Am Ende war Linke-Stadtrat Marco Götze richtig sauer. Mit einer knappen Mehrheit hatte die Ratsversammlung in ihrer Sitzung am 31. Mai den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zur Benennung des Schulgebäudes in der Glockenstraße in „Georg-Schumann-Haus“ abgelehnt. Das Gebäude ist originär mit der Biografie des Leipziger Widerstandskämpfers Georg Schumann verbunden ist, der hier von 1893 bis 1899 selbst zur Schule ging. Bislang hieß auch die dort untergebrachte Schule so.

Doch die bisherige Georg-Schumann-Oberschule zieht um ins Deutsch-Französische Bildungszentrum und gibt sich einen neuen Namen. Worüber am 31. Mai übrigens überhaupt nicht diskutiert wurde. Denn das gehört zum originären Recht jeder Schulversammlung, den Namen für die Schule selbst festzulegen. Auch wenn das an der Georg-Schumann-Schule mit einigen Irritationen vonstattenging.

Dass die Linke das Thema mit einem Änderungsantrag besetzte, hat einen ernsten Grund: In der Glockenstraße ging Georg Schumann zur Schule, einer der wichtigsten und mutigsten Leipziger Widerstandskämpfer. Mit der Namensänderung der Schule verschwindet sein Name vorerst als Schulname. Auch wenn das kleine Denkmal im Schulhof erhalten bleibt und natürlich auch der Name der Georg-Schumann-Straße im Norden.

Trotzdem war Götze nach der Abstimmung frustriert.

Wie macht man Erinnerung sichtbar?

„Wir sind bestürzt über die Ablehnung des Rates für unseren Vorschlag – noch mehr, weil diese mit Stimmen der Fraktionen SPD sowie Bündnis 90 / Die Grünen erfolgte“, erklärt Marco Götze, Sprecher für Schule und Bildung der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat.

„Wie kann es sein, dass die Erinnerung an diesen mutigen Menschen, der für sein Engagement gegen den Nationalsozialismus sein Leben ließ, nicht einmal so viel wert ist, ein Gebäude nach dem Widerstandskämpfer Georg Schumann zu benennen? Immerhin hätte es ermöglicht, seinem Andenken gerecht zu werden und dennoch die freie Entscheidung der einen Schule, die dort auszieht, auf einen Neubeginn an einem neuen Ort zu respektieren.“

Die Leipziger Widerstandsgruppe um Georg Schumann, Otto Engert und Kurt Kresse gehörte in den Jahren 1943/1944 zu den aktivsten Widerstandsgruppen Deutschlands gegen das nationalsozialistische Regime. Im November 1944 flog die Gruppe Schumann-Engert-Kresse auf, der Volksgerichtshof brach über sie den Stab und beschloss den Justizmord und die Ehrlosigkeit ihres Namens.

„Das Mindeste, was wir heutzutage für diese mutigen Kämpfer gegen den Nationalsozialismus tun können, ist, ihrer zu gedenken und die Erinnerung im Stadtbild sichtbar zu machen“, sagt Götze. „Nicht zuletzt hatten sich Schumanns Enkel gegenüber dem Oberbürgermeister für die Namensgebung eingesetzt: ‚Wir möchten Sie auffordern, dass Sie ihren Einfluss geltend machen, um die Bestrebungen zurückzuweisen, die Rolle von Georg Schumann und seiner Mitstreiter in Vergessenheit geraten zu lassen […] Das käme einer zweiten Hinrichtung gleich‘“, zitierte er aus der Zeitung.

„Wir werden als Fraktion Die Linke weiterhin nichts unversucht lassen, um Georg Schumann an dem Ort seiner Schulzeit ein würdiges Gedenken zuteilwerden zu lassen.“

Zwei Punkte des Linke-Antrags fanden eine klare Mehrheit

Dass er so explizit die Grünen erwähnt, hat mit offensichtlichen Hoffnungen zu tun, die Grünen würden den Linke-Antrag in allen Punkten unterstützen. Was sie aber nicht taten. Sie hatten einen eigenen Änderungsantrag eingereicht, der zum Beispiel eine neue Platzierung der Georg-Schumann-Büste in einem kleinen Park an der Glockenstraße zum Inhalt hatte.

Unüberhörbar im Videoclip sind dann die Rufe aus der Linksfraktion, als der Grünen-Antrag ebenso knapp abgelehnt wurde wie der für die Linken so wichtige Änderungspunkt, das Schulgebäude an der Glockenstraße in Georg-Schumann-Haus umzubenennen: „Genauso wie bei euch …“

Während übrigens zwei andere Punkte aus dem Änderungsantrag der Linken eine breite Mehrheit fanden. Das darf man an der Stelle nicht ausblenden. Schon Ute Köhler-Siegel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hatte betont, dass der erste Punkt unbedingt zustimmungsfähig ist. Er lautet: „Der Stadtrat spricht sich für die weitere öffentliche Würdigung des Widerstandskämpfers Georg Schumann in der Leipziger Schullandschaft aus.“

Der bekam in der punktweisen Abstimmung dann 46:8 Stimmen. Ganz ähnlich wie ein weiterer Antragspunkt: „Nach Sanierung des Gebäudes in der Glockenstraße wird am Hauseingang eine Tafel mit Hinweisen auf den antifaschistischen Widerstand und die Verbindung Georg Schumanns zum Gebäude sowie seine Biografie angebracht.“

Der bekam 48:9 Stimmen. Der Linke-Antrag wurde also ganz und gar nicht in Gänze abgelehnt.

Und warum die anderen beiden Punkte dafür keine Zustimmung fanden, wird in der Diskussion zumindest ein wenig klarer. Wobei Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus auch betonte, dass der Name Georg-Schumann-Schule jetzt erst einmal in den Namensvorrat für Schulbenennungen kommt. Andere Schulen, die noch keine Namen haben, können sich jetzt also durchaus bewusst zu diesem Leipziger Widerstandskämpfer bekennen.

Die Vorlage zu den vier Schulnamensänderungen.

Der Schöpfer des Mosaiks und zwei Frauen

Bei der Diskussion um die Georg-Schumann-Schule am 31. Mai ging geradezu unter, dass unter den vier Schulneubenennungen auch drei ganz besondere waren. Auch wenn die Kinder in Paunsdorf die Benennung der 24. Schule, Grundschule der Stadt Leipzig, in Schule am Gutspark Paunsdorf natürlich auch als etwas Besonderes empfinden dürften. Immerhin kämpft die Schule seit 2019, als der ehemalige Gutspark neu gestaltet wurde, um diesen Namen.

Aber etwas Besonderes ist natürlich, dass die 31. Schule in Probstheida, Grundschule der Stadt Leipzig, ab dem 1. August 2023 den Namen Johannes-Hegenbarth-Schule tragen wird. Damit trägt die Schule dann den Name des Schöpfers des legendären Ost-Comics „Mosaik“, dessen Werk im Zeitgeschichtlichen Forum, Leipzig aufbewahrt wird.

Die 2018 eröffnete Schule an der Bernhard-Göring-Straße, Grundschule der Stadt Leipzig, trägt ab dem 1. August 2023 den Namen Ida-Blum-Schule. Auch das ein klares Signal – in diesem Fall auch dafür, dass mehr Leipziger Schulen den Namen einer Frau tragen sollen. Ida Blum war die Tochter von Robert Blum, den die Leipziger einst in die Frankfurter Nationalversammlung entsandt hatten und der 1949 in der Brigittenau bei Wien erschossen wurde. Und sie war Lehrerin.

In der Begründung heißt es: „Ida Blum wurde am 6. September 1845 in Leipzig geboren. Sie war die Tochter des revolutionären Demokraten Robert Blum. Nach dem Tod des Vaters zog die Familie in die Schweiz, wo Ida am Unterricht der Gladbachschen Knabenschule teilnehmen durfte und danach die Fortbildungsklassen der Berner Einwohnermädchenschule des Pädagogen Fröhlich besuchte, um später das Lehrerinnenexamen absolvieren zu können. Ida war sprachlich versiert und schrieb unter Pseudonym Novellen, Gedichte und Aufsätze.

Zwischen 1875 und 1877 arbeitete sie als Lehrerin an der Bürgerschule V in Leipzig. 1884 nahm sie eine Stelle als wissenschaftliche Lehrerin an der Servièrschen Höheren Mädchenschule an. Hier unterrichtete sie in allen zehn Klassenstufen Heimatkunde, Geografie, Geschichte, Deutsch und Religion.

Sie begeisterte zudem ihre Schülerinnen für kreative Tätigkeiten außerhalb des Unterrichtes und schrieb dramatisierte Märchen in Versform für Aufführungen im Sinne der Schulphilosophie, die Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit und Freundschaft betonte. Ihre Bühnenstücke enthielten Regieanweisungen, Kostümvorschläge und Ideen zur musikalischen Umrahmung.

Am 1. April 1900 übernahm sie die Schulleitung. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie die Leitungsverantwortung 1905 wieder abgeben. Nach längerer Krankheit starb Ida Blum am 10. März 1908 in ihrer Leipziger Wohnung. 23 Jahre lang als Lehrerin und fünf Jahre als Schulleiterin hatte sie ihre vorzüglichen pädagogischen Gaben und ihr bedeutendes Wissen in den Dienst der Mädchenbildung gestellt.“

Namensfindung mit Stolperstrecke

Und dann war da eben noch die Georg-Schumann-Schule, über die so heftig diskutiert wurde. Aber eben nicht über die Umbenennung, denn in das Recht der Schulkonferenz, den Schulnamen zu bestimmen, wollte am 31. Mai auch niemand eingreifen. Ab August soll die Schule den Namen Caroline-Neuber-Schule, Oberschule im Deutsch-Französischen Bildungszentrum der Stadt Leipzig, tragen.

Und damit an die berühmte Theater-Prinzipalin erinnern, die in Leipzig wirkte. Der Auszug ins Deutsch-Französische Bildungszentrum macht das Schulgebäude an der Glockenstraße für die Petrischule frei, die vom Floßplatz dorthin zieht, aber ihren seit 1907 bestehenden Schulnamen mitnimmt. Am Floßplatz wird dadurch mehr Platz für die Grundschule.

Aber die Georg-Schumann-Schule hatte eine klein Stolperstrecke zu bewältigen, als sie ihren neuen Namen suche.

Das schildert die Stadtratsvorlage ausführlich.

„In der Schule fand eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage nach einem neuen Schulnamen statt. Zur Steuerung dieses Prozesses wurde im Mai 2021 an der Schule eine Arbeitsgruppe (AG) gegründet. Mitglieder waren Lehrkräfte unterschiedlicher Fachlichkeiten. Das Amt für Schule hat die AG von Beginn an beraten und begleitet. Aus der AG heraus wurden Kriterien für die Auswahl von Namen definiert.

Anfang des Schuljahres 2021/2022 wurden per Elternbrief alle Eltern sowie Schüler/-innen der Georg-Schumann-Schule aufgerufen, Namensvorschläge zu unterbreiten. Gleichzeitig waren auch die Lehrkräfte aufgefordert, ihre Ideen einzureichen.  Aus allen Vorschlägen wurden letztendlich fünf Namen ausgewählt und zur Abstimmung gebracht. Die finale Abstimmung erfolgte im Rahmen eines Projekttages am 04. Oktober 2021.

Die Schüler konnten verschiedene Stationen besuchen, an denen die Namen in unterschiedlichsten Formaten präsentiert wurden. Anschließend wurde die Wahl nach demokratischen Wahlprinzipien durchgeführt. Es gab Stimmzettel, eine Wahlurne, Wahlhelfer und ein Protokoll über die Stimmenauszählung. Die Lehrerkonferenz bestätigte am 27. November 2021 die Wahl der Namen. Erstplatziert im Verfahren war der Namen ‘Pierre-de-Coubertin’-Schule.“

Aber das war ein Fehler. Da hatte man nicht genug recherchiert.

Denn: „Nach dem Wahlprozess in der Schule wurden jedoch Forschungsergebnisse veröffentlicht, die auf eine stärkere Nähe de Coubertins zum Nationalsozialismus hinwiesen, als zuvor bekannt. Die Schule entschied sich daher in Absprache mit dem Amt für Schule, von dieser Option Abstand zu nehmen und Caroline Neuber als Namenspatronin der Schule zu wählen.

In der AG wurde das pädagogische Konzept zur Namensänderung erarbeitet und abgestimmt. Aufgrund des langen Schulnamens, der die Zugehörigkeit zum Deutsch-Französischen Bildungszentrum herausstellt, wurde entschieden, auf die Nennung beider Vornamen der Neuberin zu verzichten.

Die Schulkonferenz am 27. Januar 2023 beschloss einstimmig, den Antrag auf Schulnamensänderung in Caroline-Neuber-Schule, Oberschule im Deutsch-Französischen Bildungszentrum der Stadt Leipzig, zu stellen.“

Die Erinnerung an Schumann soll nicht verschwinden

Wie man nun als Stadt mit dem Schulgebäude und der Erinnerung an Georg Schumann umgehen will, erklärte das Schuldezernat in der Vorlage so: „Durch die Schulnamensänderung verschwindet der Schulname ‘Georg-Schumann-Schule’ zunächst aus der Leipziger Schullandschaft. Das Gebäude in der Glockenstraße wird künftig von der Petrischule, Oberschule der Stadt Leipzig, genutzt.

Diese behält ihren bisherigen Schulnamen; eine Ãœbernahme des Namens ‘Georg-Schumann-Schule’, der nicht nur an das Gebäude, sondern auch an das Konzept der Schule gebunden und mit dieser verbunden ist, ist mindestens zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll. Jedoch soll Georg Schumann als Persönlichkeit weiter am Standort Glockenstraße gewürdigt und seine Verbindung mit dem Gebäude deutlich gemacht werden.

Dazu wird die bereits jetzt auf dem Schulgelände befindliche Bronzebüste Schumanns nach der Sanierung wieder so auf dem Schulhof aufgestellt werden, dass sie für die Öffentlichkeit gut sichtbar ist. Zu weiteren Möglichkeiten des Gedenkens, wie beispielsweise einer Darstellung der Geschichte des Schulgebäudes, erfolgen konkrete Absprachen mit der Petrischule.“

Während die Benennungen der Schule am Gutspark Paunsdorf, der Ida-Blum-Schule und der Johannes-Hegenbarth-Schule in der Ratsversammlung einhellige Zustimmung bekamen, war auch bei der Umbenennung der Georg-Schumann-Schule in Caroline-Neuber-Schule die Ratsversammlung geteilt – trotzdem erhielt diese Umbenennung 37 Stimmen bei 18 Gegenstimmen. Womit es ab August zwei weitere Schulen in Leipzig gibt, die den Namen eine verdienstvollen Frau tragen.

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