Das wird ein Dauerthema, das ist jetzt schon absehbar. Eigentlich waren die Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft von Arbeitsagentur und Kommune 2005 einmal so angedacht gewesen, dass die Kommunen hier direkten Einfluss auf die genauen Hilfsangebote für Menschen nehmen können, die Hilfe bei der Rückkehr in den regulären Arbeitsmarkt brauchen. Doch seit der Bund seine Mittel massiv kürzt, sind die Gespräche zwischen Stadt und Jobcenter-Führung gravierend gestört.

Die Ratsversammlung diskutiert zwar immer wieder neu, wenn neue Mittelkürzungen bekannt gegeben werden und weitere Projekte keine Förderung mehr erhalten, aber Vorstöße, mit der Jobcenter-Geschäftsführung darüber ins Gespräch zu kommen, scheitern regelmäßig.

Was die Linksfraktion dazu brachte, eine etwas deutlichere Anfrage an den OBM zu stellen. Schon im Tonfall dieser Anfrage wurde deutlich, wie viel Frust nicht nur in der Linksfraktion mittlerweile über das Gebaren der Jobcenter-Geschäftsführung und die rigiden Mittelkürzungen durch den Bund herrscht.

„Zum wiederholten Mal hat die Linksfraktion in den letzten Monaten in der Ratsversammlung zum Thema Sozialer Arbeitsmarkt in Leipzig nachgefragt, zuletzt in der Ratsversammlung September (siehe VII-F-09069-AW-02). Wir taten das deshalb, weil nach der 60%igen Kürzung im Jahr 2023 nunmehr für das Jahr 2024 eine weitere Halbierung und damit ein zweiter Kahlschlag für den sozialen Arbeitsmarkt droht.

Es sind neben der fehlgeleiteten Steuerung des Jobcenters hauptsächlich die angekündigten Kürzungen der Berliner Ampel-Regierung im Bundeshaushalt, die zu dieser dramatischen Entwicklung in Leipzig führen. Betrugen die Eingliederungsmittel des Jobcenters Leipzig im Jahr 2022 noch 55 Millionen Euro, sanken sie 2023 auf 50 Mio. und werden 2024 voraussichtlich weniger als 45 Mio. Euro betragen.

Mit dieser massiven Kürzung wird es in Leipzig immer weniger arbeitsmarktpolitische Projekte bei einer gleichbleibend hohen Langzeitarbeitslosigkeit geben. Die Leipziger Tradition der aktiven Beschäftigungspolitik für besonders benachteiligte Personengruppen am Arbeitsmarkt wird damit beendet werden.

Von diesen Einschnitten und Stellenstreichungen sind neben freien Trägern, karitativen Initiativen auch wichtige Bereiche der Kommune selbst wie der Kommunale Eigenbetrieb Engelsdorf (KEE), die Schulbibliotheken, weitere wichtige soziale Dienste und die Stadtreinigung massiv betroffen, wie eine andere Vorlage zeigt (VII-Ifo-07911).

Die Antworten der Verwaltung in der Ratsversammlung September waren aus unserer Sicht teilweise grob lückenhaft und unvollständig; damit wurde die strategische Hilflosigkeit der Kommune, insbesondere gegenüber dem Jobcenter, bezeugt.“

2023 nur noch 41 Millionen Euro

Die Mittel werden 2024 sogar auf 41,84 Millionen Euro abschmelzen, konnte Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke am 18. Oktober in der Ratsversammlung mitteilen. Die Debatte rund um die Linke-Anfrage wurde – erwartbar – doch wieder etwas ausufernder. Denn auch Grüne und Freibeuter sind zunehmend unzufrieden, nicht nur mit der Jobcenter-Geschäftsführung, sondern auch mit den fehlenden Mitspracherechten der Ratsfraktionen.

Denn wie auch Clemens Schülke – auf das hartnäckige Nachfragen von Linke-Stadtrat Sören Pellmann – bestätigte, haben die zwei Stadträte im Jobcenter-Beirat im Grunde nur ein Frage- und Vorschlagsrecht. Was die Geschäftsführung damit macht, ist – nach Lage der geltenden Vorschriften – ganz allein deren Angelegenheit.

Mit der Trägerversammlung des Jobcenters verhält es sich ganz ähnlich. Die Kommune hat lediglich Einfluss auf den Personalhaushalt im Jobcenter selbst, aber praktisch gar keinen, wenn es um die Verteilung der Budgets geht – also zum Beispiel für die vielen so wichtigen Projekte in der Stadt, mit denen Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wofür die abschmelzenden Gelder tatsächlich aufgewendet werden, das entscheidet die Geschäftsführung des Jobcenters ganz allein.

Und sie sitzt am längeren Hebel, auch deshalb, weil 75 Prozent der aufgewendeten Gelder vom Bund kommen.

AGH-Maßnahmen halbiert

Und einen gewissen Frust äußerte auch Katharina Krefft darüber, dass im Jobcenter-Beirat nur zwei Vertreter des Stadtrates sitzen (Sören Pellmann von der Linksfraktion und Sascha Matzke von den Freibeutern) und nicht alle Fraktionen. Dann hätte man wenigstens eine breitere Gesprächsbasis mit der Jobcenter-Führung. Das könnte ja helfen, den Problemen der Stadt mehr Gewicht zu verleihen.

Pellmann hielt die Antwort der Verwaltung auf die Linke-Anfrage zwar für recht dürftig. Aber es stehen eben auch Zahlen drin, welche die Dramatik der Lage sichtbar machen – etwa das radikale Zurückschneiden der AGH-Maßnahmen, die einen niedrigschwelligen Einstieg ins Arbeitsleben ermöglichen. Die Plätze in solchen Maßnahmen sind von 1.470 im Jahr 2019 schon auf 1.273 im Jahr 2022 abgeschmolzen. Aber 2023 wurden diese Maßnahmen auf 613 Plätze regelrecht halbiert.

Die Zahl der Träger wurde von 109 auf 61 eingedampft. Logisch, dass in den Fraktionen die Nerven blank liegen, denn wen sollen die Betroffenen ansprechen, wenn das Jobcenter die Gelder streicht?

Die Antwort der Verwaltung klang auch ein wenig pikiert, weil man die Anfrage als eine Art Misstrauensäußerung gegenüber der Stadt und ihrer Rolle in der Trägerversammlung las. Aber letztlich geht es um Geld und die direkten Folgen einer Kürzungspolitik des aktuellen Bundesfinanzministers mit dem Rassenmäher.

Oder mit den Worten der Verwaltung: „Das Problem der sinkenden Mittel ist bekannt und an vielen Stellen benannt. Allerdings braucht es hierzu das Einlenken des Bundes in Form zusätzlicher finanzieller Mittel.“

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