Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat einen Antrag im Stadtrat Leipzig eingebracht, mit dem Titel „Freie Gehwege für Leipzig, Recht auf Fußweg sichern“. Der Antragstext lautet: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept für die Stadt Leipzig zu erarbeiten, welches die Ordnung für den ruhenden Verkehr regelt und dabei die Sicherheit und Durchlässigkeit der Gehwege sowie die Erfordernisse der Rettungskräfte, insbesondere von Feuerwehr und Krankenwagen gewährleistet. Sowohl für die Straßenverkehrsbehörde als auch für das Ordnungsamt ist Rechtssicherheit herzustellen.“

Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen findet man hier.

Es stellen sich Fragen.

Geht es nur um Gehwege?

Zumindest der Teilsatz „…, sowie die Erfordernisse der Rettungskräfte, insbesondere von Feuerwehr und Krankenwagen gewährleistet“ lässt den Schluss zu, dass es auch um den Straßenraum geht. Die genannten Rettungskräfte fahren mit ihren Fahrzeugen eher selten die Gehwege entlang. Im letzten Absatz ist auch von der „Priorisierung eines sicheren und gefahrlosen Fuß- und Radverkehrs“ zu lesen, was auch zu diesem Schluss führt.

Der Antrag reiht sich also nahtlos in die lange Reihe der Anträge zu Falschparkern, verkehrsbehindernd parkenden Fahrzeugen und mit ähnlichen Titeln ein.

Bremen, oder wie könnte ein Konzept aussehen?

Da im Antrag das „Bremer Urteil“ zum Gehwegparken genannt wird, lohnt sich ein Blick in die Hansestadt. Am 21. September veröffentlichte der Innensenator in einer Pressemitteilung ein Konzept.

Dort heißt es unter anderem: „Mit dem Tag der heutigen Pressemitteilung (21. September 2023) und der Erstellung der sogenannten Betriebspläne für die ersten Straßen (Beschilderungen und Markierungen) sowie der Einbeziehung öffentlicher Aufgabenträger, wie zum Beispiel dem Beirat, wird ein Zeitrahmen von circa acht Wochen von der Ankündigung bis zur Umsetzung geplant.

In diesem Zeitfenster sollen die Anwohnerinnen und Anwohner der ersten 13 Straßen mit Schreiben über die Maßnahmen informiert werden. Falschparkerinnen und -parker erhalten zunächst eine gelbe Karte, nach zwei Wochen können dann Bußgelder fällig werden oder Falschparkerinnen und -parker notfalls auch abgeschleppt werden. Die genannten Straßen werden verstärkt vom Ordnungsamt kontrolliert.“

Die betroffenen Straßen wurden und werden weiter identifiziert und in den Maßnahmenplan aufgenommen.

Weiter dazu: „In einem weiteren Schritt werden sich beide Ressorts [Innen- und Mobilitätsressort, Anm. d. Autors] alle Straßen vornehmen, in denen aufgesetzt geparkt wird und die verbleibende Gehwegbreite weniger als 0,90 Meter beträgt; danach folgen Straßen mit einer verbleibenden Restgehwegbreite von weniger als 1,10 Meter. In diesen Arbeitspaketen soll das Parken in den innenstadtnahen Quartieren völlig neu geordnet werden (Stichwort ‚Ordnen des Parkens‘ und ‚Parken in Quartieren‘).“

So geht das. Zeitplan – Maßnahmenplan und dann durchführen.

Parkplätze: Geben die Grünen teilweise nach?

In der Begründung steht: „Welcher Finanzbedarf könnte entstehen durch z. B. temporäre Aktivierung von unbebauten Grundstücken als Parkplatz …“, was heißt, dass die Grünen diese Nutzung nicht ausschließen. Es ist fraglich, ob es dabei nur um städtische oder auch private Grundstücke geht, allerdings muss man sich fragen: „Was bedeutet temporär?“

Wenn ein unbebautes Grundstück als ordnungsgemäßer Parkplatz, ob mit oder ohne Kostenpflicht, genutzt werden soll, dann muss der Untergrund zumindest planiert sowie Parkplätze und Durchfahrtswege markiert werden und eine Zu- und Ausfahrt muss markiert sein.

Wenn nun ein privater Besitzer die Nutzung seines Grundstücks als „temporärer Parkplatz“, eventuell mit städtischem Zuschuss, gut findet und den Bau einer Immobilie verzögert, was soll dann geschehen? Wahrscheinlich dasselbe wie bei Baulücken, in denen seit Jahren Gebrauchtwagenhändler ihr Domizil haben.
Die Formulierungen sind hier vorsichtig formuliert. Manches bleibt unklar, es gab Zeiten, da kämpften die Grünen gegen jeden Parkplatz bei Neubauten – sie wollten weniger Parkplätze als die Stellplatzsatzung zulässt.

Gibt es beim Parken Rechtsunsicherheit?

Im Antrag heißt es „Sowohl für die Straßenverkehrsbehörde als auch für das Ordnungsamt ist Rechtssicherheit herzustellen.“ Die gibt es definitiv schon, das Halten und Parken wird in § 12 der StVO geregelt, diese ist da eindeutig. Zum Parken auf den Gehwegen wird dort festgelegt: „§ 4(4a) Ist das Parken auf dem Gehweg erlaubt, ist hierzu nur der rechte Gehweg, in Einbahnstraßen der rechte oder linke Gehweg, zu benutzen.“

Die Betonung liegt hier auf dem ersten Halbsatz, der besagt „Auf dem Gehweg darf nur geparkt werden, wenn es erlaubt ist.“ Die Erlaubnis dazu wird durch das Verkehrszeichen 315 „Parken auf Gehwegen“ (StVO Anlage 3) erteilt. Zusatzschilder markieren die Parkordnung und Beginn und Ende.

Im Klartext heißt das, dass das Gehwegparken überall, wo es nicht ausdrücklich erlaubt ist, verboten ist.
Die Erfordernisse der Rettungskräfte, insbesondere von Feuerwehr und Krankenwagen, werden mit strikter Durchsetzung des § 12 StVO ebenfalls gewährleistet.

Da gibt es keine Rechtsunsicherheit.

Was sagt die Verwaltung?

Richtigerweise äußert das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) im Verwaltungsstandpunkt, dass es keines weiteren Konzeptes bedarf.

„Sowohl die rechtlichen Regelungen zum Parken sind gegeben, als auch ausreichend konzeptionelle Grundlagen beschlossen und in Erarbeitung (u. a. Fußverkehrsstrategie; Fußverkehrsentwicklungsplan; Langfristkonzept Ruhender Verkehr), sodass es keines weiteren Konzeptes bedarf. Die AG Schmale Straßen der Verwaltung befasst sich zudem gezielt mit der Problematik in diesem Bereich und setzt hier schrittweise in den betroffenen Straßen Lösungen um.“

Allerdings stellt sich die Frage, warum bei der Beantwortung das Ordnungsamt nur in Punkt 1.1 erwähnt wird. Kontrolle und Sanktionierung ist schließlich dessen Aufgabe.

Auch der Punkt 1.2 „Verbesserte Klarstellung des gültigen Rechtsrahmens der StVO“ ist in Teilen seltsam. So ist die Aussage „Die Problematik halb- oder beidseitig auf Gehwegen parkender Pkw beschäftigt die Verwaltung insbesondere in engen Anliegerstraßen bereits länger“ so zu lesen, dass es dort keine Regelung durch Zeichen 315 gibt. Das Gehwegparken ist also verboten.

Eine Parkanordnung in der Bothestraße. Foto: Thomas Köhler
Parkanordnung in der Bothestraße. Foto: Thomas Köhler

Das beidseitige Parken, welches die Mindestdurchfahrtbreite einschränkt, in engen Straßen, lässt sich mit einseitigem Halteverbot einfacher lösen als mit Markierung von Parkflächen auf einer Seite. Im Bild ist zu sehen, dass auf der linken Fahrbahnseite Parkflächen markiert sind. Auf der rechten Seite ist kein Halteverbot angeordnet, was dazu führt, dass oft Fahrzeuge dort parken. Zum Zeitpunkt der Aufnahme „nur“, wenn links keine Parkfläche markiert ist, die Unterbrechung beruht auf Ein- und Ausfahrten auf der linken Seite, die rechts parkenden Fahrzeuge behindern teilweise die Ein- und Ausfahrt.

Zumindest in der Nacht stehen aber rechts Fahrzeuge, wodurch die Mindestdurchfahrtbreite nicht mehr gewährleistet wird. Aber Nachts wird ja nicht kontrolliert.

Was unterscheidet den Antrag von den Vorgängern?

Der Antrag fordert keine Sanktionen für Falschparker, kann also nicht einfach vom Oberbürgermeister mit der Begründung, dass er in die „Zuständigkeit des Oberbürgermeisters nach § 53 Abs. 3 SächsGemO eingreift“ abgelehnt werden.

Die Antragsteller und die Verwaltung sollten nach Bremen schauen, dort fängt man einfach an.

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