar, ist nicht finanzierbar und würde ja das System zusätzlich belasten. Wohingegen wir als Gewerkschaften sagen: Die Entlastung der Kollegen würde ja dazu führen, dass ihre Gesundheit nicht so belastet wird. Und die Ausfallquoten im erzieherischen Bereich sind extrem hoch.“
Warum wirken sich die sinkenden Kinderzahlen in Kitas nicht auf den Betreuungsschlüssel aus?
„Ganz so einfach ist es leider nicht. Wir haben tatsächlich sinkende Kinderzahlen und hätten eigentlich einen Überschuss an Personal. Aber durch die hohen krankheitsbedingten Ausfälle haben wir gerade in Leipzig den Effekt, dass wir wirklich Einrichtungen einschränken müssen in der Öffnungszeit, weil uns das Personal fehlt. Ja, der Wunsch der Gewerkschaften wäre, insbesondere der GEW, den Personalschlüssel zu verbessern. Das ist allerdings ein Thema, was wir nicht in der Tarifrunde lösen, sondern das muss durch politischen Druck auf der Landesebene gelöst werden.“
Die Forderungen der Gewerkschaft sind 8 % mehr Lohn, mindestens 350 Euro und drei freie Tage mehr. Haben die Arbeitgeber kein verhandlungsfähiges oder gar kein Angebot gemacht?
„Nein, die Arbeitgeber haben noch nichts angeboten. Und wie gesagt, ich zitiere dann in meiner Rede auch teilweise Aussagen aus der zweiten Verhandlungsrunde. Die Ansagen waren wirklich niederschmetternd und sehr deutlich.“
Hat die GEW schon ihre Mitglieder zum Stärketest aufgerufen, um die Streikbereitschaft zu testen?
„Wir sind im regen Austausch mit unseren Mitgliedern, immer und zu jeder Zeit. Und nein, wir haben noch keinen Stresstest gemacht. Aber wir gehen davon aus, wenn es zu unbefristeten Streiks kommen sollte, was wir uns alle nicht wünschen, dann stehen unsere Mitglieder Gewehr bei Fuß.“
Es wird von Mal zu Mal belastender
Viele Gewerkschaftsmitglieder waren gekommen, geschätzt 500. Nicht nur der Sonnenschein sorgte für gute Stimmung. Wir fragten Julia Blume, eine Horterzieherin, wie belastend eigentlich der Beruf ist und was es für die Beschäftigten braucht.
„Ich muss sagen: Es wird von Mal zu Mal belastender. Die Lautstärke, die Rahmenbedingungen, fehlende Kollegen. Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Hätte ich mir niemals gedacht, dass das mal so kommt. Aber ja, deswegen sind wir heute hier, um dafür zu kämpfen, dass wir wieder mehr Freizeit bekommen, um uns wieder zu entlasten, um wieder mehr Kraft zu tanken. Das würde sich dann wahrscheinlich auch auf den Krankenstand auswirken. Also wir haben viele Kollegen, die krank sind, immer wieder krank werden, gar nicht mehr gesund werden, immer wieder krank auf Arbeit kommen und das kann es einfach nicht sein.“
Die Politik war selbstverständlich auch vertreten, nicht nur mit dem omnipräsenten Sören Pellmann. Wir fragten Cornelia Falken, Stadträtin für Die Linke, nach ihrer Motivation für die Unterstützung der Streikenden.
„Ich war 20 Jahre Gewerkschaftsvorsitzender hier in der Stadt Leipzig bei der GEW. Heute geht es um den Streik, um die Arbeitgeber dazu zu zwingen, unbedingt erst mal ein Angebot für die Tarifrunde zu machen
. Bis jetzt gibt es überhaupt noch kein Angebot. Wir wollen gerne, dass unsere Erzieherinnen und Erzieher, alle die im öffentlichen Dienst arbeiten, auf kommunaler und auf Bundesebene entsprechend mehr Geld, drei Tage und mindestens 350 Euro mehr Gehalt erhalten.“
Den ersten Redebeitrag hielten Julia und Pauli, zwei Horterzieherinnen, und sie machten deutlich, wie angespannt die Lage in den Kitas und Horten für die Beschäftigten ist.
„Wir sind Julia und Pauli aus dem Hort der Clara-Wieck-Schule aus der Stadt Leipzig. Und wir stehen hier, weil es nicht anders mehr geht. Weil wir jeden Tag unser Bestes geben für die Kinder, die wir betreuen, und wir trotzdem das Gefühl haben, dass es nie reicht. Weil wir erschöpft sind, weil wir wütend sind, weil wir es einfach satthaben. Wir lieben unseren Beruf, aber wie lange können wir ihn unter diesen Bedingungen noch ausüben, ohne selbst daran kaputtzugehen? Wir kennen das alle.
Du gehst nach Hause und hast das Gefühl, nicht genug Zeit gehabt zu haben, wieder ein weinendes Kind stehen lassen zu müssen. Und wieder keine Zeit zum Trösten gehabt. Nicht genug für das einzelne Kind tun zu können, das es gerade gebraucht hätte. Nicht, weil wir nicht alles geben, sondern weil die Umstände uns dazu zwingen. Und dann erzählen uns die Arbeitgeber, für mehr Personal, bessere Bedingungen, für mehr Lohn und Urlaub, es ist kein Geld da.“
Die überwiegende Anzahl der Menschen, die in Kitas und Horten arbeiten, sind Frauen. Viele arbeiten in Teilzeit. Das machen sie nicht in erster Linie, um mehr Freizeit zu haben, sondern weil der Beruf fordernd ist und viele es nicht länger als sechs Stunden am Stück durchstehen. Das wurde uns in Gesprächen bestätigt. Am 8. März ist der internationale Frauentag, darauf machte Manuela Grimm, DGB Regionalgeschäftsführerin Leipzig-Nordsachsen, aufmerksam.
„Ich sehe hier ganz viele Frauen. Der Streik passt sehr gut zum Internationalen Frauentag. Morgen ist der 8. März, ein Kampftag für Gleichberechtigung. Zuerst ging es ja um das Frauenwahlrecht. Aber gleich danach kam die Forderung: gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Das ist eine politische Forderung seit über 100 Jahren. Ich frage euch aber, wer setzt denn eigentlich gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit um? Das sind wir, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftskollegen.“
Die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, von letzteren wollte keiner vor die Kamera, zeigten lautstark ihre Zustimmung und gingen bei den Redebeiträgen mit. Auch Vertreter von anderen Bereichen der GEW, wie Claudia Maaß, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Sachsen für Schule, waren anwesend und zeigten ihre Solidarität.
„Natürlich solidarisiere ich mich mit den Erzieherinnen und Erziehern. Im Schulbereich kennen wir die Probleme des Personalmangels und wie wichtig eine gute Bezahlung für diesen harten Job ist. Die Bedingungen in Kita, im Erziehungsbereich, im Sozialbereich sind schwierig, genau wie in Schule. Und die Kolleginnen und Kollegen haben jede Unterstützung verdient und die besten Arbeitsbedingungen verdient.“
Es folgten weitere Redebeiträge, später schloss sich noch der Demonstrationszug von ver.di der Kundgebung an. Nicht nur die Erzieherinnen und Erzieher in Horten und Kitas, auch die anderen städtischen Angestellten fordern mehr Geld und Freizeit. Die Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler zeigen sich kämpferisch und warten gespannt auf das Angebot der Arbeitgeber in der nächsten Tarifrunde.
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