Am 18. September schlug der NABU Leipzig Alarm. Über 400 tote Fische waren in der Neuen Luppe gefunden worden. Wieder einmal. Es war nicht das erste derartige Ereignis unterhalb des Klärwerks Rosental. Und so lag der Verdacht auf der Hand, eine Störung im Klärwerk könnte die Ursache für das Fischsterben gewesen sein. Weshalb dieses Ereignis in der Ratsversammlung am 20. September Inhalt des Berichts des Oberbürgermeisters wurde. Den hielt dann der zuständige Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.

Man merkte schon, dass er dabei auf Zuarbeit seiner Ämter und der Wasserwerke Leipzig angewiesen war. Doch dieses neuerliche Fischsterben war auch den Ämtern und Behörden nicht verborgen geblieben. Man hat auch Ursachenforschung betrieben.

Bei einem war sich Heiko Rosenthal freilich sicher: An der Störung im Klärwerk Rosental lag es nicht. Denn dieser Ausfall der Stromversorgung in der biologischen Reinigungsstufe des Klärwerks fand schon am 31. August statt. Mit mobilen Geräten wurde die Stromzufuhr kurzfristig wieder gesichert. Die Behörden wurden informiert, so Rosenthal. Und für Zeiten ohne Starkregen sei damit auch die Arbeit der Klärstufe wieder gesichert.

Nur nicht für Starkregen. Und der schält sich nun deutlich als Hauptursache heraus. Denn für die Regenmengen, die bei Starkregen binnen kürzester Zeit in die Leipziger Kanalisation spülen, ist das Klärwerk nicht ausgelegt. Dann gibt es praktisch automatisch einen Mischwasserüberlauf in die Flüsse. Das sei so auch zulässig, betonte Rosenthal, ein „genehmigter Vorgang“. Der normalerweise dadurch abgemildert wird, dass auch die Flüsse viel Wasser führen und die ungeklärten Mischwasser noch zusätzlich verdünnt werden.

Wenn Flüsse sowieso schon gestresst sind

Doch die Häufung von Fischsterben in Neuer Luppe und Weißer Elster unterhalb des Klärwerks deutet darauf hin, dass ein völlig neues Problem entstanden ist. Denn die zunehmende Zahl von Starkregen mit der Aufheizung der Atmosphäre trifft mittlerweile auch auf das Phänomen von Flüssen, die oft wochen- und monatelang schon Niedrigwasser führen. Was – so Rosenthal – auch auf die Neue Luppe zutraf, als es wieder einmal Starkregen gab.

Verendete Fische in der Neuen Luppe. Foto: Karsten Peterlein/NABU Leipzig
Tote Fische in der Neuen Luppe. Foto: Karsten Peterlein/NABU Leipzig

Wobei der 31. August nicht völlig aus dem Rennen ist, denn auch an diesem Tag gab es mit 5,8 Liter je Quadratmeter Starkregen in Leipzig. Aber ursächliches Ereignis für das Fischsterben in der Neuen Luppe war wohl eher der starke Regen am 12. September, als 6,5 Liter je Quadratmeter binnen kürzester Zeit auf die Erde prasselten und die Mischwasserkanäle füllten. Wenn dann der Mischwasserüberlauf aus dem Kanalsystem auf ein Gewässer mit Niedrigwasser trifft, sorgt das für Stress. In diesem Fall, so Rosenthal, auch noch verstärkt durch die höhere Gewässertemperatur.

Wir stecken ja mittendrin im wärmsten September seit den amtlichen Wetteraufzeichnungen. Dazu kommen ganze Wochen mit hoher Sonnenscheindauer, in denen sich die Gewässer besonders aufheizen – das sorgt für verstärkte Algenblüte und für weniger Sauerstoff im Wasser.

Das Stressereignis Mischwasser traf also auf sowieso schon gestresste Flüsse.

Herausforderungen für eine versiegelte Stadt

Und das wird in Zukunft noch öfter passieren. Dessen ist man sich auch bei den Kommunalen Wasserwerken sicher, wo man nun schon seit Jahren an den Plänen zum Ausbau des Klärwerks Rosental arbeitet. Denn zu diesem Ausbau gehören zugleich größere Rückhaltekapazitäten, sodass auch im Starkregenfall weniger ungeklärte Wassermengen in die Flüsse überlaufen.

Und im Leipziger Kanalnetz wird auch schon seit Jahren versucht, zusätzliche Rückhaltekapazitäten zu schaffen, damit Regenmassen zeitverzögert Richtung Klärwerk abgegeben werden können. Und man ahnt zumindest, dass das ganze Thema Schwammstadt mit daran hängt, denn wenn im Leipziger Stadtgebiet mehr Gräben und Rückhaltesenken entstehen, in denen sich Regenwasser sammeln kann, umso geringer ist der Druck auf das Mischwassersystem.

Das erklärte Rosenthal nicht so explizit. Irgendwie ist das nicht sein Spezialgebiet. Und auch die Nachfragen von Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek betrafen eher die Nachsorge. Denn wer ist eigentlich verantwortlich dafür, dass die Mengen an toten Fischen dann schnellstmöglich aus dem Gewässer entfernt werden?

Das, so Heiko Rosenthal, läge in Verantwortung des Leipziger Anglerverbands, der für Hege und Pflege der Gewässer den Auftrag habe. Dem obliege es, nach solch einem Ereignis – möglichst zeitnah – die verendeten Fische und anderen Tiere (es wurden ja auch zwei tote Waschbären gesichtet) abzufischen.

Aber eins wurde deutlich: Mit den neuen Wetterextremen, die auch in Leipzig immer mehr zum Normalen werden, kann es künftig auch häufiger zu solchen Vorfällen kommen und ungeklärtes Mischwasser auf ohnehin schon durch Niedrigwasser und Aufheizung gestresste Flüsse treffen.

Und bis zumindest das Klärwerk Rosental mehr ungeklärte Abwässer auch im Starkregenfall zurückhalten kann, dauert es noch. 2024 sollen, so Heiko Rosental, die Arbeiten beginnen. Das Bauprojekt aber wird ein paar Jahre dauern, bis die neuen Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Und gleichzeitig steht das dicke Fragezeichen im Raum, wann Leipzig endlich anfängt, den Regenwasserrückhalt in der ganzen Stadt endlich auszubauen – nicht nur bei Neubauprojekten.

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Also wenn das Thema Umwelt / Klima nicht das “Spezialgebiet” des Bürgermeisters ist, was ist es dann? Ordnung? Gar (Wasser-) Sport? Stellen die Angler eigentlich eine Rechnung für den Sondermüll an das Amt? Und entsorgt Herr Kasek die Waschbären selbst? Ratlos wie immer – Hearst.

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