Es ist ein Dauerthema, das manchmal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erreicht, wenn leer stehende Wohnhäuser in Leipzig mit großem Tamtam besetzt werden. Bis dann die Polizei kommt und die Besetzer aus dem Haus vertreibt. Eigentlich wollte und sollte sich die Stadt um diese im ganzen Stadtgebiet zu findenden, meist verwahrlosten Immobilien kümmern. Aber letztlich sind auch der Stadt die Hände gebunden. Denn nichts wird in Deutschland so sehr geschützt wie Eigentum. Selbst dann, wenn es verwahrlost.

Das machte jetzt eine aktuelle Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wieder deutlich. „Seit 2014 setzt sich im Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung eine Arbeitsgruppe mit Eigentümer*innen maroder und verwahrloster Immobilien zusammen, um sie stärker in die Sanierungspflicht zu nehmen. Dies durchaus mit Erfolg, wie eine Zwischenbilanz nach einigen Jahren Arbeit belegt hat. Zuletzt gab es keine öffentlichen Bilanzen mehr“, stellte die Fraktion dabei etwas konsterniert fest.

Aber die Aufgabe, die die Stadt da umsetzen muss, übersteigt in der Regel auch die Kompetenzen des Amts für Wohnungsbau und Stadterneuerung, das sich um die verwahrlosten Immobilien kümmern soll.

Eigentum verpflichtet … aber wozu?

„Da Eigentum in der Bundesrepublik ein hohes rechtliches Gut ist, sind verpflichtende politische Maßnahmen und die Möglichkeiten der Stadtverwaltung sehr begrenzt. Aktuell versucht die Stadtverwaltung Eigentümer eher durch Anreize (z.B. Wohnungsbauförderung oder Beratungsangebote) zu einer Sanierung bzw. zum Verkauf der Wohngebäude zu bewegen“, teilt das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung in seiner Antwort mit.

Die Stadt kann also durchaus ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot verhängen, hat dann aber ein gewaltiges Problem. Denn dann müsste die finanziell klamme Stadt auch noch selbst Geld aufbringen, um die Sanierung auszufinanzieren.

„Durch das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot entstehen hohe Sanierungskosten. Der Eigentümer einer verwahrlosten Immobilie muss die Kosten der Sanierungsmaßnahmen aber nur insoweit selbst tragen, wie sich diese aus den Erträgen wieder erwirtschaften lassen. Dadurch entstehen sogenannte unrentierliche Kosten, die die Kommune zu tragen hat“, stellt das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung dazu fest.

Und: „Insbesondere bei Gebäuden, die sich in einem ruinösen Zustand befinden, sind diese unrentierlichen Kosten sehr hoch und die Kommune muss dazu bereit sein, die Kosten zu tragen. Hier stellt sich auch die Frage der Verhältnismäßigkeit, ob private Eigentümer bei der Reaktivierung ihrer lange Zeit vernachlässigten Gebäude mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden sollten. Eine Gegenleistung (z.B. Mietpreis- und Belegungsbindungen) sieht das Gesetz nicht vor.“

Ein Gebot mit Grenzen

Aber es gibt noch mehr Hindernisse, die der Stadt ein Handeln oft unmöglich machen.

„Hinzu kommen Hinderungsgründe rechtlicher Natur. Die zu beseitigenden Missstände und Mängel sind für ein Gebot detailliert zu bezeichnen. Für eine detaillierte Zustandsbewertung des Äußeren und Inneren des Gebäudes ist ein Gutachten notwendig. Voraussetzung dafür ist ein Zutrittsrecht, welches dem Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung aufgrund der Rechtslage im Freistaat Sachsen fehlt“, heißt es in der Antwort.

„Eine weitere Hürde für den Erlass eines Modernisierungs- und Instandsetzungsgebotes ist die Betrachtung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit. Ein Gebot darf nur erlassen werden, wenn eine Wiedernutzbarmachung wirtschaftlich vertretbar ist. Wenn Abriss und Neubau im Vergleich zur Beseitigung der Missstände und Mängel rechnerisch günstiger sind, wäre ein Gebotserlass rechtlich voraussichtlich nicht haltbar. Da viele der leerstehenden Gebäude in Leipzig seit vielen Jahren ungenutzt sind, sind mit ihrer Wiedernutzbarmachung sehr hohe Kosten verbunden.“

Zur Die Bilanz des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung zum Umgang mit leerstehenden Immobilien. Grafik: Stadt Leipzig
Die Bilanz des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung zum Umgang mit leerstehenden Immobilien. Grafik: Stadt Leipzig

Und das nüchterne Fazit: „Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass das Instrument der Modernisierungs- und Instandsetzungsgebote auf der aktuellen Rechtsgrundlage und mit den aktuellen Baukosten in Leipzig nicht durchsetzbar ist. Der Großteil des nicht-marktaktiven Leerstands ist in einem so schlechten baulichen Zustand, dass die Kosten der öffentlichen Hand den allgemeinen Nutzen nicht rechtfertigen.“

Es bleibt also aus nachvollziehbaren Gründen vorerst bei Prüfungen: „Seit 2022 wird unter Federführung des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung der Erlass von Modernisierungs- und Instandsetzungsgeboten geprüft. Dazu wurden seitdem Eigentümer von 28 verwahrlosten Immobilien kontaktiert. Daraufhin wurden mit 22 gesprächsbereiten Eigentümern Beratungen durchgeführt.

Im Ergebnis auf die Kontaktaufnahme haben einige der Eigentümer ihre Immobilien verkauft oder planen dies zu tun. Zwei Objekte befinden sich in Sanierung. Viele Eigentümer waren zwar gesprächsbereit, aber nicht handlungsbereit. Oft änderte sich nichts an dem Zustand der Gebäude. Mit fünf Eigentümern konnte kein Gespräch erwirkt werden.“

Städte – erst recht, wenn sie nicht auch selber kaufen oder Geld zuschießen können – sitzen bei unsanierten Wohngebäuden ganz eindeutig am kürzeren Hebel. Erst recht, wenn die Eigentümer der verwahrlosten Gebäude nicht kontaktierbar sind und jedes Gespräch verweigern.

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